Der Wasserstoff-Bluff
Dem angeblich „vollständig wasserstofffähigen“ Erdgaskraftwerk in Leipzig fehlen noch Bauteile – und getestet wurde es noch nie. Die Bundesregierung gibt zudem Fördergelder für bundesweite Wasserstoff-Projekte ohne konkrete Umstiegsfrist frei. Energieökonomin Kemfert bezeichnet Wasserstoffversprechen der Energieindustrie als „Greenwashing“.
Wer auf das Gelände des Heizkraftwerks Leipzig Süd einbiegt, kommt an einem meterhohen Plakat vorbei. Es bewirbt die Anlage als „das erste vollständig wasserstofffähige Kraftwerk“. Im Oktober 2023 eröffneten die Stadtwerke Leipzig das Kraftwerk unter strahlend blauem Himmel. Sie rühmen sich als Vorreiter in der Energiewende, gegenüber der Deutschen Presseagentur behaupten sie, dass 2025 grüner Wasserstoff „in den erforderlichen Mengen und zu bezahlbaren Preisen“ verfügbar sein werde. Spätestens dann soll das Kraftwerk erstmals neben Erdgas auch zu 30 Prozent Wasserstoff verbrennen und eine neue Ära einleiten. Im Trubel zwischen Hüpfburg und Bierbänken feiert eine Staatssekretärin des FDP-geführten Forschungsministeriums die „Wasserstoff-Republik“.
Dutzende Medien greifen die Jubelarien auf, auch CORRECTIV berichtete im täglichen Newsletter. Schließlich soll Wasserstoff die Zukunft sein, oder wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagt: „Alle warten auf den Wasserstoffmarkt“. Der Grüne bezeichnet das Gas als Schlüsseltechnologie für die Energiewende und reist um die Welt, um H2, also Wasserstoff, für deutsche Kraftwerke beispielsweise in Algerien zu organisieren.
Einen kleinen Haken gibt es allerdings: In Leipzig wurde noch gar nicht getestet, ob das Kraftwerk die als sicher versprochene Wasserstoff-Leistung erbringen kann. Und es ist anders als behauptet noch nicht „wasserstofffähig“. An diesem konkreten Fall zeigt sich: Die Wasserstoff-Republik ist bislang noch ein Wunschtraum. Das Gas wird als künftiges Allheilmittel gehandelt – weil die Erdgasindustrie weiter Geschäfte machen will und Kommunen Klimaziele erreichen wollen, ohne Energie einsparen zu müssen. Ob und wann Wasserstoff jedoch verfügbar, bezahlbar und transportierbar sein wird, weiß niemand. Es ist so, als würden wir heute für die Verkehrswende Schnellstraßen asphaltieren und versprechen, dass sie irgendwann einmal zu Radwegen würden.
Bundesministerium verteilt Milliarden – ohne Vorgabe, wann Unternehmen auf Wasserstoff umsteigen müssen
Der Staat lässt sich wie die Stadtwerke auf eine unsichere Wette ein: Können wir bis 2035 ausreichend grünen Wasserstoff einkaufen und lässt sich dieser wie erhofft in den jetzigen Gaskraftwerken verbrennen, kommen wir unseren Klimazielen zumindest nahe. Klappt das nicht, reißt Deutschland die Klimaziele und hat zusammen mit der Europäischen Union Milliarden Euro verschwendet. Diese Unsicherheit ist auch in den Klauseln der Subventionen zu spüren: Normalerweise müssen Unternehmen Subventionen zurückzahlen, wenn sie Geld erhalten, aber nicht zweckmäßig ausgegeben haben. Wenn etwa die versprochenen Radwege in 15 Jahren immer noch Autostraßen sind. Bei den Geldern für Wasserstoff fehlen allerdings Vorgaben, bis wann die heute geförderten Unternehmen und Stadtwerke mit 100 Prozent Wasserstoff laufen müssen. Das konkrete Datum werde „derzeit noch geprüft“, schreibt das Bundeswirtschaftsministerium auf CORRECTIV-Anfrage.
Dabei gilt für die Klimaziele: Nur eine hundertprozentige Volllast mit Wasserstoff ist zielführend, schließlich strebt Deutschland Null-Emissionen an.
