Faktencheck

Nein – das Gesundheitsministerium plant weder harte Strafen noch Impfpflicht

„Wer sein Kind nicht impft, soll diese harte Strafe bekommen!”, titelt die Seite „Blasting News“. Von einem Entzug des Kindergeldes bis zu einer möglichen Impfpflicht seien Maßnahmen im Gespräch. Das Gesundheitsministerium dementiert.

von Cristina Helberg

Das Gesundheitsministerium plant keine Strafen, wenn Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen. (Symbolbild).© WikiImages / pixabay

Bewertung
Das ist falsch. Das Gesundheitsministerium plant keine Strafen, wenn Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen. Auch eine Streichung des Kindergeldes oder eine Impfpflicht ist nicht geplant. Lassen Eltern sich nicht beraten, drohen jedoch Bußgelder.

Direkt unter der Überschrift des Artikels auf der Seite „Blasting News“ ist ein Video des Online-Magazins „Fluter“ verlinkt. Das ist das Medium der Bundeszentrale für politische Bildung. In dem Originalvideo geht es um eine Frau, die als Kind nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl von ihren Eltern getrennt wurde und heute als Pflegemutter arbeitet. Auf der Seite „Blasting News“ ist jedoch eine abgeänderte Version des Videos mit roten Textbalken verlinkt. In den über das Video gelegten Texten geht es um die Frage, wie eine Grundimmunisierung von möglichst vielen Kindern erreicht werden könne. „Die Überlegungen gehen von Geldstrafen bis zur Streichung des Kindergeldes“, steht dort.

Aber: „Das Originalvideo von Fluter hat nichts mit Impfungen zu tun und die roten Textbalken sind nicht von uns“, erklärt Tanja Mokosch, Redaktionsleiterin von „Fluter“, auf Nachfrage. Die nachträgliche Bearbeitung ist im Video nicht gekennzeichnet.

Zugespitzte Überschrift ohne Belege

Die in der Überschrift aufgeworfene Frage nach einer „harten Strafe“ wird im Artikel nicht thematisiert. Es bleibt unklar, welche Strafe konkret gemeint ist und wer sie angeblich plant. Stattdessen verweist der Autor des Artikels, Satoshi Ryuuga, auf „erste Stimmen“ und einen „Vorschlag anderer Positionen, dass als Sanktionierungsmaßnahme staatliche Hilfen wie das Kindergeld gestrichen werden sollen“. Wer diese „Stimmen“ und „Positionen“ sein sollen, bleibt unklar. Lediglich der frühere Gesundheitsminister Hermann Größe wird namentlich als Quelle genannt. Er habe vorgeschlagen, „bei Verweigerung einer Impfung soll dies dem Gesundheitsamt gemeldet werden, bei fortwährender Verweigerung sollen schließlich gar Bußgelder folgen“. In dem Artikel wird außerdem über die Möglichkeit einer Impfpflicht berichtet, die trotz möglicher verfassungsrechtlicher Bedenken „nicht vollständig ausgeschlossen“ sei.

CORRECTIV hat beim Gesundheitsministerium nachgefragt, welche Maßnahmen tatsächlich aktuell gelten oder geplant sind.

Mögliche Bußgelder für Eltern, die Impfberatung verweigern

Das Ministerium bestätigt mögliche Bußgelder für Eltern und verweist darauf, dass bereits Mitte 2015 mit dem Präventionsgesetz Maßnahmen zur Verbesserung des Impfschutzes getroffen wurden. Seit dem sei „eine verpflichtende Impfberatung vor dem Kita-Eintritt“ vorgesehen. Ungeimpfte Kinder und Jugendliche können bei Ausbruch einer Krankheit vom Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung ausgeschlossen werden.   

Seit Juni 2017 gilt das Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten. Demnach muss die Kita-Leitung das Gesundheitsamt benachrichtigen, wenn Eltern keinen Impfnachweis vorlegen. Das Gesundheitsamt kann die Eltern dann zu einer Beratung laden. (§ 34 Absatz 10a)

Verweigern die Eltern eine ärztliche Beratung, können Gesundheitsämter „in Fällen hartnäckiger Verweigerung Bußgelder in Höhe von 2.500 Euro verhängen“, so Oliver Ewald, Pressesprecher des Bundesgesundheitsministeriums. Das ist in §73 Absatz 2 des Infektionsschutzgesetzes geregelt.

Ist eine Impfpflicht geplant?

„Das Thema wurde immer wieder öffentlich diskutiert. Derzeit ist die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht nicht geplant“, schreibt der Pressesprecher Ewald. Er verweist auf eine Stellungnahme des Gesundheitsministeriums von Dezember 2017 in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP im Bundestag. Darin heißt es unter Punkt 16: „Nach den derzeit in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetzen sind Schutzimpfungen grundsätzlich freiwillig. Ausnahmen gibt es lediglich für Soldaten“. Vor einer Schutzimpfung sei deshalb immer die Einwilligung der Person oder des Sorgeberechtigten notwendig. Der Autor des Artikels von „Blasting News“ verweist in seinem Text darauf, dass eine Impfpflicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstoßen könne.

Diese Einschätzung teilt offenbar auch das Gesundheitsministerium in der Antwort auf die Parlamentarische Anfrage. Dort steht: „Eine Verpflichtung zur Teilnahme an Schutzimpfungen würde in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes eingreifen“. Ein Eingreifen in dieses Grundrecht sei nur möglich, wenn dies erforderlich sei, „um Leben und Gesundheit anderer Menschen vor einer schweren Gefährdung durch übertragbare Krankheiten zu schützen“. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Ziele nicht durch andere, weniger in Grundrechte eingreifende, Instrumente, erreicht werden könnten.

Keine Kürzung des Kindergeldes

Zudem schreibt der Autor auf „Blasting News“, die Streichung des Kindergeldes sei eine mögliche Option, Eltern zu Impfungen zu bewegen. Ewald, Sprecher des Gesundheitsministeriums erklärt dazu: „Solche Forderungen werden immer mal wieder von Journalisten aufgestellt. Sie sind aber als Sanktionsinstrument meines Erachtens nie ernsthaft politisch diskutiert worden“.