Faktencheck

Ukraine Schuld an der Haushaltskrise? Pro-Kreml-Netzwerk verbreitet gefälschten Spiegel-Artikel

Immer wieder fälscht eine russische Desinformationskampagne Artikel deutscher Medien, um Stimmung gegen die Ukraine zu machen. Ein Fake-Artikel, der vom Spiegel stammen soll, greift dabei die aktuelle Haushaltskrise in der Bundesregierung auf – und schiebt die Schuld dafür auf die Hilfen für die Ukraine.

von Max Bernhard

spiegel-fake-artikel-haushaltskrise
Dieser angebliche Artikel des Spiegel ist eine Fälschung. Sie ist Teil eines pro-russischen Desinformations-Netzwerks.(Quelle: spiegel.ltd; Screenshot und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Der Spiegel habe am 24. November einen Artikel mit dem Titel „Die Haushaltskrise wird die Ampel zum Einsturz bringen“ veröffentlicht.
Bewertung
Manipuliert. Der angebliche Artikel des Spiegels ist eine Fälschung, die Teil einer pro-russischen Desinformations-Kampagne ist.

Seit über einem Jahr verbreitet eine russische Desinformations-Kampagne immer wieder gefälschte Webseiten deutscher und internationaler Medien und Regierungen, wie CORRECTIV.Faktencheck schon mehrfach berichtete. Die russischen Firmen, die dahinter stecken sollen, wurden mittlerweile von der EU sanktioniert, doch das Propaganda-Netzwerk macht weiter und ist inzwischen neben Facebook auch auf X aktiv.

Nun ist erneut ein gefälschter Artikel des Spiegel aufgetaucht. Laut Analysten von  Antibot4Navalny, einer anonymen Freiwilligengruppe, die (pro)russische Desinformation auf X verfolgt, verbreitete die Kampagne den Fake auf Twitter

„Die Haushaltskrise wird die Ampel zum Einsturz bringen“ heißt es in der Überschrift. Hauptgrund für die gestiegene Staatsverschuldung sei „zu viel Hilfe für die Ukraine in den letzten zwei Jahren“. Der Text soll Stimmung gegen die Ukraine und die deutsche Unterstützung des Landes machen.

Doch an mehreren Details lässt sich erkennen, dass die Seite eine Fälschung ist.

Screenshot eines X-Beitrags, in dem laut Antibot4Navalny der gefälschte Artikel geteilt wurde.
Der gefälschte Spiegel-Artikel wurde laut Antibot4Navalny auf X verbreitet. Der zu sehende Account wurde inzwischen von X gesperrt. (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die URL entlarvt den Fake des Desinfo-Netzwerks  

Bei der gefälschten Webseite des Spiegels handelt es sich um eine nahezu exakte Kopie des Originals. Das Layout und Logo stimmen mit dem Original überein – der Artikel selbst ist jedoch erfunden. Dass es sich nicht um die Spiegel-Webseite handelt, zeigt ein Blick in die Adressleiste: Die URL lautet „spiegel.ltd“ statt „spiegel.de“. Nach diesem Muster fälscht das Netzwerk auch die Webseiten anderer Medien, wie wir bereits mehrfach recherchierten

Screenshot des gefälschten Artikels, zu sehen ist die Domain spiegel.ltd
Die gefälschten Webseiten sehen fast identisch zu den Originalen aus – an der URL (blaue Markierung) lässt sich der Fake jedoch erkennen (Quelle: spiegel.ltd; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Eine Google-Suche nach der Überschrift auf der echten Webseite des Spiegel liefert außerdem keine Ergebnisse. Wie Sie herausfinden können, ob eine Webseite seriös ist, haben wir hier ausführlich beschrieben. 

Deutschland hat Ukraine bisher mit rund 21 Milliarden unterstützt  

Laut dem Bundesrechnungshof ist der Schuldenstand des Bundes zwischen 2020 und 2023 „enorm gewachsen“. Dafür seien die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verantwortlich, aber auch die Corona-Pandemie, die Energiekrise und steigende Zinsen. Der Hauptgrund für die aktuelle Haushaltskrise geht darauf zurück, dass die Bundesregierung 2021 60 Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfsfonds, die nicht abgerufen wurden, in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verschoben hatte. Das hat das Bundesverfassungsgericht im November 2023 als nicht zulässig erklärt. Ähnlich verhält es sich mit dem 200 Milliarden Euro schweren Wirtschafts-Stabilisierungsfonds (WSF), der die Strom- und Gaspreisbremsen bis Mitte 2024 finanzieren sollte. 

Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, das die finanzielle Unterstützung anderer Staaten an die Ukraine systematisch erfasst, hat Deutschland bislang rund 20,96 Milliarden Euro an humanitären, finanziellen und militärischen Hilfeleistungen für die Ukraine bereitgestellt. Die veranschlagten Gesamtausgaben des Bundeshaushalts in 2023 betrugen im Vergleich 476,29 Milliarden. 

Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.

Redigatur: Gabriele Scherndl, Uschi Jonas