Erst im Februar hatte die Bundesregierung ihre Kraftwerksstrategie verabschiedet, die allen Bürgerinnen und Bürgern auch nach dem Kohleausstieg ausreichend Strom und Wärme zusichern soll. Dafür sollen Kraftwerke „etwa“ ab 2035 Wasserstoff statt wie bisher Kohle oder Gas verbrennen, aber erst 2032 sollen die genauen Termine stehen. Nicht einmal für die Empfänger von Subventionen steht heute fest, bis wann sie ihre Wasserstoff-Ziele erreichen müssen.
Unter Fachleuten im Wirtschaftsministerium gibt es Zweifel, wie sinnvoll die ehrgeizigen Wasserstoff-Pläne sind. Das Ministerium weist zwar den Vorwurf zurück, es gebe einen „Hype“. Die Nutzung von grünem Wasserstoff sei für das Erreichen der Klimaziele sehr wichtig. Bislang ist aber, so sagt ein langjähriger Mitarbeiter des Ministeriums gegenüber CORRECTIV, „H2-ready“ nur ein Label, ein guter Werbeslogan. „Es fehlt noch der Beweis, dass Wasserstoff kein Bluff ist.“ Das Problem: Die H2-Slogans bestimmen die Debatte – und verhindern damit konkret umsetzbare Lösungen wie etwa Geothermie-Anlagen oder Großwärmepumpen für das Heizen in größeren Städten wie Leipzig, wo einzelne Wärmepumpen für Haushalte schlecht nachträglich einzubauen sind.
Stadtwerke Leipzig als Testzentrum für Siemens Energy – gefördert mit Steuergeldern
Das Heizkraftwerk in Leipzig, das in nur knapp drei Jahren hochgezogen wurde, hat zwei Turbinen der Serie SGT 800 von Siemens Energy verbaut. Es verbrennt fossiles Erdgas, und zwar noch für viele Jahre. Niemand weiß, ob und wann das Kraftwerk im Regelbetrieb mit Wasserstoff laufen wird. Siemens Energy räumt auf CORRECTIV-Anfrage ein, dass noch kein Test der beiden Turbinen der Serie SGT 800 unter „Realbedingungen“ hätte stattfinden können. Kein Kraftwerk mit diesen Turbinen hat jemals Wasserstoff verbrannt – weder zu 100 Prozent noch zu geringeren Anteilen wie 30 Prozent.
Der Pressesprecher der Leipziger Stadtwerke, Frank Viereckl, schreibt auf CORRECTIV-Anfrage, dass der Wartungsvertrag mit Siemens Energy auf zwölf Jahre laufe und sich ausschließlich auf den Betrieb mit Erdgas beziehe. Für einen Betrieb mit Wasserstoff müsse noch nachverhandelt werden. Auch die Betriebsgenehmigung für das Kraftwerk, ausgestellt von der Landesdirektion Sachsen, sieht bisher nur den Erdgasbetrieb vor. Weder die Stadtwerke noch die Landesdirektion hätten die nötigen Kenntnisse gehabt, um in kurzer Zeit Unterlagen für eine Wasserstoff-Genehmigung zu erstellen, schreibt Viereckl an CORRECTIV. Die Stadtwerke wollten auch nicht riskieren, die Genehmigung für den Erdgasbetrieb zu verzögern.
Den praktischen Test der Turbinen wollen nun die Stadtwerke Leipzig als kommunales Unternehmen selbst im Jahr 2026 durchführen. Gefördert wird das Projekt mit dem Namen „BURN4H2“ unter anderem vom Bundeswirtschaftsministerium. Vier Jahre, nachdem das angebliche Wasserstoffwerk in Betrieb genommen wurde, wird also erst erprobt, ob das 100-Prozent-Versprechen eingehalten werden kann.
