Kein Filter
für Rechts

Wie die rechte Szene Instagram
benutzt, um junge Menschen
zu rekrutieren

»Die Mädels sind für das schöne Bild verantwortlich«, so offen sagt es eine Insiderin. Es sind vor allem Frauen, die Nutzer auf Instagram mit ästhetischen Bildern und subtilen Botschaften in die rechte Szene ziehen sollen. Emojis als Reichsflagge, Hashtags wie #heimatverliebt und AfD-Politiker, die für ein rechtes Modelabel posieren oder Accounts von Rechtsextremen folgen: Unsere Analyse tausender Instagram-Accounts zeigt, wie die rechte Szene auf der vermeintlich unpolitischen Plattform junge Menschen verführt. Und dass Instagram kaum etwas dagegen unternimmt. Eine Recherche in vier Teilen.

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Unsere datengetriebene Recherche

Daten, Daten, Daten: So sind wir vorgegangen

  • In einer detaillierten Datenrecherche untersuchte CORRECTIV mehr als 4.500 Accounts der rechten Szene auf Instagram.
  • Das Team legt alle Arbeitsschritte der Recherche offen.
  • Die Netzwerkanalyse und Textdaten-Mining erklären, wie rechte bis rechtsextreme Influencerinnen auf Instagram agieren.

Instagram ist eine der beliebtesten Apps weltweit. Mehr als 20 Millionen Deutsche sind bei Instagram angemeldet, etwa die Hälfte von ihnen sind Jugendliche oder junge Erwachsene.

Bei Instagram können die Nutzerinnen den Accounts von Einzelpersonen oder Organisationen folgen, über Fotos, Videos und andere Features erhalten sie Einblick in deren Alltag. Für Marketing-Zwecke liegt darin ein großes Potenzial – das haben auch Rechte und Rechtsextreme erkannt. Die Mitglieder dieser Bewegung vermitteln ihren Lebensstil, aber auch ihre politischen Ansichten auf subtile, aber effektive Art. Instagram ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Propagandastrategie von Rechtspopulisten und Rechtsextremen. Sie zeigen sich zugänglich und sympathisch, geben Einblicke in ihr Leben und knüpfen inhaltlich an Themen wie Sport, Natur, Reisen und Musik an. Einige werden damit zu sogenannten Influencerinnen – sie erreichen auf Instagram zehntausende Menschen und dienen als Inspiration.

Wie funktioniert Vermittlung politischer Inhalte über Instagram?

Wir haben uns zu Beginn unserer Recherche die Frage gestellt, wie genau rechte Influencer und Organisationen die Plattform für sich nutzen. Unser Ziel war es, das deutschsprachige Netzwerk der rechten Szene auf Instagram tiefgreifend zu erforschen und abzubilden. Wir wollten uns die Verbindungen zwischen den Accounts, ihre Fotos und Kommentare näher anschauen. Wir wussten um die Dynamik des Netzwerks, das sich jeden Tag und durch jede Interaktion verändert – wir brauchten also eine belastbare Stichprobe, um recherchieren zu können. Bisher gab es eine solche Recherche und einen solchen Datensatz noch nicht.

Besonders interessant waren für uns diese Fragen: Wer interagiert mit wem? Was sind die beliebtesten Hashtags und Erkennungszeichen von Rechten und Rechtsextremen? Wie werden politische Themen diskutiert und Debatten beeinflusst? Gibt es eine besondere Ästhetik, auf die Rechte und Rechtsextreme auf Instagram zurückgreifen? Dient Instagram gar als Erstkontakt für junge Menschen mit der rechten Szene?

Unsere Recherche in Zahlen

Dafür haben wir uns eine Recherche-Stichprobe von mehr als 4.500 Instagram-Accounts angeschaut. Dieses Sample entwickelten wir auf Basis von 281 Instagram-Accounts, die uns bereits als wichtige rechte bis rechtsextreme Influencerinnen bekannt waren. Insgesamt untersuchten wir mehr als 330.000 Verbindungen zwischen einzelnen Accounts und mehr als 830.000 Instagram-Posts. Die Daten stammen überwiegend aus den Sommermonaten 2020.

