In der Schule werden Grundlagen für die Zukunft gelegt und Werte vermittelt. Viele türkische Migrantenkinder verspüren aber oft bereits hier eine Ungleichbehandlung durch Lehrer und Mitschüler. Wie begegnet man diesem Problem? – Folge (16/20) unserer Webserie „Auf eine Shisha mit“ zum Thema Schule.

Die Einschulung ist für die meisten Kinder, ebenso wie für ihre Eltern, etwas Besonderes. Eine prall gefüllte Schultüte, viele neue Freunde und Wissensdurst sind beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in die Schulzeit. Ein Problem, das sich Migrantenkindern stellt: Schon bevor es losgeht, haben sie bei elementaren Fähigkeiten wie etwa der deutschen Sprache Defizite. Von Tag eins ihrer Schulzeit an müssen also viele schon aufholen.

Für unsere Webserie „Auf eine Shisha mit...“ haben wir Erdem Yildirmak in Bottrop getroffen und über seine Schulzeit geredet. Yildirmak besuchte als einer der wenigen aus seinem Stadtteil das Gymnasium. Er findet, die handwerklichen Berufe gehen dabei unter.

Die Eltern allein können ihnen bei der Aufholjagd oft kaum helfen. Viele türkische Eltern fühlen sich bei der Betreuung und Erziehung der Kinder überfordert. 59 Prozent wünschen sich laut einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach eine stärkere Unterstützung vom Staat. Weiterhin kritisieren 54 Prozent die mangelnde Förderung der Kinder durch die Lehrer. Diese dürfte an manchen Schulen von einem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund erschwert werden.

An jeder dritten Grundschule in Nordrhein-Westfalen (NRW) liegt der Anteil an Migranten nach Angaben der Landesregierung bei über 50 Prozent, sodass eine individuelle Betreuung nur schwer möglich ist. “Schulen sind neben dem Arbeitsplatz die Integrationsorte Nummer eins”, stellt NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer fest. “Die in den letzten Jahren sehr stark gestiegenen Zuwanderungszahlen sind eine Herausforderung für die Schulen, genauso wie für die Gesellschaft insgesamt.”

Doch nicht nur die fehlende Förderung wird den Lehrern vorgeworfen. So unterstellen 63 Prozent der türkischen Befragten den Lehrkräften Vorurteile gegenüber Zuwandererkindern.

Welche Art der Benotung ist fair?

Darüber, wie Lehrer auf die Startschwierigkeiten ihrer Kinder reagieren sollten, sind die türkischstämmigen Eltern gespaltener Meinung: 47 Prozent von ihnen wünschen sich eine konsequente Benotung der Leistungen ihrer Kinder, während 44 Prozent eine nachsichtige Benotung fordern. Die Hälfte der Eltern vermutet zudem, dass Zuwandererkinder bei gleicher Leistung sogar schlechter als deutsche Kinder beurteilt werden.

Für ein schlechteres Abschneiden könnten die Eltern allerdings mitverantwortlich sein, meint Caner Aver vom Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZFTI): “Das deutsche Bildungssystem fordert ein hohes Maß an Elternengagement, und ein Ausbleiben dieses Engagements spiegelt sich in den Empfehlungen und Noten wider”. Von Bildungspolitikern und Schulen fordert er, die interkulturelle Kompetenz der Lehrer stärker zu fördern, um auf die Bedürfnisse der Schüler eingehen zu können.

Nicht zuletzt die internationalen PISA-Studien belegen, dass es aber auch tatsächlich einen Leistungsunterschied zwischen Migrantenkindern und den restlichen Schülern in Deutschland gibt. Dieser ist hier sogar größer als in anderen wohlhabenden Ländern. Wenn man nach den Ursachen hierfür sucht, lässt sich ein Zusammenhang zwischen Leistungen und dem Bildungsniveau der Eltern feststellen. Ein niedriger Bildungsstand in der Familie und einfache soziale Verhältnisse haben meist schwache Leistungen des Kindes zur Folge. Zwar wird den Kindern mit 64 Prozent überdurchschnittlich oft bei den Hausaufgaben geholfen, jedoch fällt dies nur 43 Prozent der Eltern leicht. Ein Faktor könnten hier wieder die deutschen Sprachkenntnisse sein.

Eine fehlende oder nur geringe Unterstützung in der Schule führt häufig zu einem frühzeitigen Abbruch der Schullaufbahn. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab, dass das Risiko eines Schulabbruchs bei Schülern mit Migrationshintergrund doppelt so hoch ist wie bei den deutschen Mitschülern. So haben 33,2 Prozent der türkischstämmigen Bevölkerung keinen allgemeinen Schulabschluss (Statistisches Bundesamt, Stand 2016). Gerade bei ihnen könnten unterstützende Maßnahmen der Schule die berufliche Perspektive verbessern.

Mentoring-Programme erleichtern den Zugang in die Berufswelt

Spezielle Kooperationsprogramme in den Schulen sollen den Schülern helfen, Ängsten vor künftigen Arbeitgebern entgegenzuwirken. Auf der anderen Seite können sich die Unternehmer ein Bild von ihren potenziellen künftigen Mitarbeitern machen. Das soll auch der Befürchtung vorbeugen, die eigene Belegschaft könnte Auszubildende mit Migrationshintergrund weniger akzeptieren. Neben dem klassischen Praktikum werden Mentoring-Programme immer beliebter, bei denen den Schülern für die berufliche Orientierung berufserfahrene Erwachsene zur Seite gestellt werden. Diese Mentoren begleiten die Schüler beim Übergang in die Ausbildung und unterstützen sie bei der Suche nach dem passenden Beruf.

Die Schulen stellen die Grundlage für die Förderung der Chancengleichheit und der Aufstiegschancen dar. Sie können durch Maßnahmen wie zusätzlichen Deutschunterricht, kleinere Klassen und den Einsatz von Lehrern mit Migrationshintergrund gezielt auf die Bedürfnisse der Migranten eingehen. Aber auch die Unterstützung durch die Familie trägt letztlich viel zum Erfolg des Kindes bei.


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