Hakenkreuz-Schmiererei: Video von angeblichem ukrainischen Geflüchteten ist schon jahrealt
In Sozialen Netzwerken wird ein Video verbreitet, das einen ukrainischen Geflüchteten in London als Neonazi entlarven soll. Auch ein russischer Diplomat teilte es. Das Video ist aber bereits mehrere Jahre alt. Belege dafür, dass der Mann, der darin zu sehen ist, aus der Ukraine kommt, gibt es nicht.
„Aus der Serie ‘Es gibt keine Nazis in der Ukraine’“, so wird online ein Video kommentiert, das einen ukrainischen Geflüchteten dabei zeigen soll, wie er ein Hakenkreuz in einem Londoner Einkaufszentrum wegschrubben muss, das er selbst gemalt habe. Das Video kursiert momentan auf mehreren Sozialen Netzwerken. Alleine auf Telegram wurde es 20.000 Mal gesehen. In dem Video beobachten einige Leute die Szenerie, eine Frauenstimme sagt auf Englisch: „Du solltest dich schämen.“ Ein Mann in Warnweste sprüht immer wieder Reinigungsmittel auf den Boden.
Auch Dmitry Polyanskiy, stellvertretender ständiger Vertreter Russlands bei den Vereinten Nationen, teilte das Video auf Twitter. Die Ukraine als faschistischen Staat darzustellen, gehört seit Beginn des Angriffskrieges zur Propaganda Russlands, wie hier in unserem Hintergrundbericht erklärt. Auch in mehreren Faktenchecks (hier, hier und hier) prüfte CORRECTIV.Faktencheck Behauptungen, die dieses Narrativ untermauern sollten, die jedoch falsch oder irreführend waren.
Diese Recherche zeigt: Das Video kursiert mindestens seit 2018, also schon Jahre vor der russischen Invasion im Februar 2022, wegen derer Millionen Ukrainer aus dem Land flohen. Auf Telegram halten manche das Video für aktuell. Belege dafür, dass es tatsächlich einen Mann zeigt, der aus der Ukraine geflüchtet ist, gibt es aber keine. Der zuständigen Polizeistelle in London ist ebenfalls kein aktueller Vorfall dieser Art bekannt.
Video von vermeintlichem ukrainischen Geflüchteten in London ist vier Jahre alt
Wie eine Google-Suche mit den Stichworten „clean swastika london“ zeigt, kursierte das Video schon im Dezember 2018. Der israelische Aktivist Hananya Naftali veröffentlichte es damals auf Facebook, zusammen mit dem Text: „Ost-London: Ein Mann wird gezwungen, das Hakenkreuz, das er auf den Boden eines Einkaufszentrums in Stratford gemalt hat, zu entfernen“. Davon, dass der Mann aus der Ukraine stamme, schreibt Naftali nichts.
Der Vergleich des Videos mit öffentlich verfügbarem Material zum Stratford Einkaufszentrum zeigt, dass das Video tatsächlich dort aufgenommen wurde. Bei Minute 0:28 etwa ist im Video vor einer Drogerie mit blauem Logo das Bodenmuster zu sehen, das auch Bilder des Einkaufszentrums auf Google Maps zeigen. Bei Minute 0:30 ist neben der Drogerie ein chinesischer Supermarkt zu sehen, so ist das auch im Lageplan des Einkaufszentrums.
Keine Belege, dass der Mann Ukrainer ist
Dass im Video jemand zu sehen ist, der in einem Londoner Einkaufszentrum ein Hakenkreuz vom Boden wischt, stimmt also. Dass der Mann es selbst gemalt hat, legt zumindest die Audio-Spur nahe, in der eine Frau ihn deswegen beschimpft.
Es gibt allerdings keinen Hinweis, dass der Mann Ukrainer ist. Zwar trägt er einen blau-gelben Schal – die Farben der ukrainischen Flagge. Doch dass diese Farbwahl eher zufällig sein dürfte, schrieb auch schon die Faktencheck-Organisation Stopfake. Sie versuchte, den Schal online zu finden – scheiterte aber.
Polizei: Es gab 2022 im Stratford Einkaufszentrum keine kriminelle Beschädigung mit Hakenkreuz
Wir haben die zuständige Polizeibehörde in London gefragt, ob es dieses Jahr bekannte Fälle von Hakenkreuz-Schmierereien im Stratford Einkaufszentrum gab. Eine Sprecherin der Metropolitan Police schrieb per E-Mail: „Es gibt keine Spur von krimineller Beschädigung mit einem Hakenkreuz.“ Das Stratford Einkaufszentrum antwortete bislang nicht auf Fragen nach Details zu dem Video.
Russischer UN-Vertreter verbreitet wiederholt Falschnachrichten
Der Diplomat Dmitry Polyanskiy fällt nicht zum ersten Mal damit auf, dass er öffentlich Falschinformationen über die Ukraine teilt. Erst kürzlich verbreitete er das Gerücht weiter, dass in Bremen Stinger-Raketen aufgetaucht seien, die eigentlich für die Ukraine bestimmt gewesen seien. Diese Behauptung ist falsch, wie CORRECTIV.Faktencheck gezeigt hat. Sie gehört zu einer Desinformationskampagne, die vor allem mit gefälschten Regierungsdokumenten arbeitete.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Viktor Marinov, Matthias Bau
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Facebook-Beitrag des israelischen Aktivisten Hananya Naftali, 23. Dezember 2018: Link