Lausitz: Kohlekonzern verschleppt Wasserschutz-Projekt
Eigentlich sollte der Kohlekonzern Leag die Dichtwand Welzow-Süd bis 2022 fertig gebaut haben: Sie soll verhindern, dass in der Tagebau-Region noch mehr Grundwasser verloren geht. Nun wird die vollständige Wand erst für 2030 versprochen. Der BUND warnt vor enormem Verlust von Wasser.
Obwohl die Maschinen der Baustelle wie übliche Kräne aussehen, ist nicht zu ahnen, woran gearbeitet wird. Denn in einem kleinen Wäldchen in der Nähe der Stadt Welzow entsteht eine Mauer, die nicht in die Höhe ragt, sondern in den Boden hinunter. Spaziert man durch das Unterholz in Richtung der gelb-schwarzen Maschinen, vorbei an einem idyllischen Reiterhof, ist kaum mehr als ein dunkles Brummen zu hören. Dann öffnet sich der Wald und eine kilometerlange Schneise wird sichtbar.
Gebaut wird hier laut Kohlekonzern Leag an der „weltweit größten Dichtwand“. Die unterirdische Wand soll abwenden, dass die Region um die Kohlegrube Welzow-Süd weiter austrocknet. Denn ohne die Wand strömt Grundwasser aus der Umgebung ungehindert in die Kohlegrube. Das Wasser in der ohnehin trockenen Region fließt ab, anstatt in der Landschaft zu bleiben. Die Wand soll genau das verhindern.
Nur: Der Kohlekonzern Leag stellte die Wand nicht wie vorgesehen bis 2022 fertig. Bisher stehen 70 Prozent. Der Weiterbau stockt seit Jahren. Bisher ohne Konsequenzen für die Leag.
BUND Brandenburg fordert sofortigen Weiterbau der Dichtwand Welzow-Süd
Im vergangenen Jahr hatte CORRECTIV den Einfluss des Kohlekonzerns Leag in der Lausitz publik gemacht: Städte und Wasserversorger verpflichten sich teilweise bei Schweigedeals dazu, nicht über die negativen Folgen des Bergbaus zu berichten. Und die Kontrollbehörden versagen.
Der BUND Brandenburg sieht beim verzögerten Dichtwand-Bau ein ähnliches Scheitern: Die Behörden lassen die Leag trotz folgenschwerer Versäumnisse nahezu ungebremst gewähren.
Am Dienstag veröffentlicht die Umweltschutzorganisation ein Hintergrundpapier zu der Dichtwand Welzow-Süd. Darin berechnet sie, dass der Lausitzer Seenkette seit 2018 bis zu 130,5 Millionen Kubikmeter Wasser verloren gegangen sei. Und kritisiert, dass die Kontrollbehörde der Leag, das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR), den Stillstand der Bauarbeiten für die Dichtwand duldet.
Denn von den ursprünglich bis 2022 geplanten zehn Kilometern Dichtwand sind erst etwa 70 Prozent geschafft. Axel Kruschat, Geschäftsführer des BUND Brandenburg, malt mit einem Zweig die Umrisse der Kohlegrube und Seen in den Waldboden. Seit der ersten Genehmigung für die Dichtwand 2008 beschäftigt er sich mit deren Bau. Damals stand im Genehmigungsantrag wörtlich, dass die Dichtwand nicht vermeidbar sei: Nur mit einer Dichtwand können die Wasserspiegel der benachbarten Seenkette gehalten werden. Kruschat zeigt auf einen der Seen: „Der Sedlitzer See ist ohne den Rest der Dichtwand komplett ungeschützt“, sagt er.
Dass die Leag die Dichtwand nun erst bis 2030 fertig bauen soll, hält Kruschat für inakzeptabel. „Den Ländern Brandenburg und Sachsen ist ein erheblicher Schaden entstanden, den die Leag und das LBGR zu verantworten haben.“ Die unterbrochenen Arbeiten an der Dichtwand müssten umgehend wieder aufgenommen werden und die Leag müsse für den entstandenen Schaden aufkommen.
