Bhakdi und Burkhardt verbreiten unbelegte Behauptungen zu Covid-19-Impfungen und Todesfällen
In einem Video behaupten Sucharit Bhakdi und Arne Burkhardt, die Covid-19-Impfung sei wirkungslos und tödlich. Beweisen sollen das teils alte Aufnahmen von Gewebeproben, die von Fachverbänden bereits im September 2021 als wissenschaftlich unfundiert und unzureichend zurückgewiesen wurden.
Im Netz verbreitet sich seit Ende Dezember ein Video des ehemaligen Professors für Mikrobiologie, Sucharit Bhakdi und von Arne Burkhardt, einem Pathologen im Ruhestand. In dem vom neurechten Kopp-Verlag veröffentlichten Video wird behauptet, Obduktionen bei 15 Personen hätten gezeigt, dass die Covid-19-Impfungen zu tödlichen Gesundheitsschäden geführt hätten.
Über das knapp 55-minütige Video berichteten unter anderem Report24 und Anonymous News. Angeblich liefere es Beweise dafür, dass die Covid-19-Impfung tödlich sei. Bhakdi äußerte sich zu den pathologischen Befunden auch in einem weiteren 10-minütigen Interview mit Report24 und in einem knapp 15-minütigen Video auf Englisch. Dieses wurde ebenfalls auf mehreren Webseiten verbreitet.
Es ist nicht das erste Mal, dass Sucharit Bhakdi unbelegte und irreführende Behauptungen zu den Covid-19-Impfstoffen verbreitet. Faktenchecks zu seinen Behauptungen, die Impfstoffe gegen Covid-19 seien wirkungslos und Covid-19 nicht schlimmer als eine Grippe, haben wir hier und hier veröffentlicht. Auch über Arne Burkhardt berichteten wir im letzten Jahr im Zusammenhang mit der sogenannten „Pathologie-Konferenz“.
Das aktuelle Video mit Arne Burkhardt und Sucharit Bhakdi handelt zum Großteil (ca. 40 Minuten) von Burkhardts Befunden zu 15 durchgeführten Obduktionen. Diese wurden bereits im letzten Jahr von Fachverbänden und Fachkollegen – etwa der Deutschen Gesellschaft für Pathologie – als „nicht wissenschaftlich fundiert“ bewertet.
Bhadki und Burkhardt führen bereits bekannte Obduktions-Fälle als Belege an
Dass es sich in dem Video um dieselben Fälle handelt, die Burkhardt bereits letztes Jahr vorstellte, wird durch einen Vergleich der Obduktions-Fälle klar. Mit den ersten zehn Obduktionen aus der ersten „Pathologie-Konferenz“ befassten wir uns ausführlich in unserem Faktencheck im September 2021. Weitere Fälle wurden von Burkhardt in der zweiten „Pathologie-Konferenz“ Anfang Dezember präsentiert.
Herkunft der Proben und Organe sowie Untersuchungsmethoden weiterhin unklar
Woher die untersuchten Proben und Organe der 15 Verstorbenen stammen, bleibt auch im aktuellen Video unklar. Mutmaßlich kommen sie aus Deutschland und Österreich. Im September 2021 äußerte sich Burkhardt zu der Herkunft folgendermaßen: „Die Österreicher waren noch die, die die besten Präparate und Angaben geliefert haben“ und „irgendwann lagen da die Organe bei mir und ich wusste gar nicht, wozu das gehört.“ In dem Video mit Bhakdi sagt Burkhardt (Minute 15:45), er sei von den Angehörigen der Verstorbenen angesprochen worden und hätte diesen angeboten, die bei der Obduktion entnommenen Organe nachzuuntersuchen.
Das Team des Deutschen Obduktionsregisters für Covid-19-Obduktionen, das während der Pandemie am Universitätsklinikum Aachen aufgebaut wurde, bemängelte bereits im September 2021, die Kriterien für die Auswahl der Fälle seien „unklar“. Die gesamte „Methode der Auswertung“ sei nicht nachvollziehbar, es fehle an Angaben zu Vorerkrankungen und anderen relevanten klinischen Angaben. Aus den Daten lasse sich kein Zusammenhang der Todesfälle mit der Impfungen gegen Covid-19 ableiten.
Das teilte uns auch Professor Konrad Steinestel, Klinischer Direktor des Instituts für Pathologie am Bundeswehrkrankenhaus in Ulm, auf Nachfrage zu dem neuen Video mit: Die gezeigten Befunde seien ohne Informationen zu Vorerkrankungen der teilweise hochbetagten Verstorbenen nicht seriös zu interpretieren.
Geringe Fallzahl lässt keine Schlüsse auf Impfnebenwirkungen zu
Es sei nicht möglich, aus einer so kleinen Fallgruppe Schlüsse zur Häufigkeit von Impfnebenwirkungen zu ziehen, sagte Steinestel im September 2021 gegenüber dem Faktenchfuchs des Bayerischen Rundfunk im Bezug auf die ersten zehn vorgestellten Obduktionen.
