Faktencheck

Dieses Foto eines angeblichen Selenskyj-Graffitis entstand nicht in Brüssel

Der Kanal „Typicaloptical“ schlägt erneut zu. Nach zahlreichen entlarvten Fakes zu angeblichen Selenskyj-Graffitis in europäischen Städten sei nun ein neues Bild in Brüssel entstanden. Auch für dieses Graffiti gibt es keine Belege, der Aufnahmeort des Fotos ist zudem Frankreich.

von Sophie Timmermann

Manipuliertes-Foto-angebliches-Selenskyj-Grafitti-in-Brüssel
Dieses angebliche Selenskyj-Graffiti soll in Brüssel entstanden sein. Das stimmt nicht. (Quelle: Telegram; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Bild zeige ein Graffiti des ukrainischen Präsidenten Selenskyj in Brüssel.
Bewertung
Manipuliert. Die Aufnahme entstand nicht in Brüssel, sondern nahe von Paris. Mitarbeitende verschiedener Geschäfte vor Ort bestätigten Medien, sie hätten das Graffiti nicht gesehen. Ursprung ist der Kanal einer angeblich polnischen Künstlergruppe, der schon mehrfach Bilder von Selenskyj-Graffitis in europäischen Städten verbreitete. Diese stellten sich als Fälschungen heraus.

London, Madrid, Paris, Warschau. Seit Monaten verbreitet ein Instagram-Kanal namens „Typicaloptical“ angebliche Straßenmalereien in europäischen Städten, die den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj abwertend darstellen: Mal wütend, nach Geld schnappend; mal neben Heuschrecken, die sinnbildlich die Europäische Union zerfressen; mal Selenskyj als „größten Pickel der Welt“. Mehrere Faktencheck-Redaktionen entlarvten die Bilder als manipuliert (hier, hier und hier). 

Am 5. Februar schlug der Kanal, der sich als polnische Künstlergruppe ausgibt, erneut zu: Auf Instagram und Telegram veröffentlichte er eine vermeintliche Karikatur, in der sich Selenskyj mehrere Panzer in den Mund schaufelt. Vermutlich soll dies eine Anspielung auf Panzerlieferungen an die Ukraine sein, die unter anderem Deutschland im Januar bekannt gab. Das angebliche Graffiti verbreitet sich auch in deutschen Beiträgen auf Facebook

In den Hashtags auf Instagram sind Belgien und Brüssel als Aufnahmeort genannt. Doch das Foto entstand ursprünglich in Frankreich; Mitarbeitende verschiedener Geschäfte vor Ort wissen nichts von der angeblichen Straßenmalerei. 

Telegram-Beitrag mit einem Foto des angeblichen Selenskyj-Graffitis
Der Telegram-Kanal „Typical Optical“ verbreitete das Bild am 5. Februar (Quelle: Telegram; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Foto des angeblichen Selenskyj-Graffitis entstand in Frankreich, nicht in Belgien

Wie bei anderen Fotos zuvor, posiert ein Mann mit Malzubehör vor dem vermeintlichen Graffiti. Das muss nichts über dessen Echtheit aussagen. Im Januar erinnerte sich ein Verkäufer bei einem anderen Bild, das vor seinem Verkaufsstand in Zürich entstanden sein soll, an eine ähnliche Situation: Ein Mann habe so getan, als wäre er Künstler –  habe aber in Wirklichkeit nur „rumgekritzelt“. Das Graffiti in Zürich gab es nie. 

Auf Instagram veröffentlichte „Typical Optical“ das neueste Bild in Form einer Collage aus neun Ausschnitten. Die einzelnen Fotos haben eine gute Auflösung und lassen Details im Hintergrund erkennen. So wird deutlich, dass die Autokennzeichen nicht aus Belgien stammen. Wie aus der Webseite des belgischen öffentlichen Dienstes für Mobilität und Transportwesen hervorgeht, tragen belgische Kennzeichen drei Nummern am Ende. Die Kennzeichen der Autos im Bild enthalten jedoch zwei Buchstaben am Ende, so wie es in Frankreich üblich ist. 

Ausschnitt des verbreiteten Fotos, das das Kennzeichen eines Autos zeigt
Ein Bildausschnitt der auf Instagram veröffentlichten Collage des angeblichen Selenskyj-Graffitis zeigt: Das Kennzeichen des weißen Transporters stimmt nicht mit belgischen Kennzeichen überein (Quelle: Instagram; Screenshot, rote Markierung und Unkenntlichmachung: CORRECTIV.Faktencheck)

Das russischsprachige Medium Provereno geolokalisierte den genauen Ort: Das Bild wurde nahe Paris in Saint-Mandé aufgenommen. Es befindet sich unweit eines bereits im Dezember enttarnten Fake. Mit Hilfe von Google Maps konnten wir den Ort bestätigen. 

Angestellte vor Ort haben das angebliche Selenskyj-Graffiti nie gesehen

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist eine blaue Ladenfassade zu erkennen, die zum Unternehmen Jeff de Bruges gehört – einem Chocolatier-Franchise. Über die Webseite von Jeff de Bruges findet sich die Filiale von Saint-Mandé und über Google Maps schließlich Aufnahmen der Umgebung und der exakte Spot des vermeintlichen Selenskyj-Graffiti. 

Mit Aufnahmen von Google Maps können wir das gesamte Foto sowie einen Bildausschnitt aus der Instagram-Collage mit Geschäften in der Umgebung abgleichen. Die blaue Tür im Foto stellt sich als Eingangstür der Bank LCL heraus, im Hintergrund ist dieselbe Ladenzeile auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu erkennen. Die weiß-rot gestreifte Markise stammt von einem Restaurant namens La Tourelle, daneben ist der besagte Jeff de Bruges Laden. Das Foto entstand also nicht in Brüssel, sondern nahe Paris. 

Ein Vergleich mit Aufnahmen von Google Maps zeigt, der Aufnahmeort war nicht Brüssel, sondern Saint-Mandé in Frankreich
Straßenaufnahmen von Google Maps (rechts) bestätigen, dass die Aufnahme (links) in Saint-Mandé unweit von Paris entstand und nicht, wie behauptet, in Brüssel (Quelle: Telegram, Instagram und Google Maps; Screenshot, Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Unsere Anfrage an Jeff de Bruges blieb bisher unbeantwortet. Die AFP befragte jedoch Angestellte der Filiale vor Ort, sowie Mitarbeitende der Bankfiliale LCL und des Restaurants La Tourelle. Niemand hat die angebliche Straßenmalerei gesehen. 

Warum der Kanal „Typicaloptical“ Fotos von falschen Selenskyj-Graffitis verbreitet, ist unklar. Der ukrainische Präsident wird jedoch immer wieder zur Zielscheibe wahlloser Falschmeldungen – oft anhand von Fotomontagen. So wurde fälschlich behauptet, US-Präsident Biden habe ihm an den Hintern gefasst, Selenskyj sei 1991 auf der Gay Parade zu sehen gewesen, oder der Spiegel habe ihn grinsend vor einem Berg Leichen abgebildet

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Paulina Thom, Kimberly Nicolaus