Der Prozess, Tag 29
Durch den Verkauf von Gesellschaftsanteilen gingen offenbar 600.000 Euro an Peter Stadtmann als er bereits in Untersuchungshaft saß. Nach seiner Hirnverletzung gab es laut Zeugen kaum auffällige Veränderungen im Verhalten des Angeklagten
Welchen Eindruck macht Peter Stadtmann?
Der Angeklagte blickt die meiste Zeit düster vor sich hin. Während der Befragung der Zeugen sieht er immer wieder ganz kurz auf die Sprechenden und nimmt dann wieder seine stoische Haltung ein. Nur als es um familiäre Details geht, wird er rot und wirkt unruhiger.
Welchen Eindruck machen die Betroffenen?
Auf Seiten der Nebenklage sitzen heute sechs Betroffene. Im Laufe des langen Verhandlungstages leeren sich die Reihen. Ganz am Ende sind nur noch wenige Anwälte anwesend. Rund ein dutzend Zuschauer haben sich eingefunden. Fünf Journalisten beobachten heute den Prozess.
Die wichtigsten Ereignisse des Tages
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Reizbar und gestresst, aber nicht auffällig. Mehrere Zeugen sagen heute zum Wesen Stadtmanns aus und der Frage, ob sich sein Verhalten nach der Kopfverletzung 2008 verändert hat. Dazu arbeitet der psychologische Sachverständige Boris Schiffer von der Ruhr-Universität Bochum einen Fragebogen ab, der klären soll, ob Stadtmann übliche Symptome nach Hirnverletzungen zeigte. Alle Zeugen geben an, der Angeklagte sei mit Wachsen der Apotheke immer gestresster geworden. Er sei in den letzten Jahren leichter reizbar gewesen und habe oft die Beherrschung verloren. Nach dem Unfall 2008 hatte Stadtmann Probleme mit seinem Geschmacks- und Geruchssinn. Das sagen der Whistleblower und ehemalige Mitarbeiter Martin Porwoll und der langjährige Bekannte und Apotheker Hubertus Ahaus. Außerdem gehen alle Zeugen auf die bereits bekannten Kopfschmerzen Stadtmanns ein. Er habe immer wieder darüber geklagt und sich nachmittags schlafen gelegt. Doch Schwierigkeiten mit Entscheidungen oder Probleme, sich in Situationen angemessen zu verhalten, habe er nicht gehabt. „Er erkannte genau, wie man sich in bestimmten Situationen verhält und welche Knöpfe und Hebel er drücken musste, um seine Ziele durchzusetzen“, so Belastungszeuge Martin Porwoll.
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Studienfreundin sieht mehr Auffälligkeiten als andere Zeugen. Die Apothekerin Christa S. sagt aus, sie habe bei Stadtmann Konzentrationsschwierigkeiten bemerkt. „Er hat immer versucht mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Das hat aber nicht geklappt“, so Christa S. Einmal habe Stadtmann eine Geschäftspartnerin im Büro warten lassen, weil er sie scheinbar vergessen hatte. Außerdem soll er gelegentlich die Reihenfolge von Dingen durcheinander gebracht und irrationale Entscheidungen getroffen haben. Auch Christa S. beschreibt, wie reizbar und gestresst Peter Stadtmann in den letzten Jahren gewesen sei.
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Die Verteidigung will einige Zeugen erneut hören. Weil eine Gerichtsakte im Internet zu finden war, will die Verteidigung einige Zeugen noch einmal befragen. Stadtmanns Anwälte wollen klären, ob die Zeugen die Akte gelesen haben und so in ihrer Aussage beeinflusst wurden. Die heute anwesenden Zeugen hat die Verteidigung bereits dazu gefragt. Alle gaben an, die Akte nicht gelesen zu haben.
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Ein engerer Freund und alte Liebschaften als neue Zeugen? Die Verteidigung beantragt, Georg K. als weiteren Zeugen zum Wesen Stadtmanns zu hören. Die Zeugin Teresa K. nennt ihn als besten Freund Stadtmanns. Der Apotheker Hubertus Ahaus sagt im Zeugenstand, Georg K. sei zusammen mit ihm Trauzeuge bei Stadtmanns Hochzeit gewesen. Auch der Psychologe Boris Schiffer würde Georg K. deshalb gerne hören. Keiner der bisherigen Zeugen hatte eine dauerhaft intensive Beziehung zum Angeklagten. Die Nebenklage beantragt dafür, die Ex-Frau und eine ehemalige Freundin des Angeklagten zu hören. Der Staatsanwalt „verspricht sich nicht viel davon“. Der Sachverständige Schiffer gibt zu Bedenken, dass die Frauen nur für kurze Zeit oder vor dem Unfall mit Stadtmann zusammen waren. Er kann sich aber trotzdem eine Befragung vorstellen.
