Das Ziel, etwas im Leben zu erreichen, haben die meisten. Das Problem ist häufig: Nicht nur die persönlichen Fähigkeiten bestimmen die eigene Zukunft. Auch das soziale Umfeld und potentielle Arbeitgeber nehmen Einfluss auf die Chancen. Junge Migranten haben hier mit besonderen Hürden zu kämpfen. – Folge (15/20) unserer Webserie „Auf eine Shisha mit“ zum Thema Aufstiegschancen.

Als in den 1960er-Jahren türkische Gastarbeiter nach Deutschland kamen, wurden diese überwiegend in der Nähe ihrer Betriebe untergebracht. Es entstanden Wohngebiete wie z.B. in Duisburg-Marxloh mit einem hohen Anteil an Migranten. Die Schließung der Zechen und Stahlwerke wenige Jahrzehnte später hatte eine hohe Arbeitslosigkeit in dem Viertel zur Folge. Jeder zweite Migrant ist hier heute arbeitslos.

Für unsere Webserie „Auf eine Shisha mit...“ haben wir Turgay Tahtabas getroffen und über seinen sozialen Aufstieg geredet. Obwohl Tahtabas erst in den 90ern nach Deutschland gekommen ist, schaffte er es sich vom Müllmann zum Unternehmer hochzuarbeiten. Tahtabas leitet ein gemeinnütziges Unternehmen mit dem er sich für sozial schwächere Kinder einsetzt. 

Die Aufstiegschancen eines Menschen werden stark von dem sozialen Umfeld beeinflusst, in dem er aufwächst. So ist sich die Sozialforschung einig, dass Kinder aus Gebieten wie Duisburg-Marxloh seltener eine akademische Ausbildung erhalten werden als Kinder aus Stadtteilen mit einem hohen Einkommensniveau.

Von 100 Kindern in Deutschland, deren Eltern nicht studiert haben, besuchen lediglich 21 eine Hochschule. Das ergab eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey. „Wir müssen vorgezeichnete Biografien durchbrechen und dafür sorgen, dass Kinder vom Rand der Gesellschaft geholt werden und ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln”, schreibt Suat Yilmaz in seinem Buch Die große Aufstiegslüge. „Denn wo soll es herkommen, wenn die Eltern nie einer geregelten Arbeit nachgegangen sind, wenn sie die Sprache und die Kultur unseres Landes nicht kennen?”

Finanzielle Barrieren und fehlende familiäre Vorbilder

Warum beeinflusst das Umfeld die beruflichen Aufstiegschancen so stark? Ein Faktor ist die unterschiedliche Erwartungshaltung an die Kinder. Während 91 Prozent der Eltern aus den oberen Einkommensschichten von ihren Kindern den Abschluss des Abiturs erwarten, sind es bei den Eltern aus unteren Einkommensschichten nur 41 Prozent. Dies geht aus einer Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach hervor.

Selbst wenn Arbeiterkinder Abitur machen, entscheiden sie sich häufig gegen ein Hochschulstudium. Das kann mehrere Gründe haben: Eltern mit einer Berufsausbildung ziehen diese in der Regel auch für ihre Kinder einem Hochschulbesuch vor. Die fehlende Erwartungshaltung, aber auch der Mangel an akademischen Vorbildern in der Familie, hemmen den beruflichen Aufstieg des Kindes.

HInzu kommen finanzielle Hürden. Zwar sind diese mit der Abschaffung der Studiengebühren und mit der staatlichen Ausbildungsfinanzierung gesunken. Besteht aber die Notwendigkeit, einen Kredit aufzunehmen, schreckt das viele Schüler von einem Studium ab.

Trotz dieser Hürden geben 61 Prozent der jungen Migranten dem Allensbach-Institut zufolge an, dass ihnen ein sozialer Aufstieg wichtig ist. 45 Prozent glauben, dass sie diesen tatsächlich schaffen. Demgegenüber wünschen sich 71 Prozent der Eltern einen Aufstieg ihrer Kinder, 55 Prozent trauen ihnen das auch zu.

Gelingt der schulische Aufstieg, stoßen viele Migranten auf die nächste Herausforderung: die Suche nach einem Arbeitsplatz.

Unternehmen entdecken allmählich den Nutzen kultureller Vielfalt

Bewerber mit Migrationshintergrund haben es nachweislich schwerer, zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Die Wahrscheinlichkeit, mit einem türkisch klingenden Namen eine positive Rückmeldung zu erhalten, ist laut Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) um 14 Prozent geringer als mit einem deutschen Namen.

Um die kulturelle Vielfalt im Unternehmen zu nutzen und Diskriminierung vorzubeugen, praktizieren Arbeitgeber in den USA schon seit einiger Diversity Management („Vielfaltsmanagement”). Auch in Deutschland befassen sich Personalabteilungen verstärkt mit diesem Konzept. „Wir haben als Initiative in den vergangenen Jahren viel erreicht: 2600 Unternehmen und Institutionen stehen hinter der Charta der Vielfalt und vertreten über 9,2 Millionen Beschäftigte”, sagt Ana-Cristina Grohnert, Vorstandsvorsitzende der Charta der Vielfalt, einer Unternehmensinitiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen.

Kritiker befürchten hingegen, dass durch eine gezielte Bevorzugung von Migranten oder auch Frauen der Leistungsgedanke in den Hintergrund rücken und den Unternehmen Wettbewerbsnachteile verursachen könnte.

Bessere Chancen haben Bewerber mit Migrationshintergrund häufig in größeren Unternehmen: Hier werden meist standardisierte und objektive Bewertungskriterien auf die Bewerber angewandt, was weniger Raum für Diskriminierung bietet, als die subjektiven Beurteilungen der Personalentscheider kleiner Unternehmen.


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