Welche Narrative und Falschbehauptungen 2025 prägten
Israel und Gaza, Bürgergeld und Rente, Bundestagswahl und KI: 2025 prüfte CORRECTIV.Faktencheck hunderte irreführende, falsche Behauptungen. Ein Rückblick, welche Themen die Redaktion und Leserinnen und Leser besonders beschäftigten.
Das Jahr 2025 begann mit teils absurd anmutenden Falschbehauptungen. CORRECTIV.Faktencheck prüfte im Januar nicht nur, ob die EU den Bau von Schneemännern verbieten würde (nein), sondern auch, ob Hitler Kommunist war (nein).
Letztgenannte Behauptung stammte von Alice Weidel. Sie zu prüfen, leitete ein Jahr ein, das von politischen Entscheidungen dominiert wurde. Denn im Februar wurde der Bundestag neu gewählt – und damit einher gingen einerseits zahlreiche Aussagen von Politikerinnen und Politikern, die falsch waren oder denen Kontext fehlte und andererseits irreführende Behauptungen über den Wahlablauf. Auch eine russische Desinformationskampagne, die CORRECTIV aufdeckte, hatte das Ziel, den Wahlkampf zu beeinflussen. Sie hat nun Konsequenzen – aber dazu später mehr.
Wir haben 2025 beobachtet, wie KI-erstellte Inhalte immer weiter verunsicherten, wie sich Themenbereiche verschoben und neue Narrative gestrickt wurden und wie es die großen Tech-Plattformen immer noch sehr einfach machen, Fakes zu erstellen und weiterzuverbreiten.
Zum Ende des Jahres nun also ein Überblick, welche Muster in den hunderten Fakes steckten, die CORRECTIV.Faktencheck prüfte.
Der Start ins Jahr 2025: Zuckerberg diskreditiert Faktencheck-Redaktionen
Doch zunächst ein Blick weg vom rein Inhaltlichen. Für Faktencheck-Redaktionen begann das Jahr mit einem Knall. Am 7. Januar 2025 gab Meta-Chef Mark Zuckerberg bekannt, dass er die Zusammenarbeit mit Faktencheck-Organisationen in den USA einstellen will. Auch CORRECTIV arbeitet mit Meta zusammen, um dort Desinformation einzudämmen.
Es war wohl kein Zufall, dass Zuckerbergs Ankündigung rechtzeitig zur zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident kam. Noch letztes Jahr hatte Meta die Wirksamkeit des Faktencheck-Programms in Europa betont. Bemerkenswert war nun die Begründung Zuckerbergs für das Vorgehen in den USA: Faktencheckerinnen und Faktenchecker seien voreingenommen, er wolle mehr Meinungsfreiheit, sogar von Zensur sprach er.
Das Gegenteil ist der Fall: Unsere Unabhängigkeit ist durch unser Redaktionsstatut sichergestellt und durch die Einhaltung der Standards von Netzwerken wie dem European Fact-Checking Standards Network (EFCSN). Sie garantieren, dass wir transparent, überparteilich und unvoreingenommen arbeiten. Dass wir die Standards einhalten, wird regelmäßig überprüft – zuletzt diesen Sommer.
All das ist öffentlich einsehbar. Wie auch unsere Arbeitsweise: Wir wählen unsere Themen nach transparenten Kriterien aus. Jede und jeder kann uns Hinweise auf potenzielle Falschinformationen schicken – zum Beispiel über das CORRECTIV.Faktenforum oder unseren Whatsapp-Chatbot. Meinungsbeiträge überprüfen wir grundsätzlich nicht – und wir löschen nichts.
KI-Aufnahmen werden besser – damit steigt auch die Verunsicherung, was echt ist
Ganz egal, wie es in Europa mit dem Faktencheck-Programm weitergeht, wir machen weiter. Etwa indem wir die technologischen Entwicklungen im Auge behalten. Und die schreiten voran. Während es vor ein paar Monaten oft noch reichte, auf einem KI-generierten Bild die Finger zu zählen, stoßen mittlerweile selbst routinierte Journalistinnen und Journalisten oder Fachleute manchmal an ihre Grenzen.
