Faktencheck

„Sperma weg“? Keine Hinweise für verringerte Spermienzahl nach Covid-19-Impfung

Ein Ausschnitt einer Präsentation des mittlerweile verstorbenen Pathologen Arne Burkhardt verbreitet sich online. Die von Burkhardt gezeigten Aufnahmen sollen belegen, dass sich bei zwei Männern die Spermienzahl nach einer Covid-19-Impfung stark verringert hätte. Fachleute widersprechen dem, aussagekräftig seien die Aufnahmen nicht.

von Sophie Timmermann

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Burkhardt behauptet in einem Video, dass Spermien fast vollständig durch das Spike-Protein ersetzt worden seien. Laut Fachleuten lassen seine Aufnahmen jedoch keinen Rückschluss auf die Covid-19-Impfung zu. (Symbolbild: Firn / Picture Alliance / Zoonar)
Behauptung
Arne Burkhardt zeige in einer Präsentation, dass bei gegen Covid-19 geimpften Männern die Spermien fast vollständig durch das Spike-Protein ersetzt worden seien.
Bewertung
Unbelegt. Laut Fachleuten lassen die gezeigten Aufnahmen keinerlei Rückschlüsse auf die Folgen einer Covid-19-Impfung zu. Die scheinbar genutzten Methoden eignen sich demnach nicht für den Nachweis des nach der Covid-19-Impfung gebildeten Spike-Proteins oder der von Burkhardt aufgestellten Behauptungen. Es gibt zudem keine Vergleichsaufnahmen und ob die Personen überhaupt geimpft waren, ist nicht belegt.

Seit Beginn der Corona-Pandemie hält sich das unbelegte Gerücht, die Covid-19-Impfung mache unfruchtbar, hartnäckig. Behauptungen bezogen sich dabei oft auf vermeintliche Folgen für Frauen, aber nicht nur. „Sperma weg, nur noch Spike-Proteine da!“, heißt es aktuell online. 

Bezogen sind die Beiträge auf einen Vortrag von Arne Burkhardt, der bereits zuvor mit unbelegten Aussagen (hier und hier) über den Zusammenhang zwischen Impfungen gegen Covid-19 und Todesfällen beziehungsweise Organschäden auffiel. Er soll gezeigt haben, dass „bei männlichen Geimpften das Sperma komplett durch das Spikeprotein der Corona-Spritze“ ersetzt worden sei. In einem Video, das mit den Beiträgen verbreitet wird, zeigt Burkhardt Gewebeaufnahmen von Hoden zweier Männer. 

Schon Ende Februar veröffentlichte ein Blog das Video, noch Monate später verbreitete es sich auf Facebook und Telegram (hier und hier); hunderttausende Nutzerinnen und Nutzer sahen die Beiträge. Laut Berichten mehrerer alternativer Medien verstarb der Pathologe im Ruhestand Arne Burkhardt Ende Mai. Doch auch nach seinem Tod kursiert der Videoausschnitt weiter, zum Beispiel in englischen und französischen Beiträgen auf Tiktok. 

Noch vor Bekanntwerden von Burkhardts Tod schickten wir die Aufnahmen an Expertinnen und Experten aus der Andrologie (Männerheilkunde) und Urologie und baten um eine Einschätzung. Ihre Rückmeldung: Die Aufnahmen seien nicht aussagekräftig, und das nach der Impfung gebildete Spike-Protein ließe sich gar nicht mit den von Burkhardt verwendeten Methoden nachweisen. Die von uns befragten Fachleute erklärten einstimmig: Es gibt keine Hinweise, dass die Covid-19-Impfung unfruchtbar macht. Zu diesem Schluss kommen auch Studien zum Thema.

