Die Alte Apotheke

Es ist einer der größten Medizinskandale seit Contergan: Ein Bottroper Apotheker panschte über Jahre Krebsmedikamente und verdiente Millionen. Gleichzeitig betrog er tausende Menschen um ihre lebensrettenden Arzneien. Wer ist dieser Mann? Und was brachte ihn dazu, in seinem Labor Gott zu spielen? Lesen Sie die Geschichte des Peter Stadtmann.

Der Betrug: Früher flog Peter Stadtmann von Zeit zu Zeit nach München, um sich Fett absaugen zu lassen. Das muss er jetzt nicht mehr. Er ist begeistert: „Ich bin wieder total schlank.“ In Haft hat er fast 30 Kilogramm abgenommen. Kein Stressfressen mehr. Sein Leben wird kontrolliert – täglich ein Acht-Kilometer-Spaziergang, fünfmal in der Woche Kurse von gewaltfreier Kommunikation bis Kirchenkreis. Das gibt ihm Kraft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Primär geht es mir um meine Eltern und mich – alles andere kommt irgendwann.“ Das schrieb der Apotheker in Papieren, die Ermittlern vorliegen.

Damals, als Peter Stadtmann zum Fettabsaugen flog, war er ein anerkannter Bürger in Bottrop. Ihm gehörte die sogenannte Alte Apotheke. Er war einer, den die Leute grüßten. Ein Steuerzahler, ein Gönner. Heute sitzt er in Untersuchungshaft. Und tausende Menschen machen ihn für ihr Leid verantwortlich.

Peter Stadtmann hat einen der größten Medizinskandale der Bundesrepublik seit Contergan verursacht. Seine Geschichte ist ein Lehrstück – über Gier im Gesundheitswesen. Über den Mut von Einzelnen, nicht zu schweigen. Über Lokalpolitik. Über die Arroganz von Behörden und die Selbstherrlichkeit von Ärzten.

Mut und Transparenz

Bürger, Whistleblower und Journalisten haben im Fall der Alten Apotheke gemeinsam für Aufdeckung und Aufklärung gesorgt. Lesen Sie, wie der Skandal aufflog und was danach geschah.

Im Bottroper Krebsmittelskandal haben Betroffene sich aus der Opferrolle befreit. Auf der Straße, im Gerichtssaal und im Netz kämpfte die Frauentruppe um Heike Benedetti zwei Jahre lang für Gerechtigkeit und wirksamere Kontrollen. Eine Geschichte über die Kraft von Aufklärung und Zähigkeit. Zum Artikel

Marie Klein und Martin Porwoll aus Bottrop waren die Whistleblower im Fall der Alten Apotheke. Sie machten bekannt, dass der Apotheker aus der Stadt im Ruhrgebiet über Jahre teure Krebsmedikament streckte und die Patienten betrog. Ohne sie wäre der Fall niemals bekannt geworden und tausende Patienten weiter zu Schaden gekommen. Zum Artikel

Die Gesundheitsbehörden haben Patienten, die möglicherweise mit gepanschten Krebsmedikamenten behandelt wurden, nie aktiv informiert. Immer noch wissen viele Menschen nicht, ob sie Betroffene sind oder nicht. Jeder Betroffene hat in unseren Augen ein Recht auf diese Information. Deswegen haben wir eine Datenbank mit den aus Bottrop belieferten Praxen und Kliniken veröffentlicht. Zur Datenbank

Kampf für Konsequenzen

Seit mehr als einem Jahr recherchieren wir im Fall der Alten Apotheke. Unser Journalismus hat sich dabei verändert. Aus investigativ ist konstruktiv geworden. Es reicht nicht allein Missstände aufzudecken, es müssen auch Veränderungen folgen. Wir zeigen Möglichkeiten auf.

Die mobile Lokalredaktion

Die Behörden kamen im Fall der Alten Apotheke weder ihrer Verantwortung noch ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Betroffenen nach. Zwei Monate haben wir ein Ladenlokal in der Bottroper Innenstadt bezogen und im Schaufenster gearbeitet. Wir haben vor Ort recherchiert, Interviews geführt, standen Betroffenen für Rat zu Verfügung und haben Experten zu öffentlichen Infoabenden eingeladen.

Interviews mit Experten

Informationsabende vor Ort

TV-Dokumentationen

Im Fall der Alten Apotheke haben wir dem Team vom ARD-Magazin „Panorama – die Reporter” zusammengearbeitet. Hier finden Sie die Beiträge.

Der Krebsapotheker

30 Min. | ARD Panorama

Unterdosierte Krebsmedikamente: Lebensgefahr

15 Min. | ARD Panorama

Der Prozess

Die Verbrechen des Pansch-Apothekers Peter Stadmann wurden an 44 Verhandlungstage vor dem Essener Landgericht aufgearbeitet. Wir waren an jedem Tag dabei, haben Impulse geliefert und kritisch berichtet. Bis zum Urteil.

Wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in knapp 14.500 Fällen und Betrug in 59 Fällen wurde Peter Stadtmann zu zwölf Jahren Strafe verurteilt und mit einem Berufsverbot belegt. Zum Artikel

CORRECTIV-Publisher David Schraven ging mit Peter Stadtmann zur Schule. Er erlebte den Apotheker als kleinen Jungen, der verschmitzt lächelte und eigentlich nur mitspielen wollte. Zum Kommentar

CORRECTIV hat den Prozess gegen Peter Stadmann an jedem der 44 Verhandlungstage begleitet. Verfolgen Sie noch einmal alle Entwicklungen im Essener Landgericht. Zum Prozesstagebuch

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Titelfoto: FUNKE Foto Services / Fabian Strauch