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Warum 600.000 Euro an Peter Stadtmann gingen, als er bereits in U-Haft saß. Laut dem Apotheker Hubertus Ahaus war Stadtmann Gesellschafter, der von ihm gegründeten Gesellschaft AKP Plus. Seine Anteile von 25 % kauften die drei übrigen Gesellschafter für „etwas über 600.000 Euro“ zurück, als Peter Stadtmann bereits in Haft saß, so Ahaus. Der Verkauf sei über den Steuerberater von Peter Stadtmann abgewickelt worden. Für den Fall einer Inhaftierung sei der Ausschluss von Gesellschaftern vertraglich vorgesehen gewesen. Die Zahlung dürfte besonders die Staatsanwaltschaft interessieren, war zu diesem Zeitpunkt doch bereits das Vermögen von Peter Stadtmann teilweise beschlagnahmt worden. Ob die zu spät beschlagnahmte Summe ausreicht, um eventuelle Schadensersatzansprüche zu begleichen, ist fraglich.
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Interner Notfallvertrag regelte Ersatzversorgung am Tag der Razzia. Der Apotheker Hubertus Ahaus beschreibt in seiner Befragung den Tag der Razzia in der Alten Apotheke. Nach einem Anruf von Peter Stadtmann sei er nach Bottrop gefahren und habe in den folgenden Tagen mit seiner Apotheke die Versorgung der Praxen, die nicht mehr von der Alten Apotheke beliefert werden konnten, übernommen. Grundlage dafür sei ein interner Vertrag gewesen, der das Einspringen für den Notfall regelte. Einen solchen Vertrag zur Absicherung im Notfall habe das Gesundheitsamt für die Zulassung des Labores gefordert. Den Notfallplan hat Ahaus bereits zuvor gegenüber CORRECTIV erläutert.
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Die Mutter – „Herrscherin des Kellers“. Die Zeugin Stefanie M. bestätigt auf Nachfrage der Nebenklage die „autoritäre Rolle“ der Mutter des Angeklagten in der Apotheke. Auch das Zitat „Herrscherin des Kellers“ sei ihr geläufig. Erstmals hatte die Zeugin Birgit K. mit diesem Zitat die Rolle der Mutter beschrieben. Die Mutter habe sich „intensiv“ um das Lager im Keller gekümmert und dafür zuständig gefühlt. Sie habe hin und wieder mit anderen Mitarbeitern zusammen die Waren im Keller sortiert. Dort seien „Übervorräte“ gelagert worden. Über abgelaufene Medikamente im Keller der Alten Apotheke, die aktuelle Betriebserlaubnis der Alten Apotheke und Nachforschungen des Gesundheitsamtes Bottrop haben wir ausführlich berichtet.
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Warum eröffnete Peter Stadtmann eine zweite Apotheke in Düsseldorf ? Das kann sich zumindest seine Studienfreundin und bei ihm angestellte Apothekerin, Christa S., nicht erklären. „Dass er noch eine weitere Apotheke in Düsseldorf eröffnet hat, war für mich vollkommen irrational“. Sie habe weder Vorteile noch Synergieeffekte gesehen. Auf Nachfrage habe Peter Stadtmann ihr keine überzeugenden Argumente für die Expansion liefern können. Die Apotheke befand sich im Düsseldorfer Medical Center, in dem auch der Brustkrebsspezialist Mahdi Rezai praktiziert, der von 2010 bis 2016 Krebstherapien aus der Alten Apotheke aus Bottrop bezog.
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Weitere Aktenordner des LZG und PEI. Sowohl das Paul-Ehrlich Institut als auch das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen reagieren auf die Ausführungen und Bemängelungen der Sachverständigen am 25. Verhandlungstag. Das LZG hat laut Richter Johannes Hidding bereits zwei Ordner mit zusätzlicher Dokumentation an das Gericht geschickt. Das PEI will am kommenden Montag Dokumente nachliefern.
Ausblick auf den nächsten Verhandlungstag
Am 09.05. ist Ralf U. als Zeuge geladen. Er hatte 2013 die erste Anzeige wegen gepanschter Krebsmedikamente gegen Stadtmann erstattet.
Die nächsten Verhandlungstage im Überblick (Beginn jeweils 09:30 Uhr): 09.05., 16.05., 18.05., 23.05., 24.05., 11.06., 13.06., 14.06., 18.06., 19.06., 20.06., 22.06., 25.06., 27.06. und 29.06.