Telegram-Beitrag mit unbelegten Behauptungen zur Spermaproduktion nach einer Covid-19-Impfung
Online verbreitet sich dieser kurze Ausschnitt einer Präsentation von Arne Burkhardt. Für seine Aussagen, die Impfung gegen das Coronavirus verringere die Fruchtbarkeit bei Männern, gibt es keine Belege. (Quelle: Telegram; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Woher die Gewebeaufnahmen stammen, die Burkhardt untersuchte, ist unklar

Der Pathologe im Ruhestand, Arne Burkhardt, trat seit Beginn der Pandemie immer wieder in viralen Videos in Erscheinung, in denen er über vermeintliche Gewebe- und Organschäden nach einer Covid-19-Impfung sprach. Mit Walter Lang, ebenfalls ein Pathologe im Ruhestand, veröffentlichte er erstmals im September 2021 Aufnahmen und Befunde zu Obduktionen im Rahmen der von ihnen ins Leben gerufenen „Pathologie-Konferenz“. 

Fachleute distanzierten sich mehrfach von Burkhardts und Langs Aussagen, die Deutsche Gesellschaft für Pathologie kritisierte ihre Daten als „nicht wissenschaftlich fundiert“. Wie in früheren Fällen ist auch aktuell unklar, woher genau die Aufnahmen, die Burkhardt zeigt, stammen.

Im Mai 2022 sagte er in einem Video, er bekomme seine Proben „routinemäßig“ aus der Rechtsmedizin, nicht von Angehörigen. Die Obduktionen seien nicht von ihm, aber „nach Standardmethoden“ durchgeführt worden. Er sei offen dafür, die Interpretation der Befunde zu diskutieren. 

CORRECTIV.Faktencheck bat Arne Burkhardt bereits im Februar 2022 um Stellungnahme zu seinen Aufnahmen und seiner Methodik – eine Antwort erhielten wir nicht. Eine aktuelle Anfrage an die sogenannte Pathologie-Konferenz blieb ebenfalls unbeantwortet. 

Wer ist Arne Burkhardt?
Burkhardt trat seit Beginn der Pandemie immer wieder mit viralen Videos in Erscheinung. Mehrfach verbreitete er unbelegte Behauptungen (hier, hier und hier), er habe bei Obduktionen verstorbener Personen nachweisen können, dass Covid-19-Impfungen tödlich seien oder zu Schäden im Körper führten. Unter anderem mit Walter Lang, ebenfalls ein Pathologe im Ruhestand, veröffentlichte er seine vermeintlichen Ergebnisse unter dem Namen „Pathologie-Konferenz“. Die dazugehörige Webseite wurde jedoch seit mehr als einem Jahr nicht mehr aktualisiert. 
Ende Mai starb Burkhardt laut Berichten mehrerer Blogs. Bis zu seinem Tod war er Mitglied des Vereins Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie (MWGFD), der Kontakte für unseriöse Maskenatteste vermittelte, wie CORRECTIV.Faktencheck 2020 berichtete. Mitglieder des Vereins, wie der ehemalige Professor für Mikrobiologie Sucharit Bhakdi, verbreiteten wiederholt falsche und unbelegte Behauptungen über die Corona-Pandemie, Masken und die Covid-19-ImpfstoffeBurkhardt war auch Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, wie uns deren Generalsekretär, Jörg Maas, auf Anfrage im Mai 2023 per E-Mail bestätigte – übte zuletzt jedoch keine Funktion aus.

Ungeklärte Fragen zur Methodik: Nachweis des Spike-Proteins kann auch für eine Covid-19-Infektion sprechen

Burkhardt sagte in seinem Vortrag – wie schon in früheren Aufnahmen –  er habe mittels einer Immunhistochemie das nach der Covid-19-Impfung gebildete Spike-Protein nachgewiesen. Zur Erinnerung: Spike-Protein ist nicht gleich Spike-Protein. Das Coronavirus nutzt das Protein, um an menschliche Zellen anzudocken und sie dazu zu bringen, es aufzunehmen. Die derzeit eingesetzten mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 enthalten genetische Informationen des Coronavirus, die menschliche Körperzellen dazu anregen, selbst das Spike-Protein des Virus zu produzieren und anschließend Abwehrstoffe zu bilden. 

