Faktencheck

Das Medikament Paxlovid führt nicht zu mehr positiven Corona-Tests

In einem Video in Sozialen Netzwerken wird behauptet, die Nebenwirkungen des Medikaments Paxlovid seien den Symptomen einer Corona-Infektion ähnlich. Dies werde zu zahlreichen falschen Testergebnissen und einer „inszenierten“ Welle im Herbst führen. Das Medikament wird jedoch erst bei einem positiven Coronatest verschrieben und beeinflusst die Fallzahlen nicht.

von Paulina Thom

paxlovid
Patienten und Patientinnen mit einem positiven Coronatest können in Deutschland das Medikament Paxlovid erhalten (Symbolbild: Picture Alliance / DPA / Fabian Sommer)
Behauptung
Die Nebenwirkungen des Medikaments Paxlovid seien den Symptomen einer Corona-Infektion ähnlich. Die Einnahme des Medikaments führe zu mehr Besuchen auf den Teststationen und zu „Falschergebnissen“, mit denen eine „neue Welle“ begründet werde.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Laut Ärztinnen und Ärzten unterscheiden sich die Symptome einer Corona-Infektion von den Nebenwirkungen von Paxlovid. Das Medikament wird zur Behandlung von Covid-19 verschrieben, wenn bereits ein positives Testergebnis vorliegt. Das Medikament führt nicht zu mehr positiven Testergebnissen oder zu mehr Corona-Fällen.

Auf Telegram und Instagram kursiert ein Video, wonach das Medikament Paxlovid Nebenwirkungen auslöse, die den Symptomen einer Coronavirus-Infektion ähneln. Weiter heißt es: „Je mehr dieses Medikament zu sich nehmen, umso mehr Symptome wird es geben, welche wiederum Herdenläufe zu Teststationen auslösen, woraufhin wieder etliche Falschergebnisse eine neue Welle begründen werden.“

Die Annahmen im Video sind größtenteils falsch. Die Symptome einer Corona-Infektion und die Nebenwirkungen von Paxlovid unterscheiden sich – eine Überschneidung gibt es beim Geschmacksverlust. Die Verschreibung von Paxlovid beeinflusst zudem laut medizinischen Fachleuten die Corona-Fallzahlen nicht, denn das Arzneimittel wird zur Behandlung der Krankheit Covid-19 verschrieben. Das Medikament wird nicht vorbeugend eingesetzt, sondern nur, wenn ein positives Testergebnis vorliegt. 

Ebenso wenig hat das Medikament einen Einfluss auf das Testergebnis. PCR-Tests und Antigen-Tests reagieren nicht auf Nebenwirkungen oder Symptome, sondern auf das Erbgut oder bestimmte Proteine des Coronavirus. 

Instagram-Beitrag mit einem Video „Paxlovi Inszenierung einer Welle"
In einem Video auf Telegram und Instagram wird behauptet, die Nebenwirkungen von Paxlovid seien den Symptomen einer Corona-Erkrankung ähnlich. Laut Fachleuten sind die häufigsten Corona-Symptome jedoch keine Nebenwirkungen des Medikaments. (Quelle: Instagram; Screenshot und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Paxlovid ist seit dem 28. Januar 2022 in der EU bedingt zugelassen. Ärzte können das Medikament in Deutschland seit Ende Februar verordnen. Laut Verpackungsbeilage (PDF, S. 2) wird es zur Behandlung von Covid-19 bei Erwachsenen eingesetzt, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben und keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Als antivirales Arzneimittel soll Paxlovid „die Vermehrung des Virus in den Zellen und damit auch die Vermehrung des Virus im Körper“ stoppen. 

Nebenwirkungen von Paxlovid unterscheiden sich von den häufigsten Symptomen einer Corona-Erkrankung

In dem kursierenden Video werden ab Sekunde 25 Nebenwirkungen von Paxlovid aufgezählt, darunter Geschmacksstörungen, Kopfschmerzen und Magen-Darm-Probleme. Diese würden den Symptomen ähneln, die das Virus verursacht.

