CORRECTIV.Ruhr

Gefälschter Brief des NRW-Innenministers

Nordrhein-Westfalens Innenministerium berichtet über ein gefälschtes Dokument, das in sozialen Netzwerken verbreitet wird. In dem Schreiben wird der Eindruck erweckt, Innenminister Herbert Reul (CDU) habe Polizisten angewiesen, Straftaten von Flüchtlingen und Migranten zu vertuschen

von Pauline Schinkels

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„Sehr geehrter Herr Polizeipräsident“, so beginnt ein Schreiben, wie sie vermutlich zigfach jeden Tag in Deutschland verschickt werden. Doch dieses Schreiben ist brisant. Vier Seiten ist es lang, und es kommt dem Anschein nach direkt von Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU), adressiert an den Polizeipräsidenten der Städte Köln und Leverkusen. In dem Brief fordert Reul die Polizistinnen und Polizisten dazu auf, Delikte von Ausländern vom 17. Juli bis 31. Oktober schwächer oder gar nicht zu ahnden.

Wer bis hier noch nicht stutzig geworden ist, ob ein Minister wirklich einen derartigen Aufruf verfassen würde, dem sei an dieser Stelle noch einmal deutlich gesagt: Nein, dieses Schreiben ist nicht echt. Das stellten das Innenministerium sowie der Innenminister persönlich am Mittwoch noch einmal klar. „Die im Internet veröffentlichten Seiten sind eine dreiste Fälschung“, schrieb Reul bei Facebook.

Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt

Der Brief verbreitete sich laut Angaben eines Minister-Sprechers seit Dienstag Abend im Netz. Per Twitter wurde das Ministerium auf das Dokument hingewiese. Man schrieb recht rasch: Das kommt nicht von uns. Wer den Brief verfasst und wer ihn in Umlauf gebracht hat, ist aber unklar. Inzwischen ermittelt der polizeiliche Staatsschutz.  

Da das Schreiben das Layout eines Briefes des Innenministeriums perfekt imitiert, steht zumindest der Verdacht der Urkundenfälschung im Raum. In welche Richtung die Untersuchungen noch gehen werden, ließ ein Sprecher des Innenministeriums offen: „Mehr zu sagen, wäre zu diesem Zeitpunkt reine Spekulation.“

Vermutlich sollte das Dokument mit dem Namen „Vorschrift zur Verhaltensweise der Polizeibeamten des Landes Nordrhein-Westfalen in Sachen Ausländerkriminalität“ gezielt für Empörung sorgen.

Erste Reaktionen im Netz ließen nicht lange auf sich warten. Erika Steinbach, im Wahlkampf für die Alternative für Deutschland aktiv, verbreitete das Dokument bereits bei Twitter.

Unterschrift des Ministers gefälscht

Wer sich das Schreiben genau anschaut, dem fallen einige fragwürdige Stellen ins Auge. So scheinen die zitierten Gesetzestexte, wie die Paragraphen 7, 8 und 65 des Polizeigesetzes NRW, ziemlich willkürlich ausgewählt worden sein. Der Verfasser nutzt zudem Begriffe wie „Kriminalverbrechen“ oder „Polizeidelikte“, die so in der Regel nicht verwendet werden.

Dafür erscheint das Dokument täuschend echt. „Ja, unserer Briefvorlagen sehen genauso aus“, bestätigt das Innenministerium. Auch das von Hand geschriebene Datum im Briefkopf sei durchaus üblich. Nur die Unterschrift von Minister Reul sei für Kenner recht offensichtlich nicht echt.

Erstmals bei Homment veröffentlicht

Erstmals tauchte das Dokument auf einer Internetseite namens homment.com auf. Eine „publish yourself“-Plattform. Dort kann jeder schreiben, was er will. Die Domain der Seite ist von Michael Mross registriert, der unter anderem auch das Internetportal mmnews.de betreibt und schon häufiger in Zusammenhang mit Verschwörungstheorien gebracht wurde. Auf der Seite mischten sich öfter Nachrichten mit vermeintlichem Insiderwissen über mögliche Terroranschläge. Da aber bei Homment jeder veröffentlichen kann, muss es nicht unbedingt Mross selbst gewesen sein, der das Schreiben publizierte.

Um die Geschichte glaubwürdig aussehen zu lassen, steht unter Reuls vermeintlicher Verordnung noch die Geschichte eines Polizisten, der sich über die nun geltende Sonderbehandlung für Flüchtlinge richtig empört. Über diesem Text steht bei Homment der Name eines gewissen „Niklas P.“.

Seitdem in der Nacht von Dienstag zu Mittwoch das vermeintliche Innenministerschreiben bei Homment auftauchte, sind zahlreiche weitere Texte auf der Plattform veröffentlicht worden. Und stündlich kommen neue dazu. Die heißen mal „Wie schnell kannst du eine tolle Bikinifigur bekommen“ oder „Wie man gut küsst“. Der letzte Text trug die Überschrift „Den Weltuntergang verhindern“.

Update vom 23. August:

Das Schreiben tauchte inzwischen wieder auf, einzelne Passagen wurden mit einem Textmarker hervorgehoben. Zu dem „mutierten“ Brief hat die Internetseite Mimikama einen Text veröffentlicht, den Sie hier einsehen können.