Eine Unterkunft zu haben, stellt ein Grundbedürfnis des Menschen dar. Wohnraum bietet Sicherheit und Geborgenheit – Elemente, die besonders für jene wichtig sind, die beschlossen haben, ihr Leben in einem fremden Land fortzuführen. Dabei kann gerade für Menschen mit Migrationshintergrund die Wohnungssuche zu einem großen Problem werden. – Folge (08/20) unserer Webserie „Auf eine Shisha mit“ zum Thema Wohnen.

In Großstädten ist der Wohnungsmarkt oft problematisch. Wenig Angebot steht einer hohen Nachfrage gegenüber. Für Menschen mit Migrationshintergrund ist es noch schwerer, eine neue Bleibe zu finden. Sie haben – wie auch in der Schule oder auf dem Arbeitsmarkt – häufig mit Vorurteilen und Diskriminierungen zu kämpfen.

Für unsere Webserie „Auf eine Shisha mit...“ haben wir Ihsan Kaplan getroffen und über die Wohnverhältnisse in Hamburg geredet. Kaplan ist Student und beschäftigt sich mit Raumfahrt. 

Um dem Problem der Diskriminierung bei der Wohnungssuche auf den Grund zu gehen, führten „Spiegel” und „Bayerischer Rundfunk” 2017 in zehn großen deutschen Städten einen Versuch durch: 20.000 Antworten auf Online-Wohnungsangebote wurden dabei per E-Mail versendet. Die fiktiven Absender der sonst identischen Schreiben unterschieden sich nur hinsichtlich ihrer Nationalität. Sie kamen entweder aus Polen, Italien, der Türkei, Deutschland oder dem arabischen Raum. Der Test zeigte, dass besonders Bewerber mit vermeintlich türkischen oder arabischen Migrationshintergrund auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden. Im Vergleich zu ihnen bekamen Bewerber, die unter einem deutschen Namen nach einem Besichtigungstermin fragten, vier Mal häufiger eine positive Rückmeldung und Einladung. Auch wurden deutsche Mieter mit geringem Einkommen gegenüber Ausländern mit festem Einkommen bevorzugt.

Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll in Deutschland eigentlich verhindern, dass Menschen wie in dieser Studie aufgrund ihrer „Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ (§ 1 AGG) benachteiligt werden. Allerdings bietet das AGG mit § 19 auch eine Hintertür für Vorurteile und Ablehnung. Denn die Ungleichbehandlung von Menschen bei der Wohnungsvergabe wird zulässig, wenn dadurch die „Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen und ausgewogener Siedlungsstrukturen sowie ausgeglichener wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Verhältnisse“ befördert wird (§19, Abs. 3 AGG).

Türkischstämmige und Deutsche wohnen in ähnlichen Verhältnissen

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zeigte in einem Gutachten 2015, dass Menschen mit Migrationshintergrund häufiger in einer schlechteren Wohnsituation leben als die deutsche Mehrheitsbevölkerung. Es gäbe „deutliche Hinweise, dass dies […] auch auf rassistische Diskriminierung am Wohnungsmarkt zurückzuführen ist“, heißt es in der Studie.

Vergleicht man im Detail türkischstämmige Haushalte mit deutschen, zeichnet sich ab: Mehr Menschen leben in der Regel auf weniger, dafür aber teurerem Wohnraum. Im Schnitt umfassen türkischstämmige Haushalte 3,5 Mitglieder, zeigt der Integrationsreport des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus dem Jahr 2008. In deutschen leben statistisch gesehen 2,0. Außerdem zahlen Türkischstämmige im Schnitt mehr Miete – durchschnittlich 30 Cent pro Quadratmeter, laut Daten des Mikrozensus 2006.

Besonders türkischstämmige Menschen wohnen separiert in bestimmten Vierteln

Little Istanbul in München, Duisburg Marxloh oder die Dortmunder Nordstadt. Was früher, als die ersten Gastarbeiter nach Deutschland kamen, durch Gemeinschaftsunterkünfte geplant war, hat sich heute wie fast selbstverständlich eingespielt: Viele Türkischstämmige leben zusammen in einzelnen Stadtteilen oder Vierteln. Diese ethnische Segregation belegte auch der Integrationsreport des BAMF. Ob das von den Anwohnern allerdings freiwillig gewählt oder dem Druck des Wohnungsmarktes geschuldet ist, bleibt fraglich: Laut einer BAMF-Umfrage wäre es 61,9 Prozent der befragten Türken egal, wie hoch der Anteil an Ausländern oder Deutschen in ihrem Wohnviertel ist.

Die Folgen dieser ethnischen Segregation sind für viele Experten dagegen eindeutig: Es kommt zu weniger interethnischen Kontakten, das Erlernen der neuen Sprache wird erschwert und für die Hinzugezogenen wird es leichter, sich von der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen. Auch für nachfolgende Generationen hätte es negative Folgen, so die gängige Kritik an den Ausländervierteln. Kurz: In der Theorie behindert Segregation Integration.

Viele praktische Studien finden laut BAMF allerdings keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Integration und Segregation. Die Einschätzung dieses Sachverhalts sei stark davon abhängig, wie man Integration definieren würde, sagt Caner Aver, Wissenschaftler am Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung in Essen. „Versteht man Integration als so-leben-wie-die-Mehrheitsgesellschaft, dann ist in segregierten Vierteln natürlich nicht von Integration zu sprechen,” sagt er. Aver verweist auf eine hohe Quote an Selbstständigen in den ethnischen Vierteln, die dadurch Steuern zahlen, Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen und einen wertvollen integrativen und volkswirtschaftlichen Beitrag zur Gesellschaft leisten.

Das wird auch dadurch deutlich, dass immer mehr Migranten Wohneigentum in Deutschland besitzen, stellte das BAMF fest. Das trifft besonders auf Migranten aus der Türkei, Italien, Kroatien und Polen zu, also Migrantengruppen, deren Einwanderungsgeschichte bereits mehrere Generationen zurückliegt. Demgegenüber stehen Migranten aus Bosnien und Herzegowina, die vergleichsweise selten Wohneigentum besitzen, heißt es im BAMF Integrationsreport von 2008.    

Soziale Unterschiede wiegen schwerer als ethnische

Laut BAMF wiegen Sprachbarrieren beim Knüpfen neuer Kontakte schwerer als das gemeinsame Wohnen in einem Viertel. Denn nur weil man nebeneinander wohne, müsse man nicht zwingend Gemeinsamkeiten finden und eine Freundschaft entwickeln, so das Bundesamt.

Generell zeichne sich Segregation heutzutage eher dadurch aus, dass Menschen zusammenziehen, die in ähnlichen Lebensumständen leben und nicht nur, weil sie die selbe Nationalität haben. „Fakt ist, dass die Arbeitslosigkeit in Quartieren mit einem hohem Migrantenanteil im Vergleich zur gesamten Kommune oft höher liegt. In diesen Vierteln leben auch Herkunftsdeutsche, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind,” sagt Aver.

Indem besserverdienende Migranten in wohlhabende Stadtteile ziehen, wird auch die ethnische Segregation gemindert, die soziale Segregation jedoch weiter verschärft. Laut BAMF bleiben in den betreffenden Stadtteilen so vermehrt sozial schwache Menschen zurück, mit schwierigen Lebensumständen, die tendenziell zu weniger Toleranz in der Lage seien, wodurch es vermehrt zu Konflikten kommen kann.

Hier müsse angesetzt werden, um Integration und Zusammenleben in Zukunft zu verbessern.


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