Pflege

Reaktionen auf die Pflege: Und was nun?

Gegenwind von Heimbetreibern und Politik, viele Reaktionen von Betroffenen und ein Pflegegipfel in Rheinland-Pfalz. Eine Woche nach dem Auftakt unserer Pflege-Berichterstattung kommt Bewegung in das Thema. Und Ihr könnt weiter mitdiskutieren.

von Daniel Drepper

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Pflegeheime sollen sich stärker öffnen und transparenter werden. Pflegekräfte sollen weniger dokumentieren und wieder mehr pflegen. Und der neue Pflege-TÜV zur Bewertung von Pflegeheimen soll endlich wirklich gut werden. Das sind die Ergebnisse eines Pflegegipfels, zu dem sich gestern die wichtigsten Pflege-Politiker und -Funktionäre aus Rheinland-Pfalz getroffen haben.

Schon vergangene Woche Freitag, am Tag unserer Veröffentlichung, hatte Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler einen Pflegegipfel angekündigt. Gleichzeitig hatte die CDU angekündigt, die von uns aufgezeigten Mängel in einem Ausschuss des Landtages zum Thema zu machen. Zu einem Pflegegipfel trafen sich gestern nun neben der Politik auch die Pflegegesellschaft, die Pflegekammer, die AOK, die Ersatzkassen, die privaten Krankenversicherungen, die Prüfbehörde MDK, die Gewerkschaft verdi und die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Weniger Bürokratie, mehr Transparenz?

Die Beteiligten weisen zurück, dass die Pflegeheime in Rheinland-Pfalz schlechte Arbeit leisten würden. Unsere Methodik sei nicht belastbar. Trotzdem wollen sie die Pflege transparenter machen, indem Pflegeheime sich stärker nach außen öffnen. Pflegekräfte sollen mehr Zeit für die Pflege bekommen, indem alle Heime in Rheinland-Pfalz an einem Programm zum Abbau der Bürokratie in der Pflege teilnehmen. Außerdem will das Bundesland sich aktiv in die nationale Diskussion um den neuen Pflege-TÜV einschalten, der endlich eine sinnvolle, transparente Bewertung von Heimen möglich machen soll.

In der Pressemitteilung des Sozialministeriums wird nicht erwähnt, ob die Pflegeheime in Rheinland-Pfalz in Zukunft mit mehr Personal ausgestattet werden sollen – eine der zentralen Maßnahmen, um bessere Pflege anbieten zu können. Oder ob die Heimaufsichtsberichte der Heime in Rheinland-Pfalz in Zukunft öffentlich gemacht werden, um den Bewohnern und Angehörigen alle bereits jetzt in den Behörden verfügbaren Informationen zur Verfügung zu stellen.

Kritik der Kritik

Auch die privaten Heimbetreiber sind wenig überraschend überhaupt nicht glücklich mit unserer Auswertung. Einziges Ziel unserer „Recherche“ (Anführungszeichen im Original) sei es, einen ganzen Berufsstand an den Pranger zu stellen, schreibt der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, der größte Vertreter privater Heimbetreiber. Präsident Bernd Meurer nennt unsere Recherche „eine würdelose Behandlung durch eine auf Skandalisierung sowie Quote und Auflage abzielende Berichterstattung“.  Meurer schreibt weiter: „Wenn jetzt ‚Hinz und Kunz‘ ohne fachliche Eignung beginnen, eigene Kriterien für die Bewertung von Pflegeheimen festzulegen und damit unsachliche Zerrbilder in der Öffentlichkeit zu zeichnen, ist das kein Gewinn für unsere Gesellschaft.“

Auch der VDAB, ein weiterer Verband privater Heimbetreiber, kritisiert unseren Pflegewegweiser. Gleichzeitig sagt Bundesgeschäftsführer Thomas Knieling, dass seit fünf Jahren klar sei, dass der Pflege-TÜV gescheitert ist. Pflegekassen und Sozialhilfeträger hätten dies aber seit Jahren ignoriert. 

Unsere Methodik – transparent

Die Methodik unserer Bewertung haben wir von Beginn an offen gelegt. Diese beruht nicht nur auf den von Heimbetreibern, Pflegekassen und Sozialhilfeträgern selbst mit festgelegten Prüfkriterien. Wir nutzen für unsere Auswertung auch einen offiziellen Evaluationsbericht der Pflegeselbstverwaltung von 2010. Seitdem haben sich die Kriterien trotz der anhaltenden Kritik nicht geändert. 

Ein neuer Pflege-TÜV soll frühestens 2018 etabliert werden. Wir haben deshalb alle verfügbaren Daten genommen und in einer Auswertung die Hinweise auf mögliche Mängel hervorgehoben. Damit geben wir Bewohnern und Angehörigen die Möglichkeit, bei den einzelnen Heimen gezielte Fragen zu stellen und sich umfassend zu informieren. Zudem helfen wir dabei, sich die Heimaufsichtsberichte zu den einzelnen Heimen zu besorgen und verlinken einen Ratgeber mit den wichtigsten Fragen sowie zahlreiche Kontaktadressen – wir stellen also all das zusammen, was verfügbar ist.

Behörden halten Informationen zurück

Bereits jetzt sind viele Informationen in den Behörden bekannt, die bei der Wahl eines Heimes helfen könnten. Die Zahl der Pflegekräfte zum Beispiel oder deren Ausbildung wird detailliert erfasst. Dazu gibt es ausführliche Prüfberichte der Heimaufsichten. Wir haben Behörden deutschlandweit um diese detaillierten Informationen gebeten. Bislang sind diese in den meisten Fällen jedoch nicht öffentlich.

Angehörigenvertreter sehen unsere Recherchen als Bestätigung ihrer Arbeit. Oft würden Missstände in der Pflege als Einzelfälle abgetan, es sei nun endlich an der Zeit zu handeln. Ähnlich äußerte sich zum Beispiel auch die Kaufmännische Krankenkasse KKH. Vor dem Hintergrund unserer Recherchen spotte es jeder Beschreibung, „dass laut Pflege-TÜV der bundesweite Notendurchschnitt aller Pflegeheime bei 1,2 liegt“, sagt Ingo Kailuweit, Vorstandschef der KKH. Kailuweit nennt es ein Armutszeugnis, dass ein Benotungssystem mit einer solch falschen Aussagekraft seit sieben Jahren unverändert besteht. „Im Sinne der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sollte diese Augenwischerei endlich beendet werden.“ 

Auch von vielen Bürgern haben wir in den vergangenen Tagen Rückmeldungen bekommen. Diese arbeiten wir weiter auf. Am Mittwochabend haben wir in einem Facebook Livestream erste Fragen beantwortet, das Video gibt es weiterhin als Re-Live auf unserer Seite. In den kommenden Wochen werden wir auf correctiv.org/pflege weiter zur Pflege in Deutschland veröffentlichen. Wer mit uns und schon knapp 300 weiteren Menschen diskutieren will, kann dies in unserer extra eingerichteten Facebook-Gruppe „Pflege in Deutschland“ tun.