Kommunalwahlen in NRW zeigen, wie wichtig CDU-Diskussion um Frauenquote ist
Als Resultat der Kommunalwahl NRW steigt der Frauenanteil in den Lokalparlamenten. Grund dafür ist vor allem das starke Abschneiden der Grünen. Bei der CDU gibt es hingegen kaum Fortschritte
Die Bürgerinnen und Bürger der Kleinstadt Sassenberg im Münsterland werden im Lokalparlament künftig von 26 Männern und vier Frauen vertreten. Von Geschlechtergerechtigkeit ist das weit entfernt. Dabei ist der Frauenanteil im Stadtrat nach der Kommunalwahl NRW im September angestiegen. Von null auf vier.
Sassenberg war das traurige Schlusslicht in der Erhebung von CORRECTIV.Lokal vor den NRW-Kommunalwahlen, die mit den Stichwahlen an diesem Sonntag ihr Ende finden. Keine einzige Frau im Stadtrat, so krass fiel das Missverhältnis zwischen den Geschlechtern in keiner anderen Kommune aus. Sassenberg war besonders, aber auch symptomatisch: für den frappierenden Frauenmangel, der sich durch alle Landkreise in NRW zog.
Nach Kommunalwahl NRW steigt Frauenanteil in den Lokalparlamenten auf durchschnittlich 34,4 Prozent
Im Riesenbundesland mit seinen fast 18 Millionen Menschen war kein einziges Lokalparlament geschlechterparitätisch besetzt. Männerdominanz überall: mal stärker, mal schwächer ausgeprägt. Der durchschnittliche Anteil von Frauen unter allen Ratsmitgliedern der Kreise und kreisfreien Städte lag nach der Kommunalwahl NRW 2014 bei 30,1 Prozent. Mit der Wahl 2020 wird er nun um rund vier Prozentpunkte auf 34,4 Prozent steigen. Wie sich der Anstieg auf die einzelnen Regionen verteilt, haben wir in dieser Grafik dargestellt:
Sichtbar werden große regionale Unterschiede. Frauen stellen weiterhin in keinem einzigen Kreistag, keinem einzigen Rat einer kreisfreien Stadt die Hälfte oder gar die Mehrheit der Abgeordneten. In einigen Kommunen geht der Trend sogar nach unten. So ist der Frauenanteil in den großen Ruhrpottstädten Dortmund und Duisburg geschrumpft. Den höchsten Frauenanteil gibt es im Aachener Stadtrat, dort sind sind von 58 Sitzen 25 weiblich besetzt. Die Stadt ist eine Hochburg der Grünen und könnte an diesem Sonntag mit Sibylle Keupen per Stichwahl erstmals eine Oberbürgermeisterin bekommen – nach 256 männlichen Stadtoberhäuptern.
Schlusslicht CDU: Anteil von Frauen verharrt auf niedrigem Niveau
Schaut man sich die Entwicklung aufgeschlüsselt nach den im Bundestag vertretenen Parteien an, so fällt ins Auge: Der Frauenanteil unter den lokalen Mandatsträgern hat sich bei allen erhöht, aber ausgerechnet die CDU als stärkste politische Kraft bleibt das größte Hindernis auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Kommunalpolitik. In den Rats- und Kreistagsfraktionen der CDU steigt der Anteil der Frauen im Durchschnitt um vier Prozentpunkte. Er bleibt damit mit 26 Prozent deutlich hinter den anderen größeren NRW-Parteien, der SPD und den Grünen, zurück.
Die Gründe für den Frauenmangel sind vielschichtig, CORRECTIV.Lokal hat im Vorfeld der Kommunalwahl NRW mit Lokalpolitikerinnen über ihre Erfahrungen gesprochen. Dabei kamen immer wieder Klagen über die schwierige Vereinbarkeit von Familie und politischem Engagement, aber auch über Männernetzwerke und Sexismus zur Sprache.
Ministerpräsident Armin Laschet schweigt zum Frauenmangel auf den Kandidatenlisten der CDU
Ministerpräsident Armin Laschet hat das Thema Frauenrepräsentanz in der Kommunalpolitik in der Fernsehsendung Düsseldorfer Runde im WDR selbst und ungefragt angesprochen. „Es werden erneut nicht allzu viele Frauen in die kommunalen Spitzenämter kommen“, sagte der CDU-Politiker im bedauernden Tonfall und verwies auf zwei von seiner Partei unterstützte Landratskandidatinnen, die sich an diesem Sonntag der Stichwahl zu stellen haben.