Auf diese Weise können wir zeigen, was Rechte und Rechtsextreme auf Instagram tun und wie sie kommunizieren.

Diese Grafik erklärt, wie unsere Stichprobe entstanden ist.

Wie sind wir vorgegangen?

Der Startpunkt unserer Recherche liegt im Frühjahr 2020. Zusammen mit dem Datenanalysten Clemens Kommerell, der zuvor das Projekt instaball.de entwickelt hatte, diskutierte das vierköpfige Reporterteam Inhalte und Arbeitsschritte. Verstärkung bekamen wir durch die Datenwissenschaftlerin Celsa Diaz. Vor unserer Veröffentlichung ließen wir unser Vorgehen von Dr. Roberto Ulloa (GESIS, Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften) und Dr. Mykola Makhortykh (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Bern) bewerten.

Eine der zentralen Herausforderungen: Die Unternehmensphilosophie der Facebook-Tochter Instagram verhindert es, dass Drittparteien Zugriff auf die Daten bekommen, die auf der Plattform liegen. Nur der Online-Dienst selbst und die Nutzer sollen darüber verfügen dürfen. 

Das hieß für uns: Instagram bietet keine Möglichkeit, um Daten von Accounts zu sammeln. Wir mussten daher kreativ werden und selbst eine Lösung finden, um unsere Recherchefragen beantworten zu können.

Öffentliche Instagram-Accounts und -Posts als Ausgangspunkt

Auf Instagram ist es möglich, den eigenen Account „privat“ zu halten. Wer die Inhalte (Posts oder Stories) sehen möchte, muss eine Anfrage stellen, ob er oder sie der Person „folgen“ darf – und diese kann die Anfrage bestätigen oder ablehnen. Grundlage für unsere Recherche waren die öffentlich einsehbaren Daten von nicht-privaten Accounts. Dazu gehören der Account-Name und seine Selbstbeschreibung, aber auch die Accounts, denen dieser Account folgt. 

Das „Folgen“ ist das zentrale Prinzip der Plattform: Folgt eine Userin einem Account, werden dessen Inhalte in der App angezeigt. Andere ähnliche Accounts werden von Instagram als Empfehlungen angezeigt, auch wenn sie noch nicht gefolgt werden. Für uns waren eben diese ausgehenden Verbindungen besonders wichtig: Wir wollten wissen, was Rechte und Rechtsextreme auf Instagram interessiert.

Zudem haben wir die Posts der nicht-privaten Accounts näher untersucht. Auch da sind Metadaten wie Ort und Zeitpunkt der Aufnahme öffentlich sichtbar, genauso wie die Bildbeschreibung und Kommentare. Wenn ein Account einen anderen Account in einem Post verlinkt, ist das für Dritte ebenfalls einsehbar.

So sieht ein Instagram-Profil aus. Mehr als 6.000 davon haben wir uns im Rahmen der Recherche näher angeschaut.

Was für uns nicht möglich war: Eine nähere Untersuchung von Instagram-Stories. Dieses Feature gibt es seit 2016. Es erlaubt den Nutzerinnen, Fotos und Videos in einer Art Slideshow anzuzeigen, die nach 24 Stunden gelöscht wird. Aufgrund der Menge der Accounts und Stories haben wir darauf verzichtet, diesen Bereich in Gänze zu untersuchen. Wir wissen aber: Auch dort interagieren Rechte und Rechtsextreme mit ihrer Community. Das konnten wir vereinzelt nachweisen, weil wir den Nutzern verdeckt mit einem eigenen Instagram-Account folgten, und eine Insiderin bestätigte uns das.