Großteil der Dichtwand laut Ministerium fertig und wirksam
Das Amt, das die Leag zum Bau der Dichtwand verpflichtete, ist das Landesbergamt LBGR. Auf Anfrage verweist es auf das Brandenburger Wirtschaftsministerium: Die Kommunikation werde dort gebündelt. Das Ministerium schätzt die Verzögerung als unproblematisch ein, schreibt es CORRECTIV: „Die Verschiebung des Fertigstellungstermins der Dichtwand Welzow auf das Jahr 2030 hat keine negativen Konsequenzen für die betroffenen Gewässer, die Wasserspiegelhöhen oder das Grundwasser.“ Das liege daran, dass der Großteil der Dichtwand bereits hergestellt und effektiv wirksam sei.
Auch die Leag schreibt CORRECTIV auf Anfrage, dass die „Bauarbeiten an der Dichtwand aktiv und kontinuierlich voranschreiten“. Seitdem der erste Bauabschnitt 2018 erreicht worden sei, werde „das Lausitzer Seenland sicher vor einem Wasserentzug durch den Tagebau Welzow-Süd geschützt“ und die Wasserentnahme auf ein Mindestmaß reduziert. Außerdem schicke die Leag Daten zum Grundwasser regelmäßig ans LBGR sowie an die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV).
Die LMBV ist für die Rekultivierung ehemaliger DDR-Tagebaue zuständig und füllt die Kohlegruben mit Wasser. So auch bei dem Lausitzer Seenland. Da laut BUND ein Teil der Seen über das Grundwasser in Richtung des Leag-Tagebaus abfließt, müsse die LMBV umso mehr Wasser nachfüllen. Das sei eine potentielle Verschwendung von Steuergeldern, denn die LMBV wird wiederum mit Geldern der Bürgerinnen und Bürgern bezahlt. Auf Anfrage schreibt die LMBV, dass ihre Modelle keine Auswertungen des „Grundwasser-Abstrom in Richtung des Tagebaus Welzow-Süd“ zeigen würden. Durch den verzögerten Dichtwand-Bau hätten sich aber bislang auch „keine relevanten negativen Auswirkungen ergeben“.
Lausitzer Seen erreichen bis heute nicht versprochenen Wasserstand
Tatsächlich sind die Seen in der Nähe des Tagebaus nicht wie versprochen seit neun Jahren voll. Dies räumt das Brandenburger Wirtschaftsministerium zu der Frage nach den Folgen des Baustopps ein. „Die Endwasserstände in den Seen wurden nicht wie geplant im Zeitraum von 2008 bis 2010 bzw. 2015 erreicht. Diese sind auch derzeit noch nicht erreicht“, schreibt es auf Anfrage. Wie hoch die zusätzlichen Kosten der verzögerten Dichtwand sind, kann das Wirtschaftsministerium nicht benennen.
Außerdem komme laut Ministerium der Tagebau Welzow-Süd 2 nicht, der ursprünglich von der Leag neben dem Tagebau Welzow-Süd geplant war. Das habe sich schon seit Jahren abgezeichnet. Unter diesem Aspekt sei ein beschleunigter Bau nicht mehr zwingend erforderlich. Eine fragwürdige Behauptung: Welzow 2 spielte beim ursprünglichen Antrag 2008 keine Rolle.
Für Kruschat ist das kein Zufall. Der Kohlekonzern konnte in der Region über Jahrzehnte machen, was er wollte – und die Behörden drücken beide Augen zu. „Die Leag kann sich darauf verlassen, dass Behörden stets das als hydrologisch und geologisch beste Option erachten, was auch die wirtschaftlich beste für den Bergbaukonzern ist“, sagt Kruschat.
Er wolle, dass endlich jemand für die Folgen des Bergbaus zur Verantwortung gezogen werde.
Tatsächlich könnten die Behörden darauf pochen, dass die Leag sich an Absprachen hält. Stattdessen gab das LBGR schon im Dezember 2022 die wasserrechtliche Erlaubnis für den Weiterbetrieb des Tagebaus Welzow bis 2035. Es scheint, als könne die Leag sich auf Nachsicht der Behörde verlassen.
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