Durch immunhistologische Methoden ist es möglich, bestimmte Proteine nachzuweisen. So ein Nachweis gelingt, indem das Gewebe mittels einer speziellen Reaktion gefärbt wird, wie uns Konrad Steinestel vom Institut für Pathologie am Bundeswehrkrankenhaus in Ulm im Februar 2022 erklärte. Das könne aber nur dann sicher beurteilt werden, wenn „eine exakte Angabe der Methodik“ und „qualitativ hochwertige Abbildungen“ vorlägen. Solche Aufnahmen liegen nicht vor, worauf die von uns befragen Expertinnen und Experten aufmerksam machten. 

Was ist das Spike-Protein?

Das Spike-Protein ist ein Bestandteil von Sars-CoV-2. Das Virus nutzt das Protein, um an menschliche Zellen anzudocken und sie dazu zu bringen, das Virus aufzunehmen. Anders ausgedrückt: Das Coronavirus braucht das Spike-Protein, um eine Zelle befallen zu können, wie das Max-Planck-Institut auf seiner Webseite erläutert.

Die derzeit eingesetzten mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 enthalten genetische Informationen des Coronavirus, die menschliche Körperzellen dazu anregen, selbst das Spike-Protein des Virus zu produzieren. Gegen dieses Protein bildet der Körper Abwehrstoffe, um später gegen das echte Virus SARS-CoV-2 geschützt zu sein.

Es gibt also einen Unterschied zwischen dem Spike-Protein des Coronavirus und den Spike-Proteinen, die der Körper selbst nach einer Covid-19-Impfung produziert. Sie sind nicht ganz identisch aufgebaut, wie auch das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Webseite erklärt. Wie wir in einem anderen Faktencheck im Juni 2021 erklärt haben, ist das Impf-Spike-Protein an die Körperzellen gebunden. Belege dafür, dass es Schäden auslöst, sollte es sich in geringen Mengen dennoch im Körper verteilen, sahen Experten damals nicht. 

Andreas Meinhardt vom Institut für Anatomie und Zellbiologie an der Universität Giessen erklärt auf Anfrage: Sollte es sich um eine Immunhistochemie für das Spike-Protein handeln, „sei nicht zu unterscheiden, ob dies durch eine Corona-Infektion oder die Impfung hier hingelangt“ sei.

Zu dem gleichen Schluss kommt Benjamin Ondruschka, Direktor des Institutes für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Im Institut wurden bereits hunderte Obduktionen bei Personen durchgeführt, um zu untersuchen, ob diese an Covid-19 gestorben sind. Eine Möglichkeit, mittels einer Immunchistomie zwischen dem nach einer Covid-19-Impfung gebildeten und dem nach einer Covid-19-Erkrankung gebildeten Spike-Protein zu unterscheiden, kennt Ondruschka nicht.

Möglicherweise hat Burkhardt weitere Methoden verwendet, auch sie werfen Fragen auf. An anderer Stelle im Video spricht er davon, man habe das Spike-Protein durch sogenannte Nukleocapsid-Antikörper unterschieden. Das Nukleocapsid ist ein zentraler Baustein für Coronaviren, durch das Färben von Nukleocapsid-Antikörpern kann eine Covid-19-Erkrankung nachgewiesen werden. Rechtsmediziner Ondruschka schreibt uns, Nukleocapsid-Antikörper würden nur bei Protein-basierten Impfstoffen (zum Beispiel Novavax) „gleichfalls färben“. Wie die im Video eingeblendete Aufnahme des 28-Jährigen zeigt, soll dieser erst mit Astrazeneca, dann mit Comirnaty geimpft worden sein – beides keine protein-basierten Impfstoffe.

Nur weil in Untersuchungen das Spike-Proteins nachgewiesen worden sei, könne man daraus zudem keine Rückschlüsse auf mögliche Komplikationen ableiten, so Ondruschka.

Die Methoden eignen sich demnach nicht, um den von Burkhardt behaupteten Nachweis des Spike-Proteins zu bringen. Dennoch haben wir Expertinnen und Experten aus dem Fachgebiet der Andrologie und Urologie um eine Einschätzung der Aufnahmen gebeten.

