Hintergrund

Der Geldgeber: Wie das „Middle East Forum“ die Europäische Rechte finanziert

Ein Think-Tank aus den USA fördert europäische Stiftungen, Medien und Aktivisten. Ihre Zielrichtung: gegen den Islam und die angebliche Islamisierung Europas. Ein besonderes Mittel ist die Meinungsfreiheit.

von Till Eckert , Cristina Helberg , Tania Röttger

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Das „One Liberty Place“ in Philadelphia, USA. Von einem Büro in diesem Gebäude aus stellt das „Middle East Forum“ Geld für die bereit, die Angst vor dem Islam verbreiten wollen. (Screenshot und Bildbearbeitung: CORRECTIV / Ivo Mayr)

Dieser Text ist Teil einer Reihe darüber, wie islamfeindliche Organisationen aus den USA Diskurse in Deutschland beeinflussen. Hier sind weitere Texte zum Thema:

Der Amerikaner Daniel Pipes traf sich im März mit rechten alternativen Medien in Berlin. Interviews erschienen bei Philosophia Perennis, Journalistenwatch und PI News. Gesprochen wurde unter anderem darüber, wie „Europa vor Islamismus gerettet werden kann“. Pipes traf auch Politiker der AfD, zum Beispiel Markus Frohnmaier und Jürgen Braun, wie PI News damals mit Fotos berichtete.

Pipes ist in Deutschland bisher wenig bekannt. Im Jahr 1994 gründete er die Denkfabrik „Middle East Forum“ mit Sitz in Philadelphia und ist bis heute ihr Direktor. Eine Eigenbeschreibung lautet: „Das Middle East Forum aus Philadelphia fördert amerikanische Interessen und arbeitet dafür, die westliche Zivilisation von der Bedrohung des Islamismus zu beschützen.“

Daniel Pipes im Jahr 2008. (Foto: lukeford.net, Daniel Pipes LF, Filter von CORRECTIV, CC BY-SA 3.0)

Dafür ist Europa einer der Kampfplätze. In einem Gastbeitrag der israelischen Nachrichtenseite Israel Hayom zählte der 69-jährige Pipes Beispiele auf, die zeigen würden, dass Matteo Salvini, die Gruppe „Juden in der AfD“ und Donald Trump dem israelischen Staat mehr zugeneigt seien als jüdische Organisationen im Westen, die Kritik an diesen Politikern und der israelischen Regierung üben. Der Tagesspiegel hatte darüber im Februar berichtet.

Geld für Rechtsstreits von „Islamkritikern“

Seit Jahren fördert das Forum rechte Think-Tanks, Politiker und Aktivisten, deren gemeinsamer Nenner die Islamophobie ist. Manche erhalten über das „Legal Project“ Geld für ihre Kämpfe vor Gerichten, auch in Europa: Noch bis vor kurzem finanzierte das Forum etwa die Österreicherin Elisabeth Sabaditsch-Wolff, die Anfang des Jahres vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen eine Verurteilung klagte.

Sabaditsch-Wolff war in Österreich wegen „Herabwürdigung religiöser Lehren“ verurteilt worden, weil sie im Jahr 2011 gesagt hatte, Prophet Mohammed sei pädophil gewesen, obwohl es dafür keine Anhaltspunkte gibt. Sie ging anschließend in Berufung durch alle Instanzen, verlor aber auch vor dem europäischen Gericht. Das Forum zitiert sie mit den Worten: „Ich hätte nicht so weit kommen können ohne ihre Unterstützung. Ich habe die Hoffnung, dass es eines Tages kein ‘Legal Project’ mehr braucht, weil das bedeuten würde, dass die Rechtsstaatlichkeit zurückgekehrt wäre.“

Wir haben dem Middle East Forum Fragen zugeschickt, unter anderem, welcher Anteil ihres Geldes an Initiativen in Europa geht, wie das Forum auf den Fall von Sabaditsch-Wolff aufmerksam wurde und warum sie sie unterstützt haben. Anstelle von Antworten Antwort erhielten wir ein kurzes Statement von Marc Fink, der seit 2012 für das Middle East Forum arbeitet und das ‘Legal Project’ leitet. Darin heißt es: „Das Middle East Forum meint, dass eine robuste öffentliche Diskussion über den Islam, Islamismus und ähnliche Themen nötig ist für das Überleben der westlichen Zivilisation.“ Daher kämpfe es gegen Haftstrafen oder Kontosperren der sozialen Medien, wegen der Äußerung kritischer Ansichten. „Das Forum unterstützt keine bestimmten Standpunkte, sondern lediglich das Recht, jeden Standpunkt durchzusetzen.“

Der Rechtsstreit von Sabaditsch-Wolff erhielt in Deutschland viel Aufmerksamkeit von AfD-Politikern und Webseiten wie Journalistenwatch.

Zuvor hatte das Forum den britischen Rechtextremen Tommy Robinson unterstützt, dem Guardian zufolge mit 60.000 US-Dollar. Robinson war verurteilt worden, weil er gegen die Auflagen eines Gerichts verstoßen hatte: Ihm war untersagt worden, über das laufende Verfahren gegen eine Gruppe von Muslimen zu berichten. Später wurde das Urteil wieder aufgehoben, inzwischen will ein  höheres Gericht die Aufhebung aber neu untersuchen. Auch dieser Fall erfuhr politische und mediale Aufmerksamkeit in der deutschen und europäischen Neuen Rechten. 

