Euros für Ärzte

Erstaunliche Unterschiede

Welche Ärzte und Apotheker haben Zahlungen von Pharmakonzernen erhalten? Bei GlaxoSmithKline stimmten mehr als 90 Prozent der Namensnennung zu, bei Sanofi nur 16 Prozent. Warum? Ein Erklärungsversuch.

von Heike Le Ker , Markus Grill

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Die Initiative von 54 Pharmaunternehmen in Deutschland, ihre Zahlungen an Ärzte und Institutionen offenzulegen, soll mehr Transparenz schaffen. An wen die Gelder fließen, wird aber nur dann namentlich bekannt gegeben, wenn die Mediziner mit der Veröffentlichung einverstanden sind. Insgesamt waren das von den rund 71.000 Ärzten und Fachkreisangehörigen (z.B. Apotheker oder Krankenkassenmitarbeiter) nur 28 Prozent, also rund 20.000. Ob auch Dein Arzt sich bereit erklärt hat, kannst Du hier herausfinden.

Warum haben sich so viele dagegen entschieden, ihre Verbindungen offenzulegen? Fürchten sie trotz reinen Gewissens Korruptionsvorwürfe? Haben sie tatsächlich etwas zu verbergen? Oder nehmen es einige der zahlenden Pharmaunternehmen vielleicht nicht ganz so ernst mit der Transparenzoffensive und kommunizieren daher nur halbherzig?

„Wir können die gewünschten Informationen nicht zur Verfügung stellen“

Letzteres lassen zumindest die Zahlen der Einwilligungsquoten bei den unterschiedlichen Konzernen vermuten: Während beim Spitzenreiter, GlaxoSmithKline (GSK), 91,5 Prozent der bezahlten Ärzte und Fachkreisangehörigen zustimmten, dass ihr Name genannt wurde, waren es beim Schlusslicht, Genzyme, nur 15,6 Prozent. 

Der Veröffentlichungsanteil der Pharma-Unternehmen 

Veröffentlichungsanteil Pharmafirmen 2015
Veröffentlichungsanteil Pharmafirmen 2015

Auf Nachfragen bei den drei Unternehmen mit den meisten Einwilligungen und den drei Firmen mit den kleinsten Quoten, antworteten die drei Schlusslichter zurückhaltend.

Bei Eisai sah man sich außerstande, innerhalb von 24 Stunden Details zur Abfrage und zu den Kommunikationswegen zu benennen. „Wir können die gewünschten Informationen aufgrund der Kurzfristigkeit Ihrer Anfrage leider nicht zur Verfügung stellen“, heißt es in einer E-Mail an „Spiegel Online“.

Die Pressestelle von Sanofi-Aventis Deutschland antwortet sowohl für das Tochterunternehmen Genzyme als auch für Sanofi. Auf konkrete Fragen will der Konzern nicht eingehen und verweist auf einen im Internet einsehbaren Methodenteil. Demzufolge hat Sanofi in der ersten Hälfte des Jahres 2016 schriftliche Einwilligungserklärungen erbeten. Wurden diese nicht erteilt, erschienen die gezahlten Beträge in der zusammengefassten Offenlegung ohne Namensnennung.

„Um Zustimmung geworben“

Hat man es sich bei den drei Konzernen zu leicht gemacht? Natürlich betonen alle 54 am Transparenzkodex teilnehmenden Firmen, wie wichtig die Initiative sei. Intensives Engagement für mehr Transparenz, ist aber nicht überall erkennbar.

Beim Impfstoffhersteller Sanofi Pasteur MSD hat man sich offenbar mehr um Zustimmung bemüht. Gab es nach einer Anfrage keine Rückmeldung, wurde der betreffende Arzt, Apotheker oder Krankenkassenmitarbeiter erneut kontaktiert, erklärt Pressesprecherin Michaela Dowratzek, „und zugleich für die Zustimmung zur Veröffentlichung geworben“. Bei neuen Vertragspartnern werde zu Beginn der Zusammenarbeit darum gebeten, der Veröffentlichung der individuellen Zahlungen zuzustimmen.

Kein Pharmaunternehmen hat so viele Ärzte überzeugt, dass ihr Name veröffentlicht werden darf, wie GlaxoSmithKline (GSK). Der britische Pharmakonzern hat von 91 Prozent seiner Ärzte die Einwilligung erhalten – und er macht klar, dass er dies noch steigern kann. Für GSK-Sprecher Markus Hardenbicker kann das fehlende Einverständnis künftig sogar ein Grund sein, die Zusammenarbeit mit dem ein oder anderen Mediziner zu beenden. „Unsere Auswahl der Ärzte hängt auch davon ab, ob diese Ärzte einer Veröffentlichung zustimmen“, sagt Hardenbicker auf Anfrage von CORRECTIV, „und ich bin mir sicher, dass wir immer Ärzte finden, die diese Transparenz unterstützen.“ 

Fliegen Ärzte, die nicht einwilligen, raus?

GSK bezahle seit Anfang des Jahres 2016 auch keine Ärzte mehr dafür, dass sie „in unserem Auftrag über unsere Medikamente sprechen“, versichert Hardenbicker. Wenn Glaxo noch Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte sponsert, dann nur zusammen mit anderen Firmen und ohne Einflussnahmen auf Referenten und Agenda, wie der Sprecher betont. „Wir wollen damit jeden Verdacht einer unlauteren Einflussnahme von Anfang an ausschließen“, sagt Hardenbicker. Dies sei ein Kulturwandel bei GSK, der ganz oben initiiert wurden und weltweit gilt. GSK-Chef Andrew Wity wolle damit seit 2013 einen Denkwandel anregen. „Wir wollen der Öffentlichkeit zeigen, dass wir nichts zu verbergen haben.“

Das Unternehmen ist – wie die anderen Arzneimittelhersteller und viele Mediziner auch – überzeugt davon, dass Leistungen an Ärzte notwendig sind für Wissensaustausch, Forschung und bessere Therapien. Erst die Offenlegung der Zahlungen könne aber Verständnis dafür schaffen, so die Haltung. Welche Ärzte GSK für Studien und Anwendungsbeobachtungen bezahle, wolle aber auch GSK nicht verraten, sagt Hardenbicker. „Wir halten uns da an die Vorgaben des Pharmaverbands.“ Anwendungsbeobachtungen spielten bei GSK aber sowieso keine große Rolle mehr, behauptet Hardenbicker. „Im vergangenen Jahr haben wir nur zwei nicht-interventionelle Studien in Deutschland gemacht.“

Die Spannbreite dessen, was Pharmafirmen, Ärzte und medizinische Einrichtungen unter Transparenz verstehen, ist offenbar groß. Ebenso unterschiedlich ist die Vorstellung davon, wie mehr Offenheit erreicht werden kann.

Einige der über 20.000 Mediziner und Fachkreisangehörigen, die der Namensnennung zugestimmt haben, fühlen sich nun an den Pranger gestellt. Dabei haben sie mit ihrer Zustimmung den ersten und vielleicht wichtigsten Schritt für mehr Transparenz getan. Je mehr Ärzte und Apotheker dem auch in Zukunft zustimmen, desto deutlicher werden die alltäglichen Verbindungen zwischen Pharmaindustrie und Medizinern werden.

Hier kannst Du nachschauen, ob auch Dein Arzt im vergangenen Jahr Geld von der Pharmaindustrie erhalten hat.

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