In Leipzig sind die Verbindungen zwischen den Stadtwerken und Siemens eng. Der einstige Projektleiter der Stadtwerke, Thomas Brandenburg, der das Kraftwerk hochgezogen hat, war früher selbst Mitarbeiter bei Siemens Energy. Mittlerweile wurde er zum Geschäftsführer eines Tochterunternehmens der Stadtwerke befördert. Fraglich ist, wie unabhängig der praktische Test ausfallen wird: Immerhin prüft Leipzig genau die Turbine, mit der sie sich seit Monaten rühmt. Grünen Wasserstoff zu produzieren, mit dem das Kraftwerk laufen soll, sei ohnehin noch energieintensiv und teuer, schreiben die Stadtwerke auf ihrer Webseite. Es lohne sich unter anderem erst, wenn sehr viel Wind- und Solarstrom vorhanden sei. Und: „Wann das sein wird, weiß niemand genau“, sagt Thomas Brandenburg in einem Blogbeitrag der Stadtwerke. Den Prognosen nach könne das zwischen 2035 und 2040 sein.
Die Stadtwerke gaben sich kurz vor Veröffentlichung dieses Textes übrigens recht zugeknöpft. CORRECTIV hatte das Heizkraftwerk Leipzig Süd vor Ort besichtigt und drei Mitarbeiter der Stadtwerke Leipzig getroffen. Das Gespräch hat die Reporterin nach Absprache aufgezeichnet und anschließend Sätze daraus für den Artikel an die Pressestelle der Stadtwerke gemailt.
Pressesprecher Frank Viereckl teilte per E-Mail an CORRECTIV mit: „Nach reichlicher Überlegung und rechtlicher Beratung haben wir uns entschlossen, unsere Zitate weder anzupassen noch freizugeben.“ Die zugesandten Zitate ließen „auf eine Berichterstattung schließen, die nur negativ gegen uns gerichtet sein kann.“ Er kritisiert unter anderem, dass Sätze aus einem vorbereiteten Vortrag der Stadtwerke nicht ausgewählt worden seien. Der mehrfachen Bitte, Sätze aus dem Gespräch vor Ort mit CORRECTIV zur Veröffentlichung freizugeben, wenn nötig nach inhaltlicher Anpassung, sind die Stadtwerke nicht nachgekommen.
Heizkraftwerk Leipzig Süd ist nicht wasserstofffähig, sondern „H2-ready“
Siemens Energy nennt das Leipziger Werk mal „wasserstofffähig“, mal „H2-ready“. Dabei ist das ein wichtiger Unterschied: Das Bundeswirtschaftsministerium bezeichnet Anlagen als „H2-ready“, die vor einem Betrieb mit Wasserstoff noch umgerüstet werden müssen. Dagegen muss ein „wasserstofffähiges“ Kraftwerk nicht mehr umgerüstet werden. Auch die Leipziger Stadtwerke nutzen beide Begriffe. Die Unschärfe, die auch in Medienberichten wiederholt wird, nützt vor allem dem Unternehmen selbst.
Der TÜV Süd hat dem Kraftwerk nur das Zertifikat „H2-ready“ ausgestellt – und eine Liste erstellt, was die Stadtwerke vor einem Betrieb mit Wasserstoff noch umbauen müssen. Demnach ist die Anlage in Leipzig noch nicht vollständig wasserstofffähig – obwohl es die Stadtwerke so auf ihrer Plakatwand am Kraftwerksgelände bewerben. Um das Kraftwerk vollständig, also zu 100 Prozent, mit Wasserstoff zu betreiben, müssten in den Turbinen unter anderem alle Brenner ausgetauscht werden, bestätigt Siemens Energy in einer E-Mail an CORRECTIV. Selbst für einen Betrieb mit 30 Prozent Wasserstoff müssten noch Bauteile wie eine Mischanlage eingebaut werden.
Was schon heute komplett wasserstofffähig ist, sind Bauteile wie Schrauben, Dichtungen, Rohrleitungen und Armaturen und Sensoren. Auch eine Wasserstoffleitung ist unterirdisch schon verlegt. Aktuell bleibt sie natürlich leer.