Unerwähnt ließ er, dass seine Partei es wieder nicht geschafft hat, beim Aufstellen der Kandidatenlisten zu den Kommunalwahlen Frauen genügend zu berücksichtigen. Auf Anfrage von CORRECTIV.Lokal wollte sich die Düsseldorfer Staatskanzlei zu diesem Punkt nicht äußern.
Starke Zugewinne bei den Grünen nach der Kommunalwahl NRW sorgen für höheren Frauenanteil
Die Erhöhung des Frauenanteils in den Lokalparlamenten resultiert in erster Linie aus den starken Zugewinnen der Grünen, die sich in ihrem Frauenstatut dazu verpflichten, Wahllisten geschlechterparitätisch zu besetzen. Dass nach der Kommunalwahl NRW auch in den lokalen Fraktionen von CDU und FDP künftig etwas mehr Frauen sitzen werden, bewertet Dr. Elke Wiechmann, Lehrstuhlinhaberin für Politik und Verwaltung an der Fernuniversität Hagen, zurückhaltend.
„Das ist eine Momentaufnahme“, sagt die Politikwissenschaftlerin, die unter anderem zu Gender- und Gleichstellungsfragen forscht. Der Frauenanteil schwanke bei den Parteien ohne feste Quotenregelungen seit langer Zeit hin und her, ohne dass es einen nachhaltigen Trend in Richtung steigender Frauenrepräsentanz gäbe. Wiechmann erinnert an die vergangene Bundestagswahl, bei der der Frauenanteil unter den Abgeordneten von zuvor über 36 auf 31 Prozent absackte, einem Wert wie vor 20 Jahren. „Das hing nicht nur mit dem Einzug der AfD zusammen.“
Es gibt zu wenige Bürgermeisterinnen, Landrätinnen und weibliche Fraktionsvorsitzende als weibliche Rollenvorbilder
Für eine Eigendynamik, bei der weibliche Rollenvorbilder dazu führten, dass sich nach und nach mehr Frauen um politische Ämter bewerben, bräuchte es mehr Politikerinnen auf sichtbaren Positionen: an der Spitze von Fraktionen, als Landrätinnen und Bürgermeisterinnen. „Bei den Grünen gelangen Frauen eher in Führungspositionen“, sagt Wiechmann. Bei CDU und SPD sehe es anders aus. Als Bürgermeisterkandidaten suchen sich diese Parteien traditionell gerne Menschen mit Verwaltungserfahrung. „Aber in den Verwaltungen ist es noch immer oft so, dass die Sekretärinnen weiblich sind und die Leitungsposten von Männern bekleidet werden.“
Das sehr spezielle Kommunalwahlsystem in NRW macht es Wählerinnen und Wählern zudem schwer, durch Stimmabgaben bewusst den Frauenanteil in den Parlamenten zu erhöhen. Es gibt nur eine Stimme, mit der gleichzeitig ein Kandidat oder eine Kandidatin sowie die Liste der hinter dieser Person stehenden Partei gewählt wird.
Expertin sagt, die Menschen hätten sich längst daran gewöhnt, dass Frauen ebenso eloquente Politik machen wie Männer
Andere Wahlsysteme, bei denen Wählerinnen und Wähler sich gezielt einzelne Bewerber oder Bewerberinnen herauspicken können, ermöglichen größere Partizipation. Die Befürchtung, dass das im Ergebnis auch dazu führen könnte, dass Frauen seltener gewählt werden, hält Wiechmann für unbegründet. „Unsere Untersuchungen sprechen klar dagegen. Die Menschen haben sich längst daran gewöhnt, dass Frauen genauso eloquente Politik machen können wie Männer.“ Oder ebenso schlechte.
Das Argument, Parteien wie der CDU oder der FDP sei es aufgrund zu weniger weiblicher Mitglieder nicht möglich, ausreichend geeignete Kandidatinnen zu finden, überzeugt die Expertin nicht. Darauf zu warten, dass mehr Frauen in die Partei eintreten, sei angesichts insgesamt sinkender Mitgliederzahlen nicht realistisch. Viel erfolgsversprechender, insbesondere auf lokaler Ebene: den Blick weiten, auch Menschen ohne Parteibuch ansprechen.
Mitarbeit
Jonathan Sachse (Leitung), Bianca Hoffmann (Projektkoordination), Max Donheiser (Datenrecherche & Visualisierung), André Ricci (Text und Recherche), Michel Penke (Redigatur & Visualisierung)