Es stimmt, dass ein veränderter Geschmackssinn, Kopfschmerzen, Durchfall und Erbrechen zu den bisher gemeldeten häufigsten Nebenwirkungen des Medikaments laut Verpackungsbeilage zählen (PDF, S. 6). 

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) teilt uns auf Anfrage mit, dass zwar eine gewisse Überschneidung des Nebenwirkungsprofils von Paxlovid mit den Symptomen einer Corona-Erkrankung bestehe. „Allerdings sind die häufigsten Symptome einer Corona Erkrankung (Husten, Fieber und Schnupfen) keine bekannten Nebenwirkungen von Paxlovid.“ Auch seien die Mehrzahl der „weiteren Symptome“ einer Corona-Infektion keine bekannten Nebenwirkungen des Medikaments. 

Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, schreibt uns auf Anfrage, dass die Nebenwirkungen grundsätzlich nicht den Symptomen einer Corona-Erkrankung ähneln. Geschmacksstörungen könnten aber sowohl bei der Therapie mit Paxlovid als auch bei einer Corona-Erkrankung auftreten. 

Paxlovid wird nur bei positivem Corona-Test verschrieben und beeinflusst Fallzahlen nicht

Ab Sekunde 38 heißt es in dem Video, je mehr Menschen Paxlovid einnähmen, desto mehr Symptome werde es geben. Das würde „Herdenläufe zu Test-Stationen auslösen“, was zu „Falschergebnissen“ führe. Diese Schlussfolgerung ist jedoch falsch. Das Bfarm schreibt in seiner Antwort an uns, dass die Verschreibung von Paxlovid zwingend einen positiven Corona-Nachweis voraussetze. Auf seiner Website gibt das Bundesinstitut an, dass hierzu zunächst ein Schnelltest reiche. Ärztinnen und Ärzte müssen in solchen Fällen jedoch zusätzlich einen PCR-Test veranlassen. 

Paxlovid werde nicht vorbeugend eingesetzt, schreibt auch Stefan Kluge. „Das Medikament erhalten Patient:innen, die seit kurzer Zeit symptomatisch und noch nicht schwer erkrankt sind, aber Risikofaktoren für einen schweren Verlauf haben.“ Die Therapie mit Paxlovid müsse in den ersten fünf Tagen nach Einsetzen der Symptome beginnen. Dass ein Testergebnis vorliegen muss, bestätigten uns auch Beate Grüner, Leiterin der Sektion Klinische Infektiologie am Universitätsklinikum Ulm, und die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie. 

Eine infizierte Person wird laut Robert-Koch-Institut (RKI) in der Statistik als Fall gezählt, wenn die Infektion durch einen PCR-Test nachgewiesen wurde. Die Aussage, dass sich durch die Einnahme von Paxlovid die Fallzahlen erhöhen, ergibt daher keinen Sinn. Wie wir in einem Faktencheck im November 2021 erläuterten, zählt das RKI eine Infektion nicht mehrfach – würde sich eine Person während der Einnahme von Paxlovid erneut testen lassen, würde dies nicht als neuer Fall in die Statistik des RKI eingehen.

Kein Einfluss von Paxlovid auf das Testergebnis

Dem Bfarm liegen zudem keine Erkenntnisse vor, dass die Anwendung von Paxlovid Testergebnisse verfälsche. Dass die Einnahme des Medikaments keinen Einfluss auf das Testergebnis hat, bestätigten uns auch Stefan Kluge und Christoph Daniel Spinner, Infektiologe am Klinikum der Technischen Universität München. 

Paxlovid ist ein Medikament und kein Virus. PCR-Tests reagieren aber auf das Genmaterial des Coronavirus. Antigen-Tests reagieren hingegen auf Proteine, die im Coronavirus enthalten sind. Beide Tests können eine Infektion auch dann nachweisen, wenn eine Person keine Symptome hat.

Redigatur: Viktor Marinov, Sarah Thust

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Gebrauchsinformation für Patienten, Verpackungsbeilage des Arzneimittels Paxlovid, 13. Juli 2022: Link (PDF)
  • Informationen zu Lagevrio und Paxlovid der Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte: Link