Und auch für den eindrucksvollen Superlativ „das sauberste Kraftwerk der Welt“, wie ihn Pressesprecher Viereckl in Interviews verwendet, fehlen offenbar die Belege. Siemens Energy schreibt auf CORRECTIV-Anfrage, dass der Konzern kein Ranking über seine Projekte führe. Per E-Mail räumt Viereckl ein: „Wir betreiben eines der emissionsärmstem Kraftwerke weltweit – ob es hinsichtlich der Emissionen das sauberste ist, können wir natürlich nicht abschließend feststellen.“
„H2-ready“ bedeutet auch: weitere Jahre mit Erdgas
Leipzig ist nicht das einzige Stadtwerk, das heute Gaskraftwerke anschließt, um darin angeblich bald Wasserstoff zu verbrennen. Auch die Stadtwerke Flensburg und Braunschweig haben eine der ersten Turbinen aus derselben Siemens Energy Serie erhalten. Für die Stadtwerke Flensburg nimmt die „Wasserstofftechnologie für den Umstieg auf erneuerbare Energien eine entscheidende Rolle“ ein. 2028 wollen sie zum ersten Mal grünen Wasserstoff verbrennen. Probleme seien jedoch in den Verteilnetzen zu erwarten. Daher darf „der Anteil von Wasserstoff im Erdgas an keiner Stelle den Wert von zehn Prozent überschreiten.“ Davon profitiert vor allem die Erdgasindustrie – ihr fossiles Gas bleibt weitere Jahre relevant.
Auch der baden-württembergische Energiekonzern ENBW verspricht in Heilbronn ein 100 -prozentiges Wasserstoffkraftwerk – selbst die Kohlegiganten Leag und RWE werben für ihre fossilen Kraftwerke mit angeblich grüner H2-Zukunft. Der Chef der Internationalen Energieagentur, Fatih Birol, sprach kürzlich in einem Interview mit der Zeit von „überzogenen Erwartungen“ an Wasserstoff, nur sieben Prozent der weltweiten grünen Projekte würden bis 2030 am Start sein.
Die Taktik ist alt: Eine neue Technik wird für die Zukunft angekündigt – um eine alte, fossile Energie weiterlaufen zu lassen. Vor 15 Jahren schon versprach beispielsweise RWE, bis 2015 das klimaschädliche CO2 aus seinen Kohlekraftwerken einfangen und unterirdisch lagern zu wollen. Mit dieser Technik „werden wir das Klimaschutzland Nummer eins“, prophezeite damals CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Heute sitzen in NRW noch immer die Kraftwerke mit den höchsten Emissionen Europas.
Die vielen Debatten um Wasserstoff, neue Gaskraftwerke und Stromleitungen verdrängen eine mindestens ebenso wichtige Lösung: Das Energiesparen, wissenschaftlich als Suffizienz bezeichnet. Laut einem Positionspapier rund um die Flensburger Forscherin Frauke Wiese gibt es gerade für Kundinnen von Stadtwerken viele Hebel: Sie können Gas und Öl einsparen, indem sie die Raumtemperatur und den Warmwasserverbrauch senken, intelligente Thermostate anbringen und kontrolliert lüften.
Mittelfristig gehe es neben einer schnelleren Sanierung – also etwa der Dämmung – auch darum, das Wachstum der Wohnfläche pro Kopf zu bremsen. In öffentlichen Gebäude, in Supermärkten und Geschäften schlummern riesige Einsparpotenziale für Strom, Gas und Öl: In Schulen, Büros und Supermärkten laufen Heizung oder Klimatisierungen häufig rund um die Uhr. Nachts können Beleuchtung und digitale Werbung reduziert werden.
Lobbyverband „Zukunft Gas“ bewirbt Gastechnologie bei Stadtwerken und Kommunen
Dabei sind die Stadtwerke Leipzig aufrichtig engagiert in der Energiewende. Sie planen eine Solarthermieanlage, 2019 hat die Stadt den Klimanotstand ausgerufen. Das neue Heizkraftwerk soll Leipzig unabhängiger machen von dem Braunkohlekraftwerk der Leag in Lippendorf, schreiben die Stadtwerke auf ihrer Webseite, und zehntausende Haushalte mit Strom und Wärme versorgen. Dem Klima hilft der Umstieg von Kohle auf Gas nicht unbedingt: Studien zeigen, dass es nur unter bestimmten Umständen klimafreundlicher ist, Erdgas statt Kohle zu nutzen – und wenn, sind die positiven Klimaeffekte oft klein.