Ein eigener Account zum Sammeln der Daten

Damit wir einen Einblick in die Welt der Rechten und Rechtsextremen auf Instagram bekommen konnten, mussten wir ein eigenes Instagram-Profil aufsetzen. Wir wählten einen falschen Namen und bezogen uns in der Selbstbeschreibung des Accounts auf die gängigsten Inhalte der Szene wie Patriotismus oder Nationalismus. Für die Recherche auf Instagram verwendeten wir diesen fiktiven Account, weil er uns direkt und ungefiltert diejenigen Posts und Stories aus der rechten Szene zeigte, die uns bei der Beantwortung der Recherchefragen halfen. Wir simulierten auf diese Weise, wie sich Algorithmus und Timeline entwickeln, nachdem ein Account gänzlich neu aufgesetzt wurde.

Selten und in unregelmäßigen Abständen veröffentlichten wir eigene Bilder, um glaubwürdiger zu erscheinen. Während der Recherche entschieden sich einige der Accounts, die wir unter die Lupe nahmen, unserem Account zu folgen – wir hatten eine legitime Figur in der rechten Instagram-Welt etabliert.

Auf diese Weise bekamen wir auch Einsicht in die Welt der privaten Accounts, die unsere Folgen-Anfrage bestätigt hatten. Wir erhielten Zugang zu 220 privaten Accounts, die in den Posts und Stories teilweise offensiver ihre rechtsextremen Überzeugungen vermitteln wollten. Als investigative Journalistinnen entschieden wir uns dazu, diese Inhalte zu verwenden, allerdings machten wir Einzelpersonen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, unkenntlich.

Nach dem Aufsetzen unseres fiktiven Accounts konnte die Recherche beginnen. Um eine Stichprobe zu erhalten, nutzen wir eine abgewandelte Form des “Exponential Discriminative Snowball Sampling”. Bei dieser Technik werden die Accounts der Stichprobe nach der Erhebung weiter gefiltert.

Damit ist gemeint, dass jedes Subjekt (in unserem Fall ein Instagram-Account) mehrere Referenzpunkte aufweist (die Accounts, denen der Ursprungs-Account folgt). Anders gesagt: Es braucht eine primäre Datenquelle, um auf andere Datenquellen zu stoßen. Sampling mithilfe der Schneeballmethode basiert in erster Linie auf Verweisen oder Referenzen.

Wie ein Schneeball kann diese Stichprobe theoretisch endlos anwachsen, in der Praxis entscheiden sich Forscherinnen meistens dazu, bei einem ausreichend großen Datensatz aufzuhören. Ähnlich war es auch bei unserer Recherche. Zudem griffen wir in das Sampling ein, weil wir diejenigen Accounts, die mit der rechten Szene nichts zu tun haben (beispielsweise Accounts von Fashion-Influencerinnen, Fußballvereinen oder Musikern) aus der Stichprobe entfernten.

Ausgesuchte Accounts der Neuen Rechten als Startpunkt der Recherche

Damit wir diese Sampling-Technik anwenden konnten, brauchten wir Subjekte – anders gesagt: Instagram-Accounts von rechten bis rechtsextremen Akteuren, die für uns als Startpunkte dienten.

Da wir uns als Ziel gesetzt hatten, die deutschsprachige rechte Szene zu untersuchen und die Verbindungen bis in die Parteipolitik zu verstehen, starteten wir mit dem parlamentarischen Arm dieser Bewegung: der Partei Alternative für Deutschland. Wir wollten herausfinden, wie die AfD Instagram nutzt, um Likes, Unterstützung und Stimmen von jungen Menschen zu bekommen.

Da Mandatsträgerinnen dieser Partei, egal ob im Europaparlament, im Bundestag, auf Landes- oder Kreisebene, durch Gelder der öffentlichen Hand finanziert werden, fanden wir es legitim, ihre Instagram-Accounts in unsere Recherche aufzunehmen. Gewählte Politiker innerhalb der rechten Szene zu verorten und ihre Aktivitäten darin untersuchen, ist nach unserer Ansicht gesellschaftlich relevant. Die Partei selbst bestreitet eine Nähe zur rechten Szene, Verbindungen zu bestimmten Vereinigungen führen sogar zu Ausschluss-Verfahren innerhalb der Partei.  

Neben persönlichen Instagram-Profilen sammelten wir die Accounts von AfD-Fraktionen, Landes- und Ortsverbänden. Die Accounts der Jugendorganisation der Partei, der Jungen Alternative (JA), und deren relevanter Vertreterinnen wurden ebenfalls gelistet.

