Faktencheck

Meme mit Söder und Merkel: Irreführende Behauptungen über die Corona-Pandemie

Ein Meme suggeriert, Markus Söder und Angela Merkel hätten den Menschen eine „Pandemie ohne Übersterblichkeit verkauft“, „sinnlose Tests aufgezwungen“ und „die Grippe umetikettiert“. Doch an diesen Behauptungen ist nichts dran.

von Sarah Thust

Meme von Markus Söder und Angela Merkel
Ein Meme suggeriert, dass Alltagsmasken „sinnfrei“ wären. Zu sehen sind darauf Kanzlerin Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. (Quelle: Facebook / Collage vom 20. Januar 2021: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Ein Meme suggeriert, dass alle Masken vor der FFP2-Maskenpflicht „sinnfrei“ waren. Zudem habe es keine Übersterblichkeit gegeben, Leuten seien „sinnlose Tests“ aufgezwungen, und die Grippe sei „umetikettiert“ worden.
Bewertung
Größtenteils falsch
Über diese Bewertung
Größtenteils falsch. Die Behauptungen sind irreführend. Es gibt Belege für eine Übersterblichkeit im Jahr 2020, die Grippe wurde nicht „umetikettiert“ und Alltagsmasken sind nach Ansicht des RKIs auch nicht „sinnlos“.

Ein Meme zeigt einen offensichtlich erfundenen Dialog zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich über die FFP2-Maskenpflicht unterhalten. Über Telegram und Facebook wird es tausendfach verbreitet (hier, hier oder hier). 

Auf dem Bild spricht Angela Merkel Markus Söder auf die „Einführung der FFP2-Pflicht“ an, die implizit bedeute, „dass alle Masken vorher sinnfrei waren“. Söder antwortet: „Mädel, wir habe den Idioten eine Pandemie ohne Übersterblichkeit verkauft. Sinnlose Tests aufgezwungen. Die Grippe umetikettiert! Wir fahren die Wirtschaft mit Anlauf an die Wand ohne Grund. Foltern ohne Widerspruch Ihre Kinder mit Masken und Distanz. Glaubst du wirklich, die merken noch ir-gend-was?“

Im Meme werden somit vier konkrete Behauptungen aufgestellt – diese sind nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck irreführend oder falsch. Wir haben alle davon bereits in Faktenchecks überprüft und das Ergebnis hier nochmal zusammengefasst: 

Behauptung 1: Die Einführung der FFP2-Pflicht bedeute, dass alle Masken vorher „sinnfrei“ gewesen seien

Das Meme von Angela Merkel und Markus Söder bezieht sich auf einen Beschluss einer FFP2-Maskenpflicht in Bayern. Daraus lässt sich aber nicht schlussfolgern, dass alle Masken vorher, also Alltagsmasken, „sinnfrei“ gewesen seien. Deutschlandweit gilt durch einen Beschluss vom 19. Januar ebenfalls eine Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske in Geschäften oder im Öffentlichen Personennahverkehr (PDF, Seite 3). 

Während Mund-Nase-Bedeckungen (MNB) hauptsächlich Schutz vor Tröpfchen bieten, schützen FFP2-Masken zusätzlich vor Aerosolen, also feinsten Luftpartikeln. Darüber haben wir bereits ausführlich in diesem Text berichtet.

Übersicht zu Maskentypen und Schutzvisieren mit Angaben zur Schutzwirkung
Übersicht zu Maskentypen und Schutzvisieren mit Angaben zur Schutzwirkung (Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte)

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schreibt, dass Mund-Nase-Bedeckungen „in der Regel weniger Schutz“ bieten würden als medizinische Masken oder FFP2-Masken. „Das bedeutet aber nicht, dass sie keine Schutzwirkung haben“, schreibt das BfArM weiter. Im selben Text wird betont, dass MNB-Träger „einen Beitrag zur Reduzierung der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2 leisten“. Eine richtig getragene MNB könne „die Gefährdung durch erregerhaltige Tröpfchen deutlich mindern“, schreibt das BfArM. Über die Schutzwirkung von Mund-Nasen-Bedeckungen hatten wir ebenfalls bereits in einem Faktencheck geschrieben.