Es gibt keine Vergleichsaufnahmen und ob die Personen überhaupt geimpft waren, ist unklar

In seinem Vortrag zeigt Burkhardt zwei Bilder: eines soll die Gewebeaufnahme des Hodens eines 28-jährigen Mannes sein, das andere die Aufnahme eines 85-Jährigen. Der jüngere Mann sei 140 Tage nach der Covid-19-Impfung gestorben und habe einen Sohn gehabt; bei beiden Personen sei das Spike-Protein im Hodengewebe stark präsent, so Burkhardt. Bei dem 28-Jährigen sehe man fast keine Spermatozyten, also Vorläuferzellen von Spermien, bei dem 85-Jährigen gar keine. 

Andreas Meinhardt von der Universität Gießen schreibt uns, die Gewebeprobe des 85-Jährigen sei „nicht fachmännisch präpariert“ worden und folglich insgesamt schlecht beurteilbar. Ähnlich äußert sich Sabine Kliesch, Klinikdirektorin für Andrologie am Universitätsklinikum Münster. Die Fotos seien von der Qualität und der Färbung nicht geeignet, um die Spermatogenese – also die Bildung der Spermien –  zu beurteilen.

Aufnahme von Gewebeprobe aus Video von Burkhardt

Aufnahmen aus Video von Burkhardt
Im Video zeigt Burkhardt diese beiden Aufnahmen. Für Aussagen zum Spike-Protein oder zu angeblichen Folgen der Covid-19-Impfung sind diese laut Fachleuten jedoch nicht geeignet. (Quelle: Twitter; Screenshots: CORRECTIV.Faktencheck).

Und das Spike-Protein? Ina Wilkemeyer, Leiterin der Kyrobank, der Klinik für Urologie an der Charité Berlin erklärt, in den Fotos gebe es „keinerlei Hinweise auf die Darstellung von Spike-Proteinen“. Auch Andreas Meinhardt, der zur Zellinteraktion im Hoden forscht, schreibt, „ob es sich hier wirklich um den Nachweis des Spike Protein handelt, geht aus dem Vortrag oder Bild nicht hervor“. 

Mit Blick auf die Aufnahme des 28-jährigen Mannes, die Burkhardt als Beispiel nimmt, erklärt er: Es handele sich „durchaus noch um einen Normalbefund“, obwohl auch hier das untersuchte Objekt nicht besonders behandelt worden sei. „Herr Burkhardt sagt, dass im Präparat kaum noch Spermatozyten zu sehen sind. Dies stimmt nicht. Es sind Spermatozyten vorhanden, genau wie auch Spermien.“ (im folgenden Bild aus Burkhardts Präsentation markiert). Sabine Kliesch vom Universitätsklinikum Münster meint ebenfalls: Die Fotos zeigten keine „virale Veränderung“.

Aufnahme mit Markierungen zu Spermien und Spermatozyten
Andreas Meinhardt von der Universität Gießen hat sich die Aufnahmen aus Arne Burkhardts Präsentation angesehen. und widerspricht der Behauptung, darauf seien keine Spermatozyten oder Spermien zu sehen. (Quelle: Twitter; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck; Markierungen: Andreas Meinhardt)

Das Foto des 85-Jährigen zeige zwar einen sehr schlechten Gewebeerhalt, so Meinhardt. Vergleichsaufnahmen, die den Zustand des Gewebes vor und nach der Impfung zeigen, liefert Burkhardt jedoch nicht. Meinhardt resümiert: „Es ist also überhaupt nicht nachweisbar, ob hier eine Verschlechterung stattgefunden hat oder die Situation unverändert ist.“ 

Burkhardt zeigte die Aufnahmen auf einer impfkritischen Konferenz in Schweden 

Der kurze Videoausschnitt im Netz stammt aus einem knapp 40-minütigen Vortrag, den Burkhardt Ende Januar auf einer Konferenz in Stockholm hielt. Hinter der Veranstaltung steckte die Gruppe Läkaruppropet (übersetzt etwa „Aufruf an Ärzte“).  Die schwedische Faktencheck-Redaktion Kallkritikbyran beschreibt Läkaruppropet als „impfkritische Gruppe“. Sven Román, Gründer von Läkaruppropet, machte demnach auf der Konferenz auch unbelegte Behauptungen darüber, dass die Impfung die Fruchtbarkeit verringere. 