Auch die weiteren Obduktions-Fälle würden keine neuen Erkenntnisse über mögliche Impfnebenwirkungen geben, so Steinestel gegenüber CORRECTIV.Faktencheck: „Erneut wurden keine Diagnosen gezeigt, die in der Altersgruppe ungewöhnlich wären oder gar belegen, dass eine vorangehende Impfung zum Tode beigetragen hat. Diese Interpretation ist durch die gezeigten Daten nicht begründet und daher wissenschaftlich nicht haltbar.”
Ähnlich äußerte sich auch die Deutsche Gesellschaft für Pathologie Anfang Januar gegenüber dem Faktenfinder der ARD: „Auch ohne pathologisches Wissen ist offensichtlich, dass die Ergebnisse von Herrn Prof. Burkhardt aufgrund der geringen Fallzahl nicht repräsentativ sein können“.
Der Deutschen Gesellschaft für Pathologie ist laut einer Pressemeldung aus September 2021 bislang keine auffällige Korrelation von Todesfällen im Zusammenhang mit der COVID-19-Impfung bekannt. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Impfung auch Komplikationen verursachen könne, so die Fachgesellschaft.
In Deutschland berichtet das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) über gemeldeten Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen. In dem aktuellen Sicherheitsbericht des PEI vom 23. Dezember steht zu den gemeldeten Todesfällen nach Covid-19-Impfungen: „Ein Vergleich der Anzahl der gemeldeten Todesfälle im Abstand von einem Tag bis sechs Wochen nach einer COVID-19-Impfung mit der im gleichen Zeitraum statistisch zufällig zu erwartenden Anzahl der Todesfälle (Daten des Statistischen Bundesamtes) ergab für keinen der vier bisher in Deutschland eingesetzten COVID-19-Impfstoffe ein Risikosignal.”
Kategorisierung der Todesfälle wirft Fragen auf
Burkhardt behauptet in dem Video, bei fünf der 15 Personen habe die Impfung mit hoher Wahrscheinlich zum Tod geführt (Minute 18:25). Einen wahrscheinlichen Zusammenhang habe es in 7 Fällen gegeben, in zwei Fällen sei die Verbindung zum Impfstoff unklar und in einem Fall habe sich keine Verbindung feststellen lassen.
Die Einordnung der Fälle in diese verschiedenen Kategorien sah das Team des Obduktionsregisters bereits im September 2021 kritisch. Es sei nicht begründet worden, welche Fälle warum in welche der Kategorien eingeordnet worden seien. Es seien keine „Entscheidungskriterien“ für diese Zuordnungen genannt und „eine Kausalkette der Todesursache“ sei nicht hergestellt worden. Es werde also nicht belegt, dass eine Impfung gegen Covid-19 in den untersuchten Fällen wirklich zum Tod geführt habe.
Aussagen von Bhakdi und Burkhardt widersprechen sich
In seinem englischsprachigen Video gibt Sucharit Bhakdi an, 90 Prozent der untersuchten Personen seien an der Impfung gestorben. Burkhardt sagte jedoch, er würde in keinem der Einzelfälle behaupten, der Patient sei an der Impfung gestorben (Minute 37:39), er würde jedoch behaupten, die Impfung habe einen Beitrag zum Tod der Menschen geleistet.
Auch das von Report24 mit Bhakdi geführte Interview wirft Fragen auf. Demnach sei es in 16 von 17 Fällen nach der Impfung zu massive Schäden gekommen, die zum Tod führten. Im Video mit Burkhardt werden jedoch nur die 15 genannten Todesfälle in der Tabelle aufgeführt. Welche Fälle laut Bhakdi zu den 16 genannten zählen und woher die zwei dazugekommenen Fälle stammen, bleibt unklar.
Impfung als Todesursache ist laut Experten mit den Aufnahmen nicht zu belegen
Bei der Vorstellung der Ergebnisse der pathologischen Untersuchungen weisen Bhakdi und Burckhardt wiederholt auf eine angeblich hohe Ansammlung von Lymphozyten (weiße Blutkörperchen) in den untersuchten Gewebeproben hin. Bhakdi spricht von „Killer-Lymphozyten“, Burkhardt von „Lymphozyten-Amok“. Bereits im September 2021 teilte uns das Team des Deutschen Obduktionsregisters mit, eine Diagnose oder einen Prozess mit dem Namen „Lymphozyten-Amok“ gebe es nicht.
Weiter sagte uns das Team des Obduktionsregisters, die Bilder würden falsch interpretiert. Viele zeigten Ansammlungen von Lymphozyten, „wie sie in vielen Obduktionsfällen gefunden“ würden. Ähnlich äußerte sich Benjamin Ondruschka, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im September 2021 gegenüber der Welt mit Blick auf Aufnahmen des Herzens.
Burkhard behauptet außerdem, dass in den Aufnahmen „abgelöste Endothelzellen“ und verschiedene Entzündungsreaktionen zu sehen seien. Endothelzellen bilden als Zellschicht eine wichtige Barriere zwischen Blut und Gewebe und kontrollieren verschiedene Stoffwechselfunktionen.