Bewertung: Die Einführung der FFP2-Maskenpflicht bedeutet nicht, dass alle Masken vorher sinnfrei gewesen seien. Auch MNB-Träger leisten laut BfArM „einen Beitrag zur Reduzierung der weiteren Ausbreitung von SARS-CoV-2“.

Behauptung 2: Covid-19 sei eine Pandemie ohne Übersterblichkeit

Ob die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr insgesamt zu einer Übersterblichkeit geführt hat, steht noch nicht abschließend fest, wie wir bereits in diesem Faktencheck erklärt haben. Das Statistische Bundesamt hat jedoch für verschiedene Zeiträume im Jahr 2020 Übersterblichkeit festgestellt, unter anderem von Oktober bis Jahresende.

Die Sterbefallzahlen schwanken laut Statistischem Bundesamt über das Jahr saisonbedingt stark. Eine Über- oder Untersterblichkeit wird deshalb in einem bestimmten Zeitraum gemessen und mit einem Durchschnittswert der Vorjahre verglichen. Das europäische Portal Euromomo und auch das Statistische Bundesamt machen den Vergleich auf Wochenbasis. Das heißt, sie vergleichen eine Kalenderwoche 2020 mit dem Durchschnitt derselben Kalenderwoche aus den Vorjahren.

Bei diesem Vergleich der wöchentlichen Sterbefallzahlen 2020 mit dem Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019 errechnete das Statistische Bundesamt mehrfach eine Übersterblichkeit. Vor allem seit der 42. Kalenderwoche (Mitte Oktober) stiegen die Zahlen an. In der zweiten Dezemberwoche lag die Zahl der Todesfälle 23 Prozent oder 4.289 Fälle über dem Durchschnitt der Vorjahre, hieß es in einer Pressemitteilung (Stand: 8. Januar 2021).

Die durchschnittlichen wöchentlichen Sterbefallzahlen 2016 bis 2019 (blaue Linie) im Vergleich mit den wöchentlichen Sterbefallzahlen 2020 (rote Linie). Unten in der Grafik sind die Sterbefallzahlen im Zusammenhang mit Covid-19 im Jahr 2020 zu sehen. (Quelle: Statistisches Bundesamt / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Die durchschnittlichen wöchentlichen Sterbefallzahlen 2016 bis 2019 (blaue Linie) im Vergleich mit den wöchentlichen Sterbefallzahlen 2020 (rote Linie). Unten in der Grafik sind die Sterbefallzahlen im Zusammenhang mit Covid-19 im Jahr 2020 zu sehen. (Quelle: Statistisches Bundesamt / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Bewertung: Für die Behauptung, es sei eine Pandemie „ohne Übersterblichkeit“, gibt es keine Belege. Eine endgültige Auswertung der Sterbefallzahlen im Jahr 2020 gibt es noch nicht. Es gibt aber Hinweise auf eine Übersterblichkeit, vor allem im letzten Quartal des Jahres. 

Behauptung 3: Corona-Tests seien „sinnlos“

Es gibt laut Robert-Koch-Institut verschiedene Testmethoden für SARS-CoV-2. Als „Goldstandard“ gelte der PCR-Test, bei dem genetisches Material des Virus im Labor nachgewiesen wird (direkter Erregernachweis). 

Es gibt aber nicht nur einen einzigen PCR-Test, sondern verschiedene Hersteller. Sie verwenden zum Nachweis von SARS-CoV-2 verschiedene Gen-Sequenzen. In der Praxis testen viele Labore in Deutschland nicht nur auf ein Zielgen, sondern auf mindestens zwei. Man spricht vom „Dual-Target“-System. Das reduziert die Möglichkeit für falsch-positive Ergebnisse drastisch. Falsch-positiv bedeutet: Ein Corona-Test zeigt für eine Person, die eigentlich nicht infiziert ist, ein positives Ergebnis. 