Dass sich Skeptiker der Corona-Maßnahmen in Europa über Grenzen hinweg in Schweden, Spanien und Deutschland vernetzten, zeigten wir in einer ausführlichen Recherche im April 2022. 

Ob die Personen, von denen die Gewebeproben stammen sollen, überhaupt geimpft waren, ist zudem durch nichts belegt. Eine Rückmeldung auf unsere Frage nach Belegen erhielten wir nicht. 

Paul-Ehrlich-Institut: Keine Hinweise, dass mRNA-Impfstoffe unfruchtbar machen

Fachleute widersprechen also Burkhardts Aussagen, sowohl mit Blick auf die Aussagekraft seiner Aufnahmen als auch seiner Methodik. Auch sonst gibt es keine Hinweise, dass die Covid-19-Impfung unfruchtbar mache oder die Spermienqualität verringere.

Das für die Überwachung von Impfstoffen in Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut schreibt auf seiner Webseite: „Es gibt keine Hinweise aus den nicht klinischen Untersuchungen der zugelassenen COVID-19-mRNA-Impfstoffe, dass eine Impfung zu einer Beeinträchtigung der weiblichen oder männlichen Fruchtbarkeit (Fertilität) führen könnte.“ Auch das Robert-Koch-Institut antwortet auf seiner Webseite auf die Frage „Macht die COVID-19-Impfung Frauen oder Männer unfruchtbar?“ mit: „Diese Aussage ist falsch.“

Studien zeigen kein Risiko bei Covid-19-Impfungen für Sperma-Produktion

Studien zu dem Thema fanden keine Hinweise darauf, dass die Covid-19-Impfung Männer unfruchtbar mache oder die Spermienzahl verringere. Hier fassen wir einige zusammen: 

Forschende untersuchten im Juni 2021 zum Beispiel die Samenproben von 45 gesunden Männern im Alter von 18 bis 50 Jahren vor der ersten und nach der zweiten Dosis mit den mRNA-Impfstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna. Untersucht wurde das Spermavolumen, die Spermienkonzentration sowie die Gesamtzahl beweglicher Spermien. Demnach hat sich weder die Spermienzahl noch die Spermienqualität durch die Impfung verringert.

Eine im April 2022 veröffentlichte Studie untersuchte 72 Männer, die für eine künstliche Befruchtung in Behandlung waren, vor und nach ihrer ersten Covid-19-Impfung. Es zeigten sich keine signifikanten Veränderungen nach der Impfung. 

In einer im Juli 2022 veröffentlichten Studie wurden Spermaproben vor und nach der zweiten Impfung von 33 Samenspendern analysiert, die Teilnehmenden waren mit Pfizer/Biontech geimpft. In der Studie hieß es, dass die Gesamtzahl der Spermien und der beweglichen Spermien nach der Impfung im Vergleich zu den Proben vor der Impfung zunahm. Der Anteil der beweglichen Spermien änderte sich nach der Impfung nicht. Eine im Dezember 2022 veröffentlichte Analyse von 12 Studien zu den Folgen einer Covid-19-Impfung fand ebenfalls keine Auffälligkeiten. 

Eine Studie aus Israel von Juni 2022 wurde derweil letztes Jahr irreführend interpretiert. Forschende untersuchten ebenfalls das Sperma von Samenspendern, die mit dem mRNA-Impfstoff von Pfizer/Biontech geimpft wurden. Sie fanden heraus, dass die Spermienzahl drei Monate nach der zweiten Dosis vorübergehend um etwa 22 Prozent abnahm, jedoch anschließend wiederhergestellt war. Ein Autor der Studie erklärte der Nachrichtenagentur AP, dies sei nichts Alarmierendes: Der kurzzeitige Rückgang der Spermienzahl ähnele sehr dem Rückgang der Spermien nach gewöhnlichen fiebrigen Erkrankungen, wie einer Grippe. 

