Auskunftsrechte

So intransparent sind die Bundesministerien bei Nebenverdiensten

Wie viele leitende Beamte ließen sich von Verbänden und anderen externen Auftraggebern bezahlen, wo genau und wie gut? Auf CORRECTIV-Anfrage gab kein einziges Ressort vollständige Antworten. Zwei antworteten überhaupt nicht – obwohl Auskünfte gesetzlich vorgeschrieben sind.

von Anette Dowideit

Foto: Jens Krick / picture alliance
Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne): wenig Transparenz zu externen Aufträgen leitender Beamter. Foto: Jens Krick / picture alliance

Im vergangenen Dezember legte eine TV-Doku im ZDF offen: Eine Referatsleiterin im Bundesfinanzministerium ließ sich dafür bezahlen, Superreiche mit Tipps zur Steuervermeidung zu beraten – sie referierte dazu bei einer Veranstaltung einer Wirtschaftskanzlei. Kürzlich wurde die Beamtin deshalb innerhalb des Ministeriums versetzt.

CORRECTIV nahm den Fall zum Anlass, per Fragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz bei allen Bundesministerien anzufragen: Welche Nebentätigkeiten wie Vorträge oder Workshops ließen sich ihre leitenden Beamten – ab Ebene der Referatsleitung – in den vergangenen drei Jahren bezahlen, bei welchen externen Auftraggebern und wie hoch waren die Honorare?

Die Ministerien gaben sich zugeknöpft. Kein einziges Ressort beantwortete die Fragen vollständig. Nur eines von ihnen teilte zumindest mit, bei welchen konkreten Auftraggebern ihre leitenden Mitarbeiter Vorträge, Seminare oder Ähnliches hielten: das Ressort für Verkehr und Digitales. Dessen leitende Beamte ließen sich demnach unter anderem vom ADAC und von der Deutschen Gesellschaft für Transportrecht bezahlen. Wieviel Geld sie dafür erhielten, verriet das Ministerium aber nicht.

Zwei der Ressorts reagierten trotz gesetzlicher Vorgaben überhaupt nicht auf die Fragen der Redaktion oder kündigten nach Ablauf der Frist Mitte Januar an, mehr Zeit für die Beantwortung der Fragen zu brauchen: die Ministerien für Verteidigung und Gesundheit.

Finanzministerium trotz vorliegender Zahlen nicht auskunftswillig

Auch bei den Ministerien, die antworteten, waren die Antworten kaum aufschlussreich. Das gilt vor allem für das zuvor in die Schlagzeilen geratene Finanzministerium. Es teilte mit: „Eine umfangreiche inhaltliche Aufbereitung etwaiger vorhandener amtlicher Informationen gemäß Ihres Antragsbegehrens ist nach dem IFG nicht geschuldet.“ Auch eine Gesamtsumme der erhaltenen Honorare liefert das Ministerium nicht.

Das erscheint erstaunlich, weil dem Haus von Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine allgemeine Zahl vorliegt und sie kürzlich sogar veröffentlicht wurde: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer hatte im vergangenen Dezember vom Finanzministerium die Auskunft bekommen, dass dessen Beamte seit der Bundestagswahl rund 700.000 Euro nebenher verdienten.

Allerdings bezog sich diese Zahl auf alle Beamte des Hauses und nicht nur auf jene in leitenden Positionen. Demnach wurden allein im Jahr 2023 im BMF fast 200 Nebentätigkeiten genehmigt. Hauer hatte auch die anderen Bundesministerien zu diesem Thema angefragt. Den Antworten zufolge nahmen die dort beschäftigten Beamte seit Beginn der Ampel-Regierung mehr als zwei Millionen Euro mit Nebentätigkeiten ein. Darüber berichtete im Januar der Stern. Im Unterschied zur aktuellen CORRECTIV-Recherche ging es bei Hauers Anfragen um alle Beamten, nicht nur um die leitenden – und es ging nicht darum, wer sie für ihre Nebentätigkeiten bezahlte.

Der CDU-Politiker Hauer sagte CORRECTIV angesichts der lückenhaften Antworten, die Ampelkoalition setze beim Thema Nebentätigkeiten auf „maximale Intransparenz“. „Sie lässt die Öffentlichkeit darüber im Dunkeln, in welchem Umfang Ministeriumsmitarbeiter durch Nebentätigkeiten Einkünfte erzielen und wer deren Auftraggeber sind. Um das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Beamtinnen und Beamten nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen, wäre jedoch maximale Transparenz nötig“, so Hauer. 

Zumindest allgemeine Auskunft über die Nebentätigkeiten ihrer leitenden Beamten gaben die Ministerien für Inneres, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Justiz, Ernährung und Landwirtschaft, Wirtschaft und Klimaschutz, Wohnen und Bauen, Bildung und Forschung, Umwelt und Naturschutz, Verkehr und Digitales, Familie, Arbeit und Soziales und das Auswärtige Amt. 

Ihren Antworten zufolge haben in den vergangenen drei Jahren leitende Beamte 82 bezahlte Nebentätigkeiten ausgeübt: Darunter waren demnach Einsätze als „Seminarleitung zu juristischen Themenbereichen” leitender Beamte des Justizministeriums und „Beratertätigkeiten“ für externe Auftraggeber durch Führungspersonal des Landwirtschaftsministeriums.

Auffällig ist, dass die mit Abstand meisten dieser externen Aufträge das Wirtschaftsministerium angab, und zwar 42. Die meisten anderen Ressorts, die Auskunft gaben, teilten mit, es seien jeweils weniger als zehn solcher Aufträge genehmigt worden. Im Auswärtigen Amt hieß es, es seien „acht Genehmigungen zur Ausübung einer Nebentätigkeit erteilt“ worden, allerdings handele es sich nicht um externe honorierte Aufträge, sondern Nebentätigkeiten nach Bundesbeamtengesetz – die aber auch „entgeltliche Nebentätigkeiten“ seien.

Das Wirtschaftsministerium wies darauf hin, zu großen Teil übten ihre leitenden Beamten die externen Aufträge gar nicht freiwillig aus, sondern auf Verlangen – etwa, weil es um Aufsichtsratsmandate bei Unternehmen gehe, an denen der Bund beteiligt ist. Zudem: Überstiegen die Honorare die Grenze von 4.900 beziehungsweise 6.100 Euro pro Jahr (je nach Besoldungsgruppe), müsse der Rest beim Ministerium abgeliefert werden.

Besonders zugeknöpft geben sich Ministerien bei Honorarsummen

Über die Höhe einzelner Honorare und auch deren Summen schwieg sich das Wirtschaftsministerium jedoch aus. Den Angaben der anderen Ressorts zufolge sollen die wenigen dort angemeldeten Nebentätigkeiten sich auf insgesamt gerade mal gut 60.000 Euro belaufen haben. 

Die Zahl ist jedoch kaum aussagekräftig, da die Ministerien so lückenhaft antworteten. Das Ministerium für Verkehr und Digitales etwa teilte nur die Zahl der angemeldeten Nebentätigkeiten mit (acht), schrieb aber, die Höhe der dafür erhaltenen Honorare sei ihm nicht bekannt. Die meisten Ministerien antworteten ähnlich lückenhaft.CDU-Politiker Hauer findet besonders problematisch, dass die Regierung gerade bei Beschäftigten in leitenden Funktionen offenbar nicht jede Nebentätigkeit systematisch erfasst. „Es muss jederzeit sichergestellt sein, dass sämtliche Nebentätigkeiten korrekt   angezeigt und systematisch dokumentiert werden. Hierzu besteht in der Bundesregierung großer Nachholbedarf.“