Zwei weitere Methoden sind Antigen-Tests und Antikörpernachweise (indirekter Erregernachweis). Beide sind laut RKI aber nicht so genau wie PCR-Tests und daher nicht so zuverlässig. Ein positives Ergebnis bei Antigen-Tests bedarf zur Vermeidung falsch-positiver Befunde einer Nachtestung mittels PCR, schreibt das RKI. Antikörpernachweise weisen hingegen lediglich nach, ob jemand Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet hat.

Unsere Recherchen ergaben außerdem: PCR-Tests weisen zwar nicht nach, ob jemand ansteckend ist, doch sie zeigen, ob eine Infektion vorliegt. 

Bewertung: Dass es sich um „sinnlose Tests“ handele, stimmt nicht. Die Testergebnisse sind in der Praxis sehr genau und zeigen, ob eine Infektion vorliegt. 

Behauptung 4: Das Coronavirus sei eigentlich eine Grippe

Während eine Influenza (Grippe) oft auf die Lungen beschränkt ist, kann bei Covid-19 fast jedes Organ des Körpers erkranken, zeigt eine im Dezember veröffentlichte vergleichende Kohortenstudie im britischen Ärzteblatt. Die Details der Studie hat das Ärzteblatt in einem Bericht zusammengefasst.

Wir haben zu den Unterschieden zwischen Covid-19 und Influenza für mehrere Faktenchecks recherchiert.

Bereits am 8. Oktober hat sich das RKI über die Unterschiede im Epidemiologischen Bulletin geäußert: „Eine höhere Letalität und lange Beatmungsdauer unterscheiden Covid-19 von schwer verlaufenden Atemwegsinfektionen in Grippewellen“. Letalität nennt man die Wahrscheinlichkeit, an einer Krankheit zu sterben.

Weiter schrieb das RKI: „Aufgrund des höheren Anteils beatmungspflichtiger Patienten und der beobachteten langen Beatmungsdauer muss man sich auf eine höhere Zahl von Beatmungsplätzen einstellen, als dies bei der gleichen Anzahl schwerer Erkrankungen während einer Grippewelle vergangener Saisons erforderlich war.“

Bewertung: Nein, das Coronavirus ist keine „Grippe“. Bei Covid-19 und Influenza handelt es sich um unterschiedliche Viren, die unterschiedliche Symptome mit oft unterschiedlich schweren Verläufe verursachen.

Fazit

Die Vergleiche und Behauptungen sind irreführend: Dass Bayern die FFP2-Maskenpflicht eingeführt hat, ist kein Beleg dafür, dass die bisherige Maskenpflicht in Deutschland „sinnfrei“ war. Ob die Pandemie zu einer Übersterblichkeit geführt hat, ist noch unklar, da die Auswertung des Statistischen Bundesamtes für die letzte Kalenderwoche noch aussteht – besonders ab Oktober 2020 war jedoch eine Übersterblichkeit erkennbar. 

Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass der Bevölkerung „sinnlose Tests aufgezwungen“ werden: Die bisher verwendeten PCR-Tests sind aussagekräftig. Eine Behauptung ist zudem größtenteils falsch – Covid-19 ist gefährlicher als die „Grippe“, auch wenn in dem Meme das Gegenteil suggeriert wird.

Redigatur: Steffen Kutzner, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: 

  • Beschluss von Bund und Ländern zur Fortsetzung der Maßnahmen (19. Januar 2021): Link
  • Hinweise des BfArM zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen, medizinischen Gesichtsmasken sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken): Link
  • Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen des Jahres 2020 des Statistischen Bundesamtes (15. Januar 2021): Link
  • Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 vom RKI: Link
  • RKI-Artikel „Eine höhere Letalität und lange Beatmungsdauer unterscheiden COVID-19 von schwer verlaufenden Atemwegsinfektionen in Grippewellen“ (8. Oktober 2020): Link