Wir haben Konrad Steinestel zu den Aufnahmen der damals noch nicht aufgegriffenen Fälle befragt. Die Befunde zu den Endothelzellen seien bei einer Autopsie nicht ungewöhnlich, so der Experte. Zudem seien die ausgewählten Fälle nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.
Aufnahmen geben keine Hinweise auf metallische Stoffe
Eine weitere Behauptung Burkhardts lautet, durch die Impfstoffe seien verschiedene Stoffe in die Blutbahn gelangt, die er als metallisch und kristallisch beschreibt. Als angeblichen Beweis führt er Aufnahmen an (Minute: 42:09), die zeigen sollen, dass es sich um nicht-biologische Substanzen handele.
Die Aufnahmen werden laut Konrad Steinestel jedoch fehlinterpretiert. In der gezeigten Aufnahme einer Gewebeprobe aus der Lunge (Bild rechts) seien Cholesterinkristalle zu sehen. Diese könnten sich bei der Aufbereitung der Gewebeprobe für die anschließende Mikroskopierung lösen, sodass eine „Aussparung“ entstünde. Am Rand dieser Aussparung lagerten sich dann „feinkörnige Pigmente“ ab, die im Negativbild (Bild links) hervorstechen. So habe es den Anschein, es handle sich um metallische Stoffe.
Irreführender Vergleich von Covid-19 und der Grippe
Bhakdi behauptet in seinem Interview mit Report24 zudem, die Impfung sei nicht notwendig, da Covid-19 weniger gefährlich als die Grippe sei. Zu der Behauptung, Covid-19 sei nicht schlimmer als die Grippe (Influenza), haben wir bereits mehrfach Faktenchecks veröffentlicht (hier, hier und hier).
Bei SARS-CoV-2 und Influenzaviren handelt es sich um unterschiedliche Erreger, die beide Atemwegserkrankungen verursachen können, allerdings mit unterschiedlichen Symptomen und unterschiedlich schweren Krankheitsverläufen. Eine Studie von April 2021 deutet sogar darauf hin, dass Covid-19 nicht primär eine Atemwegserkrankung, sondern eine Gefäßerkrankung sein könnte.
Während eine Influenza oft auf die Lungen beschränkt ist, kann bei Covid-19 fast jedes Organ des Körpers erkranken. Im Oktober 2020 schrieb das Robert-Koch-Institut über die Unterschiede im Epidemiologischen Bulletin: „Eine höhere Letalität und lange Beatmungsdauer unterscheiden Covid-19 von schwer verlaufenden Atemwegsinfektionen in Grippewellen.“ Letalität bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, an einer Krankheit zu sterben.
Immunologe weist Bhakdis Behauptung, die Impfungen gegen Covid-19 seien unwirksam, zurück
Laut Bhakdi könne eine Impfung gegen Covid-19 gar nicht dafür sorgen, dass der Körper Coronaviren abwehrt. Der Grund dafür sei, dass die Impfung lediglich für Antikörper im Blut, nicht aber auf den Schleimhäuten sorge. Da das Virus aber über die Schleimhäute in den Körper eindringe und Antikörper niemals vom Blut in die Schleimhäute gelangten, sei die Impfung wirkungslos.
Dieser Behauptung widersprach der Immunologe Carsten Waltz gegenüber dem Faktenfinder: Bhakdi stelle die beiden Antikörpersysteme „fälschlicherweise als zwei komplett unabhängige Systeme dar“, so Watzl. Richtig sei, dass der Schutz der Impfungen vor einer Infektion nachlasse, die Impfung aber weiterhin vor schweren Verläufen von Covid-19 schütze. Darüber berichteten auch wir im November 2021.
Fazit: In dem Video stellen Bhakdi und Burkhardt unbelegte Behauptungen über den Zusammenhang zwischen Todesfällen und Covid-19-Impfungen auf, die durch Untersuchungen von Gewebeproben belegt werden sollen. Die von uns befragten Fachverbände und Experten bewerteten diese als nicht wissenschaftlich fundiert, so fehlten etwa Informationen zu den Vorerkrankungen der Untersuchten. Die Anzahl der Obduktionen sei zudem nicht repräsentativ. Äußerungen von Bhahdki zu der Wirksamkeit der Impfung sind irreführend, wie auch sein Vergleich zwischen Covid-19 und Grippe.
Redigatur: Matthias Bau, Tania Röttger
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Artikel der Max-Planck-Gesellschaft „Endothelzellen: Barriere zwischen Blut und Gewebe“: Link
- Artikel der Apotheken Umschau „Lymphozyten: B-Zellen, T-Zellen und NK-Zellen“: Link
- Statement der Deutschen Gesellschaft für Pathologie zur Pressekonferenz „Todesursache nach COVID-19-Impfung“: Link (archiviert)
- Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 23. Dezember 2021: Link