Vielleicht sind die Leipziger – wie viele andere Stadtwerke auch – der Goldgräberstimmung erlegen, die gerade Wasserstoff umgibt. Angeheizt wurde der Trend unter anderem von „Zukunft Gas“. Der Lobbyverband der Gasindustrie, in dem Stadtwerke aus ganz Deutschland Mitglied sind, betreibt seit Jahren Kampagnen und organisiert Werbeveranstaltungen für Gaskraftwerke und -heizungen. Sie sollten zunächst die bessere Alternative zu Kohlekraft sein und heute die Übergangslösung zu Wasserstoff. Auch die FDP sorgt in der Koalition immer wieder dafür, zukunftsferne Technologien zu verfolgen, anstatt funktionierende Lösungen zu finanzieren: etwa, indem Wasserstoff für den Autoverkehr gehandelt wird, obwohl er dafür nachweislich zu teuer und zu rar ist. Das Kalkül ist jeweils dasselbe: Das alte Geschäftsmodell zu erhalten.
Auch die Leipziger feiern, dass sie 16 Autos der Stadtreinigung auf Wasserstoff umgestellt haben und so schädliche Emissionen vermeiden. Ob das klappt, ist fraglich: Immerhin wird der Wasserstoff für die Autos extras mit Tank-Trucks angeliefert. Die Wasserstoff-Autos sind außerdem um ein Vielfaches teurer als konventionelle Dieselautos. Damit die Stadtreinigung nicht die Mehrkosten alleine zahlen muss, fördert das Bundesverkehrsministerium die neuen Fahrzeuge mit fast 12 Millionen Euro Steuergeldern. Jenes Ministerium, das gerade zur Wasserstoffaffäre in der Kritik steht. Ein Abteilungsleiter unterstützte Wasserstoffprojekte mit Millionensummen – bei engen persönlichen Verbindungen zu den Begünstigten. Das Ministerium musste die Genehmigungen von Wasserstoff-Förderungen mit sofortiger Wirkung stoppen.
Claudia Kemfert: „Wasserstoff-Kraftwerke sind eine Wette auf die Zukunft“
Für einige Bereiche wird Wasserstoff notwendig sein, um die Emissionen, wie im Pariser Klimavertrag gefordert, bis 2050 auf nahezu Null herunterzuschrauben. Darin sind sich Fachleute einig. Wasserstoff soll vor allem in klimaschädlichen Industrien wie der Zement- und Stahlbranche genutzt werden – und als Notnagel für die wenigen Stunden, in denen Wind- und Solarenergie nicht ausreichen.
Energieökonomin Claudia Kemfert hatte schon vor Jahren den Begriff Wasserstoff als „Champagner unter den Energieträgern“ geprägt. Er sei aufwändig in der Produktion und außerdem sehr teuer. „H2-ready ist nach derzeitigem technischen Kenntnisstand eher eine Wette auf die Zukunft, da derartige Gasturbinenkraftwerke nicht einfach auf Wasserstoff umgestellt werden können“, sagt Kemfert gegenüber CORRECTIV. Die Umstellung bereits bestehender Erdgaskraftwerke müsse erst noch technologisch erforscht werden. Zudem sei Wasserstoff in den nötigen Mengen kaum verfügbar und auch der Transport ist bisher schwierig. „Heute schon fossile Gaskraftwerke als Wasserstoffkraftwerke zu bewerben, muss als Greenwashing eingeordnet werden.“ Kemfert ist auch Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen und sagt: „Es besteht die Gefahr, dass fossiles Erdgas länger genutzt wird.“
Wie aufgeblasen offenbar die deutschen H2-Projekte sind, enthüllt ein Blick auf weltweite Kraftwerke: Denn die Siemensturbinen der Serie SGT 800, die in Leipzig stehen, werden noch in mindestens zehn weiteren Ländern eingesetzt. Dort finden keine Partys für ihre Installierung statt, keine Luftballons steigen in den Himmel. Sie werden meist als das gehandelt, was sie heute noch sind: konventionelle Erdgasturbinen.
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