Auch AfD-Politiker wie Alice Weidel, Björn Höcke und Tino Chrupalla nutzen Instagram. Hier sehen wir Fotos aus ihrem Privatleben.

Wir ergänzten weiterhin bekannte Mitglieder der sogenannten „Identitären Bewegung”. Mehrere dieser Instagram-Accounts wurden in der Vergangenheit schon gesperrt. Einzelne Accounts waren davon allerdings nicht betroffen. Von ihnen konnten wir zum Teil noch Daten erheben, bevor sie gesperrt wurden – zum Beispiel von Martin Sellner aus Österreich, dessen Profile bereits mehrfach von Instagram gelöscht wurden. 

Auch die Accounts von rechten bis rechtsextremen Musikern, Kampfsportgruppen und Modelabels fanden auf diese Weise Eingang in unsere Stichprobe. Zudem nahmen wir die Accounts von einflussreichen Bloggerinnen, Autoren, YouTuberinnen und Medienorganisationen aus diesem politischen Spektrum auf.

Parallel dazu führten wir auch eine Liste, die wir als „Kontrollgruppe“ bezeichneten. Diese sollte uns dabei helfen, herauszufinden, welche Hashtags, Emojis und Wörter nicht von der rechten bis rechtsextremen Szene verwendet wurden. Wir wollten diese Elemente aus unserer Betrachtung ausschließen – denn für uns waren in erster Linie Stilmittel relevant, die Rechte und Rechtsextreme bewusst einsetzen. Unsere Kontrollgruppe enthielt 86 Einzelpersonen oder Organisationen, die nichts mit der rechten Szene zu tun haben – prominente Akteure aus den Bereichen Politik, Lifestyle oder Sport in Deutschland.

Bei der Zusammenstellung der Accounts haben wir darauf geachtet, dass die Account-Listen jeweils durch eine weitere Person aus dem Team überprüft wurden.

Das Netzwerk wächst auf Basis von 281 Accounts

Zu Beginn unserer Recherche standen insgesamt 281 Ursprungs-Accounts der rechten Szene, die wir manuell ausgewählt hatten. 80 Prozent dieser Accounts waren dem AfD-Umfeld zuzuordnen, weswegen unsere Stichprobe durchaus „biased“ (verzerrt) erscheint. Dies war uns von Beginn an bewusst – es ist eine journalistische Netzwerkanalyse und keine wissenschaftliche. Es ist deswegen möglich, dass es auf Instagram noch weitere rechtspopulistische bis rechtsextreme Communities gibt, die wir aber nicht untersuchten konnten.

Wir sammelten die Selbstbeschreibungen dieser Accounts, Medien mit Beschreibung und Kommentare von ihrer Timeline und die Accounts, denen sie folgten. Auf diese Weise wuchs unser Netzwerk schnell auf über 58.800 Accounts an – das bedeutet, dass jeder der Ursprungs-Accounts im Durchschnitt 209 weiteren Accounts folgt. Für unsere Recherche war die Datenmenge aber viel zu groß, weswegen wir im nächsten Schritt das erste Mal dafür sorgten, dass Accounts ausgesiebt wurden.

Im ersten Schritt untersuchten wir nur diejenigen Accounts, die von mindestens drei Ursprungs-Accounts gefolgt werden.

Mit dem Ziel, nur noch relevante Accounts in das Netzwerk zu übernehmen, entwarfen wir eine Regel: Das Netzwerk sollte nur noch Accounts umfassen, die von mindestens drei der Ursprungs-Accounts gefolgt werden. Auf diese Weise schrumpfte das Netzwerk auf 4.532 Accounts.

Wir wollten aber auch Accounts in die Recherche einbeziehen, die für das Umfeld der 281 Ursprungs-Accounts wichtig sind. Um hier relevante Accounts zu finden, vergaben wir bestimmte Punktwerte. Nur diejenigen Accounts, die einen Wert von 2,5 oder mehr erreichten, wurden weiter untersucht. So berechneten wir für jeden Account im Umfeld unserer 281 Ursprungs-Accounts einen Wert nach dem folgenden Muster:

  • Faktor 1 für die Anzahl an eingehenden Verbindungen von Ursprungs-Accounts
  • Faktor 0,1 für die Anzahl an eingehenden Verbindungen von Accounts, die von mindestens drei Ursprungs-Accounts gefolgt werden
  • Faktor 0,01 für die Anzahl an Accounts, die dem Account folgen und von mindestens einem Ursprungs-Account gefolgt werden
Diese Grafik zeigt, dass unser Netzwerk immer größer und komplexer wurde.

Damit ein Account in unserem Netzwerk verbleiben konnte, musste der Wert 2,5 erreicht werden. Dadurch wuchs die Anzahl auf 10.805 Accounts an, von denen etwas weniger als ein Drittel private Accounts ohne öffentlich einsehbare Informationen waren. 

Das bedeutete für uns: Das Netzwerk war zunächst kleiner geworden, dann jedoch wieder angewachsen. Es war aber immer noch zu groß, wir mussten es in einem nächsten Arbeitsschritt wieder verkleinern. Mit der Kennzahl 2,5 landeten auch irrelevante Accounts in unserer Stichprobe, weil die Vertreterinnen aus der rechten Szene beispielsweise auch Mainstream-Influencer folgen. Deren Accounts konnten die Hürde von 2,5 überwinden, für unsere Recherche waren sie allerdings nicht relevant

Manuelles Einordnen der Accounts

Die Einteilung der Accounts in „relevant für die Recherche“ und „nicht relevant“ mussten wir  als Journalistinnen und Journalisten persönlich vornehmen. Dafür nutzten wir ein eigens angefertigtes Interface, in dem wir die Accounts mitsamt Namen, Selbstbeschreibung und Profilbild nacheinander durchgehen und Kategorien zuordnen konnten.

So sah das Interface aus, in dem wir die einzelnen Accounts kategorisierten – hier mit dem Instagram-Profil des Satirikers Jan Böhmermann. © Clemens Kommerell für CORRECTIV

Durch jeden Account, den wir kategorisierten, veränderte sich das Netzwerk. Stuften wir einen Account als nicht relevant ein, rechnete das Netzwerk dessen Verbindungen automatisch heraus. Dadurch verringerte sich die Anzahl der Accounts erneut, dieses Mal auf etwa 8.000. 

Die Zuordnung der Accounts in Kategorien half uns, das Netzwerk genauer zu charakterisieren. Kategorien waren zum Beispiel „AfD Umfeld“ oder „Burschenschaften und Damenverbindungen“. Diese hatten wir vorher in einer Testrunde im Team entwickelt, in der wir 150 Accounts einkategorisierten. Hier beschäftigten wir uns mit unterschiedlichsten Accounts, aus denen wir die Kategorien entwickelten und sie, wenn nötig, später noch anpassten. 

Dadurch wollten wir sicherstellen, dass wir möglichst zielgenau und verlässlich kategorisieren konnten. Wir wollten so die Fehlerquote reduzieren.

Über einen Zeitraum von etwa fünf Wochen kategorisierte unser Team 6.616 Accounts

Etwas mehr als 2.000 Accounts wurden als nicht relevant gekennzeichnet oder in die Kontrollgruppe übernommen.

Am Ende des Prozesses blickten wir auf ein Netzwerk aus 4.501 relevanten Accounts

Mithilfe des „Modularity Class Community Detection Algorithm“ der Open-Source-Software Gephi konnten wir dem Netzwerk eine visuelle Form geben. Die Verbindungsdaten halfen uns dabei, Ausschnitte des Netzwerks und einzelne Verbindungen zwischen interessanten Accounts zu untersuchen. So konnten wir Verbindungsknoten zwischen verschiedenen Gruppen identifizieren.

So sieht das Netzwerk der 4501 Accounts der rechten Szene auf Instagram aus. © Clemens Kommerell für CORRECTIV, powered by „Modularity Class Community Detection Algorithm" (Gephi) und „Force-Atlas-2-Layout Algorithm"
Die Grafik zeigt das Netzwerk in einer vereinfachten Form. Jeder Knoten entspricht einer der elf Kategorien – je mehr Accounts in einer Kategorie, desto größer der Knoten. Bestehen viele Verbindungen zwischen zwei Gruppen, wird die verbindende Linie dicker. Eine dicke Linie steht also für viele ausgehende Verbindungen zu einer anderen Kategorie, sie zeigt daher das Interesse an anderen Kategorien. Die Farbe der Linie entspricht dem Ursprung des Interesses. © Clemens Kommerell für CORRECTIV
Text Data Mining: Hashtags, Emojis und Co.

Die Verbindungen innerhalb des Netzwerks sind bereits ein zentrales Ergebnis der Recherche. Aber die Daten erzählen noch viel mehr: wie die Accounts kommunizieren und agieren, mit welchen Hashtags und Themen um die Unterstützung von (neuen) Mitgliedern der Szene geworben wird.

Wir untersuchten dafür Textformate auf Instagram (etwa in den Selbstbeschreibungen der Accounts oder den Bildbeschreibungen) näher. Auf diese Weise wollten wir zum Beispiel herausfinden, welche Hashtags Rechte und Rechtsextreme verwenden, um zu interagieren und Debatten voranzutreiben. Wir wollten ebenfalls wissen, welche Wörter und Emojis sie nutzen, um Gruppenzugehörigkeit zu symbolisieren. 

Zu diesem Zweck wandelten wir den Text in den Selbst- und Bildbeschreibungen in Wortlisten, Hashtags und Emojis um. Dafür zogen wir den „CISTEM-Stemmer” heran. Im Anschluss maßen wir die Wichtigkeit der einzelnen Elemente. Die Wichtigkeit ergab sich aus einer Kombination daraus, wie häufig die einzelnen Nutzer und wie häufig alle Nutzer das jeweilige Element verwendeten. Dabei half uns das Tf-idf-Maß. Auf diese Weise konnten wir beispielsweise sicherstellen, dass Wörter mit geringer Wichtigkeit, die von allen Nutzern verwendet werden, zwar häufig auftauchen – diejenigen Wörter aber, die die einzelnen Gruppen voneinander unterscheiden, werden ebenso deutlich.

Zudem wird untersucht, welche Begriffe für eine bestimmte Gruppe besonders charakteristisch in Abgrenzung zu anderen Gruppen sind. Jeweils die 1000 häufigsten Hashtags, Wörter und Emojis wurden hier herangezogen, um die einzelnen rechten bis rechtsextremen Gruppen zu kontrastieren. Diese hatten wir vorher normalisiert, indem wir Hashtags, Wörter und Emojis, die von Accounts in der Kontrollgruppe verwendet wurden, aus der Liste entfernt hatten.

Die wichtigsten Hashtags der rechten Szene auf Instagram, dargestellt in einer Wordcloud. © Celsa Diaz Tejada für CORRECTIV
© Celsa Diaz für CORRECTIV

Alle Inhalte unserer Veröffentlichung werden sich auf die Stichprobe dieser 4.501 Accounts beziehen. Sie zeigt einen Ausschnitt der Realität: Einen relevanten Teil des Netzwerks der rechten Szene auf Instagram über einen bestimmten Zeitraum im Sommer 2020. Das Netzwerk und die Daten erzählen viele Geschichten.

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Veröffentlicht am 07. Oktober 2020

Recherche & Texte: Alice Echtermann, Arne Steinberg, Celsa DiazClemens Kommerell, Till Eckert
Datenwissenschaft: Celsa Diaz, Clemens Kommerell
Redaktion: Olaya Argüeso, Justus von Daniels
Design: Benjamin Schubert, Belén Ríos Falcón
Projektmanagement: Marius Wolf
Mitarbeit: Frederik Richter, Jonathan Sachse, Miriam Lenz, Carol Schaeffer, Melina Hemmer
Kommunikation: Katharina Späth, Luise Lange, Bao-My Nguyen, Valentin Zick