Infekte und Fieber können zu temporären Veränderungen der Samenproduktion führen 

Fieberhafte Infekte, darunter Covid-Infektionen oder selten Impfreaktionen, könnten vorübergehende Veränderungen der Samenproduktion hervorrufen, erklärt Sabine Kliesch vom Universitätsklinikum Münster. Das sei bekannt und nicht ungewöhnlich. Nach zwei bis drei Monaten würden sich die Werte in den „allermeisten Fällen“ normalisieren. Es gebe jedoch keine Hinweise darauf, dass durch eine Covid-19-Infektion oder eine Corona-Impfung eine dauerhafte Veränderung der Samenzellbildung im Hoden ausgelöst werde.

Andreas Meinhardt vom Institut für Anatomie und Zellbiologie in Gießen schreibt uns ebenfalls, die Corona-Impfung habe „keinerlei negativen Effekt auf den Hoden oder die Spermatogenese“. Sie habe auch keinen negativen Effekt auf die Fruchtbarkeit der Frau oder des Paares. Eine Corona-Erkrankung führe gegebenenfalls zu einer vorübergehenden Verminderung der Spermienproduktion. „Dies liegt aber nicht am Virus selber, sondern an der Schwere der systemischen Erkrankung. Auch bakterielle Lungenentzündungen zeigen ähnliche temporäre Effekte. Von dauerhaften Schäden ist nichts klar bekannt.“

Auch Ina Wilkemeyer von der Charité schreibt: „Es gibt keinerlei Hinweise, dass eine Covid-Impfung einen Einfluss auf die Ejakulat- oder Hodenqualität hat.“ Die meisten ihrer Patienten seien gegen Covid-19-Impfung geimpft und wiesen „normale Ejakulatqualitäten und Hodenstrukturen“ auf. Im Unterschied dazu könne eine Covid-Infektion mit Fieberschüben aufgrund der zu warmen Körpertemperatur einen „kurzweiligen Einfluss auf die Spermienproduktion haben“.

Auf dieses Risiko weisen einige Studien hin. Eine im Mai 2022 veröffentlichte Meta-Studie untersuchte bisher veröffentlichte Fachliteratur über Auswirkungen des Coronavirus auf Spermien und erklärt, dass eine Covid-19-Erkrankung die Spermien- und Testosteronproduktion kurzfristig einschränken könne. 

So zeigte eine kleine Studie mit 30 Teilnehmenden im Juli 2021, dass die Spermienanzahl bei an Corona-Erkrankten im Vergleich zu gesunden Männern niedriger war. In einem Artikel von Oktober 2022 schrieben Forschende mit Blick auf die Fachliteratur, dass die Wahrscheinlichkeit einer direkten Hodenschädigung durch eine Corona-Erkrankung zwar eher gering sei, aber es viele indirekte Wege gebe, etwa Fieber, durch die die Spermabildung gestört werden könne. Auch eine weitere Studie von November 2022 kam zu dem Ergebnis, dass Covid-19 einen negativen Einfluss auf die männliche Fruchtbarkeit haben könnte. Es heißt: Die Folgen einer Corona-Erkrankung werden weiter erforscht, dafür brauche es langfristig jedoch „umfassendere Studien mit einem großen Stichprobenumfang“.  

Fazit: Die Aufnahmen von Burkhardt belegen die von ihm gemachten Behauptungen nicht. Fachleute bemängeln die Qualität der Fotos und die intransparente Methodik, mit der angeblich das Spike-Protein nachgewiesen werden soll. Darauf, dass die Corona-Impfung Männer unfruchtbar macht, haben zahlreiche Studien bisher keine Hinweise gefunden.

Redigatur: Matthias Bau, Sarah Thust

Die wichtigste, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: 

  • „Können COVID-19-mRNA-Impfstoffe die Fruchtbarkeit beeinträchtigen?“, Paul-Ehrlich-Institut: Link (archiviert)