Noch früher, im Jahr 2010, bekam der niederländische Politiker Geert Wilders Geld über das Middle East Forum, als er wegen Volksverhetzung gegen Muslime vor Gericht stand. Wilders gewann das Verfahren. Damals beschrieb Pipes seine Beweggründe für die Unterstützung in einer Kolumne für die Welt.

Bei diesen Projekten scheint es darum zu gehen, das, was über den Islam und Muslime gesagt werden kann, auszuweiten – medial unterstützt durch deutsche Webseiten wie Journalistenwatch.

Warnungen für Europa

Wie Pipes die aktuelle und zukünftige Situation in Europa einschätzt, erzählt er in einem Video, das das „Gatestone Institut“ im Juli 2016 auf Youtube veröffentlichte. Das Video hat 10.000 Klicks und ist Teil einer Serie, die vom Middle East Forum finanziert wurde, und von Robert Mercer, der auch Breitbart und die Kampagnen von Donald Trump und den Brexit-Befürwortern finanzierte. In einem anderen Teil spricht Geert Wilders.

Daniel Pipes spricht zum Thema „Jihad awakens in Europe“. Er entwirft darin Szenarien, wie es mit dem Islam in Europa weitergehen könnte. Er meint, Scharia, Koran und Minarette würden sich weiter vermehren. Das habe unter anderem damit begonnen, dass Deutschland 1961 das Gastarbeiter-Abkommen mit der Türkei geschlossen habe (Pipes nennt fälschlicherweise das Jahr 1954). Am Ende werde das „in einer Übernahme des Islams von Europa“ gipfeln. Europa werde eine Erweiterung Nordafrikas, dann gebe es „Londonistan“ oder die Islamische Republik Frankreich – Europa werde zu Eurabia.

Doch, sagt Pipes, am wahrscheinlichsten sei, dass die Europäer „Nein“ zu all dem sagen. Seit der Rushdie-Affäre 1989 gebe es in Europa Widerstand gegen den Islam. Er sieht den Beweis, dafür, dass der Wendepunkt erreicht sei, in der österreichischen Wahl 2016. Da habe der anti-islamische und Anti-Immigrationskandidat die Hälfte der Stimmen erhalten. „Also ist in Österreich nun schon die Hälfte der Wähler gegen den Islam“, schlussfolgert Pipes

Mit seinen Theorien scheint Pipes der europäischen Neuen Rechte zu imponieren, er unterhält zumindest regen Kontakt zu Politikern mit ähnlicher Gesinnung. Rebel News, die mit dem Gatestone Institut die Videos produziert haben, hatten etwa eine Kreuzfahrt durch Europa im Sommer 2019 geplant. Mit an Bord sollten – neben Pipes und Tommy Robinson – auch Politiker der AfD, der FPÖ und von Viktor Orbans Partei Fidesz. Nach Beschwerden von österreichischen Städten, die das Boot nicht landen lassen wollten, und wurde die Fahrt abgesagt.

Orbans Nähe suchte Pipes trotzdem: Im Anschluss an seinen Besuch in Berlin im März machte sich Pipes auf den Weg nach Budapest, wo Orban Ende März eine Konferenz zum Thema Migration veranstaltete. Tichys Einblick berichtete darüber. Auch Nicolas Sarkozy sei anwesend gewesen. Pipes gab dem ungarischen Medium Hetek ein Interview und lobte darin die „Ablehnung der Migration“ von Orbans Regierung. Er hoffe, dass dieses „Modell“ in Zukunft auch in anderen europäischen Ländern wie Österreich, Deutschland und Italien ausgelebt werde.

Ein Knotenpunkt im Netzwerk

Das Middle East Forum verteilt Gelder an Stiftungen und Medien, die seiner Ideologie entsprechen, darunter die deutsche Webseite Journalistenwatch. Doch hinter dem Middle East Forum stehen reichere Geldgeber. In manchen Finanzreports sind sie einzusehen, zum Beispiel in dem von 2014. Dort tauchen Stiftungen wie der „Abstraction Fund“ auf, der 331.000 Dollar an das Middle East Forum gab, außerdem der „Donors Capital Fund“, der etwa 1,9 Millionen US-Dollar gab. Der „Donors Capital Fund“ finanziert dem Guardian zufolge auch Klimawandel-Skeptiker.

Das Middle East Forum muss keine Steuern zahlen, aber es muss seine Finanzen offen legen. Seit 2013 sind die Gesamteinnahmen zurückgegangen, gleichzeitig ist das Netto-Vermögen stetig angestiegen. Ende 2017 hatte das Middle East Forum knapp 5,5 Millionen US-Dollar zur Verfügung.

Jahr Gesamteinnahmen Netto-Vermögen
2013 5.751.625,00 USD 3.232.305,00 USD
2014 4.126.021,00 USD 3.717.977,00 USD
2015 4.324.625,00 USD 4.447.105,00 USD
2016 4.367.310,00 USD 5.283.392,00 USD
2017 4.361.751,00 USD 5.463.633,00 USD

 

Geld, von dem auch der Meinungskampf gegen den Islam in Europa finanziert wird. Europäische Empfänger tauchen in den öffentlichen Dokumenten nicht auf.

Pipes schließt das Video über die angebliche Islamisierung damit, dass der „Pax Americana“, der Frieden, der in Europa seit 1945 unter der Leitung der USA herrsche, zu Ende gehe.

Er und seine Mitstreiter versuchen nun, den islamfeindlichen Diskurs in Europa zu stärken.