Gleichzeitig zweifeln Menschen immer öfter auch an der Authentizität von Videos und Bildern. Das ist nicht verwunderlich, denn neue technische Möglichkeiten wie die KI-App Sora machen es noch einfacher, in kurzer Zeit relativ überzeugende Fakes zu erstellen – Plattformen wie Tiktok werden davon in den letzten Monaten regelrecht geflutet. Tipps, um diese zu erkennen, gibt es hier und hier. Und weiterhin gilt: Wenn Ihnen etwas begegnet, was sie stutzig macht oder verunsichert, können Sie sich jederzeit an uns wenden.
Kriege und Krisen bleiben Nährboden für Falschbehauptungen
Auch russische Desinformation begleitet uns fast vier Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieg auf die Ukraine weiter. Kampagnen, etwa die „Operation Overload“, die Faktencheck-Redaktionen mit angeblichen Tipps zu Falschbehauptungen überschwemmen sollen, sind immer noch aktiv.
Die sogenannte Doppelgänger-Kampagne, die Fake-Webseiten etablierter Medien nutzt, wurde nach CORRECTIV-Recherchen ausgebremst. „Storm 1516“ versuchte wiederum im deutschen Bundestagswahlkampf mitzumischen, indem sie Spitzenkandidatinnen- und Kandidaten mit erfundenen Geschichten diffamierte. Im Dezember bestellte deswegen das Auswärtige Amt den russischen Botschafter ein. Mehrere Desinformations-Akteure, über die CORRECTIV.Faktencheck seit Jahren berichtete, wurden 2025 von der EU sanktioniert.
Nach wie vor schlagen Falschbehauptungen zu Russland und der Ukraine bei uns auf – allerdings nicht mehr in der Häufigkeit wie 2022. Dass zwei Texte aus dem Themenbereich unter unseren meistgelesenen Texten 2025 waren, zeigt jedoch, wie relevant das Thema weiterhin ist.
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ist ein weiterer Krieg im Faktencheck-Fokus. Wie so oft in Kriegen und Krisen werden zum Nahen Osten Aufnahmen im falschen Kontext geteilt und von den Kriegsparteien verzerrte oder propagandistische Inhalte verbreitet. Nachdem im Sommer eine Hungersnot für Teile Gazas ausgerufen wurde, überprüften wir mehrfach Behauptungen, die in Frage stellen sollten, dass Menschen hungerten.
Auch der Krieg im Sudan bekommt in Europa zunehmend Aufmerksamkeit – damit steigt die Zahl der Falschbehauptungen, die uns dazu erreichen. So prüfte die Faktenforum-Community etwa ein KI-generiertes Bild, das viele für echt hielten. Fachleute ordneten für uns falsche Narrative ein, die zum Krieg im Sudan gestreut werden.
Unsere Faktencheck-Redaktion hat keine Reporterinnen und Reporter vor Ort. Eine tagesaktuelle Berichterstattung von den Geschehnissen können wir deshalb nicht liefern. Was wir liefern können: Eine Einordnung, ob Aufnahmen echt oder gefälscht sind, auf welche Narrative einzelne Falschbehauptungen bauen und welche Akteure dahinterstecken. Auch nächstes Jahr werden wir dort weitermachen.
Donald Trump als Zielscheibe und Verbreiter von Falschbehauptungen
International blickten Faktencheck-Redaktionen 2025 nicht nur wegen Zuckerbergs Ankündigung in die USA. Auch X-Besitzer Elon Musk mischte zunehmend in der Welt der Desinformation mit. Vor der Bundestagswahl lud er Alice Weidel, zu dem Zeitpunkt Spitzenkandidatin der AfD, zum Live-Gespräch. Es fielen zahlreiche Falschbehauptungen. Öffentlich teilte er immer wieder Hiebe gegen die EU aus und verkrachte sich mit dem US-Präsidenten Trump.
