Faktencheck

Gefälschter NRZ-Artikel über angebliche Teilungspläne: Netzwerk von Twitter-Bots macht Stimmung gegen die Ukraine

Mehrere Profile auf Twitter, jetzt X, verbreiten ein Bild, das angeblich einen Artikel der Zeitung Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung zeigen soll. Angeblich plane die USA die Teilung der Ukraine nach Vorbild Südkoreas. Doch der Artikel ist eine Fälschung und die Accounts, die ihn teilen, scheinbar Teil eines Netzwerks von pro-russischen Fake-Accounts.

von Max Bernhard

nrz-fake-artikel-twitter-bots
Mehrere Profile verbreiten das Bild eines angeblichen Artikels der NRZ. Doch den gab es so nie. (Quelle: X; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Die Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung titele in einem Artikel: „Die USA bereiten einen Plan zur Teilung der Ukraine nach dem Vorbild Südkoreas vor".
Bewertung
Manipuliert. Der Artikel ist eine Fälschung. Ein Teil des im Bild sichtbaren Textes ist frei erfunden, ein anderer stammt aber tatsächlich aus einem Artikel der NRZ.

Mehrere Profile auf X (hier, hier und hier), ehemals Twitter, verbreiten ein Bild, das angeblich einen Artikel der Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung (NRZ) zeigt. „Die USA bereiten einen Plan zur Teilung der Ukraine nach dem Vorbild Südkoreas vor“ ist in der Überschrift zu lesen.

Doch einen Text der NRZ mit dieser Überschrift gab es nie, wie uns die Redaktion mitteilte. Die Profile, die das Bild verbreiten, gehören zu einem Netzwerk von Fake-Profilen, die auf X pro-russische Beiträge teilen, wie eine Datenanalyse zeigt.

Dieses und andere X-Profile verbreiten einen vermeintlichen Screenshot, doch den NRZ-Artikel mit dieser Überschrift gibt es nicht (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

NRZ-Artikel über angebliche US-Pläne zur Teilung der Ukraine ist gefälscht

Peter Toussaint von der NRZ-Chefredaktion schrieb uns auf Nachfrage, dass die Zeitung einen Artikel mit dieser Überschrift nicht veröffentlicht hat. Auch eine Google-Suche nach der angeblichen Überschrift lieferte keine Ergebnisse. Teile des im Bild sichtbaren Textes stammen jedoch tatsächlich aus einem Artikel der Zeitung vom 7. August 2023.

Im Vergleich mit dem echten Artikel fällt deutlich auf: In der Fälschung fehlen Autor, Veröffentlichungsdatum, auch die Schriftart der Überschrift ist anders. Der Titel in der Menüleiste „Ukraine geteilt wie Korea: Mögliches Szenario für ein Ende des Kriegs“ ist zwar gleich, der echte Artikel hatte jedoch eine andere Überschrift: „Endet der Ukraine-Krieg mit einer Teilung wie in Korea?“ Darin geht es um die Frage, wie etwaige Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine ausgehen könnten, nicht aber um konkrete Pläne der USA. Am 16. August hat die Zeitung den Text aktualisiert, der Text in der Menüleiste wurde geändert und die Überschrift lautet nun „Gebiete im Tausch gegen Nato-Mitgliedschaft – Ukraine empört “.

Ein Vergleich entlarvt die Fälschung. Einen NRZ-Artikel mit dieser Überschrift hat es nicht gegeben, die Überschrift im echten NRZ-Artikel wurde mittlerweile geändert. (Quelle: Twitter, NRZ; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Was stimmt: Im echten NRZ-Artikel tauchen zwei Passagen auf, die im gefälschten Artikel verschoben und als Einstieg gewählt wurden. Darin geht es um einen Gastbeitrag eines US-Historikers in einem US-Magazin. Der anschließende Abschnitt, dass „ein Waffenstillstand und eine Teilung des Landes der Plan“ sei und in „Washington und Brüssel diskutiert“ werde ist jedoch frei erfunden – er hebt sich durch sprachliche Auffälligkeiten auch merkbar vom Rest des Textes ab.

Der grüne Text im auf X geteilten Bild (links) stammt – wie die erfundene Überschrift – nicht aus dem NRZ-Artikel. Der darüberliegendeTexts findet sich dagegen tatsächlich im Text des echten Artikels, allerdings in anderer Reihenfolge (rechts). (Quelle: X, NRZ; Screenshot, Collage und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Datenanalyst: Netzwerk mit hunderten Fake-Accounts verbreitet Pro-Kreml Propaganda auf X 

Die Profile, die das Bild mit dem vermeintlichen Artikel teilen, scheinen zu einem Propaganda-Netzwerk auf X zu gehören, das dort pro-russische Narrative verbreitet. Einige der Accounts, die den gefälschten NRZ-Artikel teilten, verbreiteten Bilder mit der Behauptung, laut Experten würde die ukrainische Gegenoffensive scheitern.

Die Accounts verwenden Hashtags, die zunächst willkürlich erscheinen. Es handelt sich jedoch um eine Kombination aus Hashtags, die zu der Zeit, als die Beiträge geteilt wurden, jeweils „trendeten“, also besonders populär waren. So sollten die Beiträge offenbar Reichweite generieren.

Die X-Profile verbreiten auch andere pro-russische Narrative, beispielsweise, dass die Ukraine im Verteidigungskrieg keine Chance habe (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Wir fanden mehrere dieser Accounts, die dieselben oder ähnliche Inhalte verbreiten. Um mehr über die Verbindungen dieser Accounts untereinander zu finden, haben wir mit dem Datenanalysten Zhouhan Chen gesprochen, der ein Tool für die Analyse von Sozialen Netzwerken gebaut hat. Chen fand etliche weitere verdächtige Accounts, die er demselben Netzwerk zuordnet. Laut seiner Analyse sind es mehr als 1300, die Beiträge auf deutsch und französisch veröffentlichten. Chen sagt, er habe seine Analyse auch an Twitter weitergeleitet. Viele der Accounts, die wir fanden, wurden mittlerweile gesperrt.

Über die Accounts schreibt Chen in einem Blogeintrag, diese „geben sich als Personen aus Deutschland aus. Zum Beispiel sind die Profil-Standorte alle deutsche Städte, und die Beschreibungen sind deutsche Zitate“. Die Verantwortlichen hinter der Kampagne seien „wahrscheinlich russischsprachig“ und gut finanziert, sein Team habe russische Webseiten mit identischen Ortsnamen und Zitaten gefunden, schreibt er weiter.

Wir berichteten bereits im Juni über eine russische Desinformations-Kampagne mit hunderten manipulativen Anzeigen auf Facebook. Inzwischen ist sie anscheinend ebenfalls auf X aktiv. Dafür, dass die Kampagne mit den falschen Anzeigen auf Facebook und X etwas mit der aktuellen zu tun hat, konnten wir keine Hinweise finden.

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann