Wenn Deutsche und Türkischstämmige untereinander heiraten, ist das ein Indikator für das Zusammenwachsen der Kulturen. Die kulturellen Unterschiede erzeugen aber auch Spannungen, die sich nicht immer überwinden lassen. Das zeigt bei binationalen Ehen vor allem eines: die hohe Scheidungsrate. – Folge (19/20) unserer Webserie „Auf eine Shisha mit...“ zum Thema Hochzeit.

Unterschiede zwischen verschiedenen Nationen und Kulturen werden fast nirgendwo so deutlich wie bei Hochzeiten. In dem Fest drücken sich Heimatgefühl, Religion und die regionalen Bräuche eines Landes aus.

Für unsere Webserie „Auf eine Shisha mit...“ haben wir Dilara und Berat Özkaynak getroffen. Dilara konvertierte vor einiger Zeit zum Islam und hieß vorher Theresa. Wir wollten von beiden erfahren, wie sie sich ihre bevorstehenden Hochzeitsfeier vorstellen, wie die Rollenverteilung sein soll und wie die Kinder groß werden sollen. 

Am Tag einer türkischen Hochzeit etwa bindet der Bruder oder der Vater der Braut eine rote Schleife um. Diese Schleife steht für die Reinheit und die Jungfräulichkeit der Braut. Diese und andere Gepflogenheiten zeigen die Unterschiede, aber auch ein paar Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen auf. Der Brauch der roten Schleife, auch wenn er für viele Deutsche befremdlich sein mag, ist von Symbolen in der christlichen Kultur nicht so weit entfernt. Bei christlichen Hochzeiten ist es meist der Vater der Braut, der sie zum Altar führt und den Schleier öffnet. Die Braut galt bis zu diesem Augenblick als unberührt, das weiße Kleid steht für Reinheit. Weit auseinander gehen hingegen die Vorstellungen von den Kosten einer Heirat.

Geld spielt (k)eine Rolle

Der Großteil der Deutschen – laut einer Umfrage der CreditPlus Bank über 60 Prozent – will für seine Hochzeit maximal 5000 Euro ausgeben. Für Türken undenkbar: Gut 20.000 Euro werden in der Türkei im Schnitt für ein Fest mit 300 bis 350 Gästen investiert, schätzt der Wirtschaftsexperte Dr. Ahmet Refii Dener. Laut einer aktuellen Umfrage der CreditPlus Bank würden sich jedoch lediglich 9 Prozent der Deutschen ihre Hochzeit mehr als 20.000 Euro kosten lassen.

Türkische Hochzeiten sind auch in Deutschland ein gutes Geschäft. Alleine in Nordrhein-Westfalen richten sich über 40 Hochzeitssäle besonders an die türkischstämmige Community. In Duisburg-Marxloh gibt es mit der Weserstraße eine bekannte Brautmeile, die türkischstämmige Kunden aus ganz Europa anlockt. An zahlreiche Brautmodengeschäften reihen sich die Juweliere.

In der Regel zahlt bei türkischen Ehen die Familie der Braut die Verlobungsfeier und die des Bräutigams die Hochzeitsfeier. Für das Brautpaar und seine Familien ist das „Taki” besonders wichtig. Taki bedeutet so viel wie „dranhängen, anhängen”. Es ist der Teil der Hochzeit, an dem die Geschenke für das Paar entgegen genommen werden. Besonders Geld und Gold sind beliebt. Die Formel ist einfach: Je mehr Gäste, desto mehr Geschenke. Es ist ein Weg, um die Kosten der Hochzeit zu kompensieren.

Binationale Ehen werden immer beliebter

In jeder Kultur ist die Ehe neben der Elternschaft das wichtigste gesellschaftliche Band zwischen Mann und Frau. Entsprechend bedeutend ist die Rolle, die Ehen im Zusammenleben verschiedener Kulturen spielen können - auch wenn sie nicht immer perfekt funktionieren.

Im Jahr 2015 gab es in Deutschland 45.915 binationale Trauungen. Dies entspricht einem Anteil von 11,5 Prozent aller geschlossenen Ehen. Die Zahl wächst seit Jahrzehnten, 1960 lag der Anteil noch bei 3,7 Prozent. Am häufigsten sind dabei Eheschließungen mit einem türkischen Partner. Fast jede fünfte deutsche Frau (19 Prozent) in einer binationalen Ehe entscheidet sich für einen Partner aus der Türkei, bei den Männern sind es noch 14 Prozent.

Kulturelle und religiöse Unterschiede zwischen den Ehepartnern und ihren Familien führen allerdings auch zu einem um 64 Prozent höheren Scheidungsrisiko. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher vom Rostocker Zentrum zur Erforschung des demografischen Wandels und von der University of Liverpool, die 5648 Ehen in Deutschland untersucht haben.

Hiltrud Stöcker-Zafari vom Verband binationaler Familien sieht in dem Konfliktpotential auch eine Chance: „Schafft man es, über seinen eigenen Tellerrand zu schauen und sich auf bislang Fremdes einzulassen, kann so viel Verbundenheit und gemeinsames Neues entstehen.” Andersartigkeit, andere Sitten oder Rituale würden immer öfter als bedrohlich dargestellt. Binationale Ehen könnten dem entgegenwirken. “So erhält jeder einen Platz, und Herausforderungen können leichter und nachhaltig gemeistert werden“.

Kulturelle Unterschiede, verschiedene Religionszugehörigkeiten, ein anderes Rollenverständnis – all das macht eine Ehe zu einer Herausforderung, bietet aber gleichzeitig ein enormes Potential für die Integration und Völkerverständigung.


Zum Download:

In unseren Handouts findest Du unsere Quellen, weitere Informationen und einen Leitfaden, mit dem Du auch einen Workshop zu dem Thema durchführen kannst. 

Ehre (315,6 KB)


Unser Workshopvideo 

In unserem Workshop haben wir das Thema Hochzeit zum Anlass genommen, um über Fake-News zu diskutieren. Daraus ist dieses Video entstanden: