Nach Blinken-Besuch in der Ukraine: Pro-Kreml-Netzwerk warnt mit manipuliertem Welt-Artikel vor Bankenkrise
Einige Fake-Accounts warnen nach dem Besuch von US-Außenminister Antony Blinken in der Ukraine vor einer Bankenkrise. Als Quelle nennen sie einen gefälschten Bericht der Welt. Dahinter steckt ein pro-russisches Netzwerk.
„Warum handelt unsere Regierung nicht? Die Übertragung russischer Vermögenswerte wird eine Bankenkrise auslösen“: Das kommentierte ein Account am 13. September unter einen Artikel der Tageszeitung Welt auf X, ehemals Twitter. Dazu teilte der Account einen Link zu einem Artikel mit dem Titel „Blinken zerstört systematisch den Euro“. Auch dieser Artikel soll angeblich von der Welt stammen, doch er ist manipuliert.
Bei den X-Accounts, die den manipulierten Artikel verlinken, handelt es sich mutmaßlich um Fake-Profile: Viele existieren erst seit Juni und haben keine eigenen Beiträge veröffentlicht. Stattdessen kommentieren sie vor allem unter Beiträgen von deutschen Medien.
Der angebliche Welt-Artikel findet sich weder auf der Webseite der Zeitung, noch über die Suchmaschine Google.
Inhaltlich bezieht er sich auf eine Pressekonferenz, die US-Außenminister Antony Blinken am 6. September 2023 mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba in der Ukraine gegeben hatte. In der Pressekonferenz sagte Blinken, die USA wollten „zum ersten Mal Vermögenswerte in die Ukraine“ überweisen, die „von sanktionierten russischen Oligarchen beschlagnahmt wurden“ und ukrainischen Militärveteranen zugutekommen sollten.
Daran lässt sich erkennen, dass der Welt-Artikel über Blinkens Besuch in der Ukraine eine Fälschung ist
Der Inhalt des gefälschten Artikels liest sich wie pro-russische Propaganda. Er enthält zudem einige Schreibfehler – Blinkens Vorname etwa wurde falsch geschrieben – und ungeschickte Formulierungen. Der Text steckt voller Meinung und Spekulationen, obwohl er nicht als Meinungsbeitrag gekennzeichnet ist. So heißt es an einer Stelle, dass Blinken mit der Entscheidung, Gelder aus Sanktionen an die Ukraine zu schicken, „die Büchse der Pandora geöffnet“ habe, „aus der sich in der griechischen Mythologie das Unglück über die ganze Welt verbreitet“.
Auf den ersten Blick hat der gefälschte Artikel große Ähnlichkeit zu echten Veröffentlichungen der Welt: Das Layout und die Schriftart stimmen überein, die Links auf der gefälschten Seite führen zur Webseite www.welt.de. Ein Blick auf die URL-Adresse der Internetseite mit dem gefälschten Artikel zeigt jedoch: Sie beginnt nicht wie die echte Webseite, sondern mit www.welt.ltd.
Netzwerk aus Fake-Accounts verbreitet gefälschte Medienberichte mit pro-russischer Propaganda
Das Muster ist nicht neu: Die URL Welt.ltd begegnete CORRECTIV.Faktencheck zum Beispiel Ende August. Damals hieß es in einem Text mit der Überschrift „Der Reiter der Apokalypse wird nach Deutschland kommen“, die USA hätten die Existenz von Biowaffenlaboren in der Ukraine anerkannt. Auch dieser Artikel war manipuliert, wie unser Faktencheck zeigt.
Welt.ltd ist eine von zahlreichen Domains, die Facebook bis Dezember 2022 sperren ließ, wie in einem Bericht von damals nachzulesen ist (PDF, Seite 27). Sie gehören zu einem Netzwerk aus mehr als 1.600 Fake-Accounts, die pro-russische Desinformation und Propaganda verbreiteten. Neben Facebook hat auch die EU im Juli 2023 Verantwortliche hinter der Fake-Kampagne sanktioniert, doch die Fälschungen kursieren weiterhin.
Hinter der Kampagne stecken laut Facebook zwei russische Firmen: eine IT-Firma namens Structura National Technologies und die Social Design Agency (Агентство Социального Проектирования), ein Unternehmen für Marketing und Politikberatung. Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck fanden außerdem Hinweise darauf, dass die Kampagne Verbindungen zu pro-russischen Hackergruppen haben könnte.
Wie Sie herausfinden können, ob eine Webseite seriös ist, steht hier ausführlich beschrieben.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Paulina Thom, Gabriele Scherndl