Faktencheck

Ohne Beweise? Iran zu Entschädigungszahlungen für Hinterbliebene von 9/11 verurteilt

Sechs Milliarden US-Dollar soll der Iran an Hinterbliebene der Opfer vom 11. September 2001 zahlen – das urteilte ein New Yorker Gericht. Die Webseite „Pars Today“ behauptet nun, die Richter urteilten ohne Beweise. Stimmt das? Und was ist „Pars Today“?

von Niklas Trinkhaus

Ein US-Gericht verurteilte den Iran zu Entschädigungszahlungen. (Symbolbild)© DanielBphotos / pixabay

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Es bleibt unklar auf welche Beweise sich das Urteil vom 30. April stützt. Dem Vorwurf, dass der Richter im Interesse Saudi-Arabiens urteilt, widerspricht das laufende Verfahren gegen das Land.

Die Website „parstoday.com“ schreibt am 2. Mai 2018 über die Entscheidung eines New Yorker Gerichts, welches den Iran zu Entschädigungszahlungen für Hinterbliebene von 9/11 verurteilt hat. „Parstoday.com“ kritisiert, dass „amerikanische Richter wiederholt im Interesse des saudischen und des zionistischen Regimes solche Urteile ausgesprochen“ hätten.

Ohne Beweise?

„Parstoday.com“ wirft Richter George Daniels vor, das Urteil gegen den Iran ohne „Vorlage von Beweisdokumenten“ gesprochen zu haben.

Im schriftlichen Urteil vom 30. April steht nicht, auf welche Beweise sich das Gericht konkret stützt. Dort steht lediglich: „Upon consideration of the evidence and arguments“, also „Nach Abwägung der Beweise und Argumente“. Eine ausführliche Urteilsbegründung steht noch aus.

Was werfen die USA dem Iran vor?

„Parstoday.com“ schreibt, das Urteil widerspreche dem Ergebnis der 9/11-Untersuchungskommission des US-Kongresses. Tatsächlich stand im Abschlussbericht: „Wir haben keine Beweise gefunden, dass der Iran oder Hisbollah von den Planungen wussten, die später die 9/11-Anschläge wurden.“

Allerdings warf die Kommission dem Iran andere Formen der Unterstützung vor. So gebe es „starke Beweise“ dafür, dass der Iran einigen der späteren Attentäter die Ein- und Ausreise nach Afghanistan „ermöglicht“ habe. Iranische Offizielle sollen sie dabei unterstützt haben. Zum Beispiel seien Grenzbeamte angewiesen worden, keine Einreisestempel auszustellen.

Es ist aber nicht klar, ob sich das Gericht hierauf bezieht, oder ob es andere Belege gibt, die das US-Gericht für sein Urteil benutzt hat. Ob es stimmt, dass das Urteil dem Bericht des Untersuchungsausschusses widerspricht, bleibt ebenfalls unklar. Um dies abschließend bewerten zu können, bedarf es der Urteilsbegründung, auf die das Gericht sich stützt.

Anwalt Robert Haefele sprach gegenüber ABC News von „materieller Unterstützung“, die dem Iran in einem Urteil aus dem Jahr 2011 nachgewiesen wurde.

US-Medien wie ABC News und Newsweek vertreten ohnehin die Annahme, es handele sich um einen symbolischen Urteilsspruch. Sie gehen nicht davon aus, dass der Iran den Entschädigungszahlungen nachkommen wird. Der Iran sorgt sich „parstoday.com“ zufolge allerdings um seine Vermögenswerte in den Vereinigten Staaten.

Handelt das Gericht im Interesse Saudi-Arabiens?

Während „parstoday.com“ dem Gericht vorwirft „im Interesse des saudischen Regimes“ zu handeln, ist das Urteil Teil eines größeren Prozesses in dem auch Zivilklagen gegen Saudi-Arabien geführt werden.

Es ist eine Neuheit, dass Einzelpersonen in den USA andere Staaten verklagen können. Erst auf Grundlage eines neuen Gesetzes aus dem Jahr 2016, dem „Justice Against Sponsors of Terrorism Act“ (JASTA), können auch Staaten für die Unterstützung terroristischer Gruppierungen verklagt werden. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Saudi-Arabien, da 15 der 19 Attentäter von 9/11 saudische Staatsbürger waren.

Erst kürzlich wies Richter Daniels, der auch das Urteil gegen den Iran verhängte, einen Antrag Saudi-Arabiens zurück, der solche Klagen unterbinden sollte. Auch der Anwalt der Zivilkläger Robert Haefele sagte gegenüber ABC News, das Urteil gegen den Iran solle „nicht den Berg von Beweisen überschatten, der gegen Saudi-Arabien vorgebracht wurde und zentral für die Kläger bleibt“.

Was ist „Pars Today“?

„Parstoday.com“ gehört zu „Islamic Republic of Iran Broadcasting“ (IRIB). IRIB ist die staatliche Rundfunkanstalt der Islamischen Republik Iran und verfügt über verschiedene Radio- und Fernsehsender im Ausland. Die Leitung des IRIB wird alle fünf Jahre direkt durch das iranische Oberhaupt – Ajatollah Ali Chamenei – vergeben. Der aktuelle Direktor von IRIB, Abdolali Ali-Askari, äußerte sich 2016, im Rahmen der Inbetriebnahme von „ParsToday“ zur Funktion von IRIB: „Der islamische Iran steht einem breiten Medienkrieg gegenüber und IRIB steht an der Spitze dieses Krieges“.