Der verbreitete auch in seiner zweiten Amtszeit falsche und irreführende Inhalte, die wir etwa hier, hier und hier geprüft haben. Besonders häufig gelesen wurde unsere Recherche zu jenen Falschbehauptungen, die Trump über Europa und Deutschland aufstellte – ausgerechnet, als Bundeskanzler Friedrich Merz neben ihm saß.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Andererseits mehren sich Falschbehauptungen über und rund um Trump. Die meistgelesene Community-Recherche im CORRECTIV.Faktenforum betraf einen Brief, den angeblich die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum an Trump geschickt haben soll. Das war erfunden.
Dubiose Bitcoinwerbung will Verbraucher um Geld bringen – und Meta verdient mit
Und dann gibt es da noch die Art von Themen, die so etwas wie stetige Begleiter unserer Arbeit sind. Weiterhin häufig thematisiert werden etwa die Bereiche Klima, Migration und – wenn auch mittlerweile seltener – Corona. Dazu kommt eine Kampagne rund um Fake-Artikel, in denen für Bitcoins geworben wird – häufig eine Masche, um Daten zu klauen. Um Betrug ging es zuletzt auch bei zahlreichen Facebook-Anzeigen für angebliche Vorteile im öffentlichen Verkehr.
Meta reagiert auf Fälle wie diese häufig spät oder gar nicht, verdient an derartigen Betrugsmaschen aber mit. Laut eines Berichts von Reuters erwirtschaftet der Konzern ein Zehntel seines Jahresumsatzes mit Werbeanzeigen für Betrugsmaschen und verbotene Waren. Doch nicht nur Meta lässt bei seinem Umgang mit Desinformation zu wünschen übrig. Recherchen von uns ergaben, dass Tiktok Falschbehauptungen und Fake-Accounts in vielen Fällen einfach zirkulieren lässt. Und auch Plattformen wie Youtube oder Google haben Maßnahmen im Rahmen des Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation zurückgefahren.
Gesetztesvorhaben werden erfunden oder sind Futter für Falschbehauptungen
Nicht erst seit dem erfundenen Schneemann-Verbot: Besonders populär ist es aktuell, Stimmung mit angeblichen Gesetzesvorhaben zu machen. So hieß es in Sozialen Netzwerken etwa, es kämen neue Regeln zum Abheben von Bargeld oder rund ums Autofahren. Manches klingt trivial, doch die Beiträge eint: Sie sorgen für Unmut, viele davon betreffen den Alltag der Menschen. Und was emotionalisiert, verbreitet sich besonders effektiv.
Auch tatsächliche Gesetzesvorhaben oder politische Debatten werden immer wieder aufgegriffen, beliebt waren da 2025 zum Beispiel das Bürgergeld, das 2026 reformiert werden soll, oder die Pläne zur Rente. Dabei sind auch Politikerinnen und Politiker immer wieder die Zielscheibe von Desinformation: Über Lars Klingbeil (SPD) hieß es, er würde zurücktreten, während unter anderem Winfried Kretschmann (Grüne) und Mario Voigt (CDU) falsche Zitate unterstellt wurden. Übrigens alle von einem Akteur, der mit Russland-Nähe auffällt, wie unsere Recherche zeigt.
Politikerinnen und Politiker sind in vielen Fällen aber nicht nur Zielscheibe, sondern selbst Verbreiter von Falschbehauptungen. Falsche oder irreführende Behauptungen kamen von allen relevanten Parteien, wenngleich die AfD besonders häufig auffällt. Dieses Phänomen ist nicht auf Deutschland beschränkt: Im März 2025 erschien im „International Journal of Press/Politics“ eine Studie, die die Faktentreue von Parteien in 26 Ländern erforschte, sie kam zu dem Schluss: Am wenigsten faktentreu waren konservative und rechtsextreme Parteien.
Unter all den Veröffentlichung von CORRECTIV.Faktencheck stach jedoch eine besonders hervor. Keine wurde so oft angeklickt wie jene, die einordnet, dass Michael Bully Herbigs Film „Das Kanu des Manitu“ nicht gecancelt wurde.
Redigatur: Sophie Timmermann