Russland/Ukraine

Drohender Energie-Deal zwischen USA und Russland

Im Vordergrund stehen Verhandlungen zu einem Waffenstillstand. Im Hintergrund werden Deals vorbereitet: Putins Russland und Trumps USA sollen seit einigen Monaten über einen Kauf der Nord Stream-Infrastruktur verhandeln. Von Interesse für US-Konzerne könnte auch weitere Energieinfrastruktur sein, die russischen Konzernen gehört. Deutschland schaut nur zu. Eine gemeinsame Recherche mit IStories.

von Marcus Bensmann , Alexej Hock , David Schraven , Nikita Kondratyev

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Russische Gas und Öl durch US-amerikanische Pipelines nach Europa. Ist das der Deal? Collage: Ivo Mayr/CORRECTIV (Fotos: unsplash.com)

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warnt eindringlich: „Wenn wir uns nicht verändern, wenn wir ungefähr so blieben, wie wir sind, dann wird alles über unsere Köpfe hinweg entschieden.“ Röttgen veröffentlichte den eigenen Redebeitrag aus einer Talkshow am 12. März 2025 auf seinem X-Account. Für den CDU-Bundestagsabgeordneten hat Europa angesichts der unberechenbaren Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump und des anhaltenden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nur eine Chance. Europa müsse entweder militärische Stärke gewinnen oder würde als eigenständiger Akteur „nicht bestehen bleiben“.

Recherchen von CORRECTIV und Istories zeigen, wie das von Röttgen erwähnte „über unsere Köpfe hinweg“ ablaufen könnte. Es geht darum, unter welchen Bedingungen nach einem möglichen Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine oder nach einem Waffenstillstand Öl und Gas wieder nach Deutschland und Europa fließen könnten. Im Fokus der Verhandlungen steht offenbar auch die Zukunft der Pipelines Nord Stream 1 und 2, sowie der Besitz des russischen Mineralölkonzerns Rosneft in Deutschland: Rund 54 Prozent Anteile hält deren deutsche Tochter an der Raffinerie in Schwedt sowie geringere Anteile an den süddeutschen Raffinerien Bayernoil und Miro.

Es geht um den Einfluss russischer Rohstoffkonzerne und des Kreml auf die deutsche und europäische Energieversorgung, die mögliche Wiederherstellung der Energieabhängigkeit und welche Rolle US-Firmen dabei spielen könnten.

Die Rohstoffabhängigkeit Deutschlands und der drohende Zusammenbruch

Die Pipelines von Nord Stream 1 und 2 und die Raffinerie Schwedt bildeten bis zum Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 die Achse der Rohstoffversorgung aus Russland. Zwei Tage vor dem Einfall in die Ukraine verweigerte Deutschland die Zertifizierung von Nord Stream 2, später drosselte Russland die Gaszufuhr durch die Röhren von Nord Stream 1. Die Rohstoffabhängigkeit von Russland brachte Deutschland fast an den Rande des Zusammenbruchs. Das Handelsblatt zeigte 2023, wie Russland nach dem Beginn des Angriffskrieges versuchte, über die von ihnen kontrollierten Firmen in Deutschland einen Blackout zu provozieren.

Im Herbst 2022 wurde die Gas-Pipeline in der Ostsee gesprengt, von insgesamt vier Strängen ist nur ein Strang von Nord Stream 2 noch intakt. Die Täter und Auftraggeber der Sprengung sind noch nicht geklärt. Medienberichten zufolge gehen deutsche Ermittler von ukrainischen Saboteuren aus.

Auch bei Öl waren die Abhängigkeiten zu Russland vor Beginn des Kriegs hoch. Die Raffinerie in Schwedt wird seit ihrer Gründung in der DDR von der Druschba-Pipeline aus Russland mit Öl versorgt. Gut 20 Jahre nach der Wiedervereinigung wurde der russische Ölkonzern Rosneft über dessen deutsche Tochter Rosneft Deutschland GmbH Anteilseigner von Schwedt und Bayernoil. 

Nach dem Krieg übernahm die Bundesregierung die Treuhänderschaft von Rosneft Deutschland. Öl für Schwedt kommt nicht mehr aus Russland, sondern vor allem über die Häfen Rostock und Danzig. Öllieferungen per Schiff erweisen sich jedoch als schwierig, die Infrastruktur nicht für ausreichende Mengen ausgelegt. Daher sicherte sich die Bundesregierung weitere Lieferungen über die Druschba-Pipeline – allerdings mit kasachischem Öl. 

Woidke und die Rückkehr des russischen Öls

Die anderen Anteilseigner an der Raffinerie in Schwedt wie der britische Erdöl-Konzern Shell verlieren das Interesse an der Raffinerie in Ostdeutschland. Sie wollen offenbar nicht mehr investieren, am liebsten ihre Anteile loswerden – zuletzt platzte der Verkauf an den britischen Ölkonzern Prax jedoch.

Nicht nur die AfD und BSW, sondern auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wünschen sich nach einem möglichen Kriegsende, dass russisches Öl wieder nach Schwedt fließt. „Woidke würde eine Rückkehr zu Öl aus Russland für die Raffinerie begrüßen“, schrieb der Tagesspiegel am 3. März. Und der Wunsch könnte in Erfüllung gehen.

Seit Monaten gibt es Hinweise, dass seit Donald Trumps Wahlsieg in den USA Emissäre aus den USA und Deutschland Kontakte mit Russland und den USA knüpfen. Bereits im vergangenen November hatte das Wall Street Journal berichtet, dass der US-amerikanische Investor und Trump-Unterstützer Stephen P. Lynch sich darum bemühte, bei Nord Stream 2 einzusteigen.

Nach der Amtseinführung von Trump im Februar wurde es konkreter. Auch die Unterlagen des Insolvenzverfahrens der Nord Stream 2 AG in der Schweiz weisen auf Verhandlungen hin. Man stehe „in intensivem Kontakt mit den Finanzinvestoren“, argumentierte das Unternehmen Anfang des Jahres vor dem Kantonsgericht Zug, das den Verhandlern letztlich weitere Zeit verschaffte.

Nord Stream und das Interesse der USA

Eine Rolle in diesem Deal soll auch der Ex-Stasi Mann Matthias Warnig spielen, der als Vertrauter von dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt, wie die Financial Times Anfang März schrieb. Die Bild berichtete am 3. März, dass auch der ehemalige US-Botschafter Richard Grenell dabei mitverhandeln soll, was dieser jedoch bestritt. Trump beauftragte Grenell mit speziellen Aufgaben.

CORRECTIV erhielt Hinweise aus dem Kreis der Verhandler, dass dieses System offenbar auch für Schwedt geplant ist. Demnach ist geplant, dass US-Firmen die deutschen Rosneft-Beteiligungen übernehmen. Dann hätten sie die Mehrheit an der Raffinerie Schwedt sowie Anteile an Bayernoil und Miro. Zuletzt waren vor allem Qatar, das bereits am russischen Rosneft-Konzern beteilig ist, sowie Kasachstan als potenzielle Käufer im Gespräch. Letztere Option, von Russlands Präsident Wladimir Putin erst Ende November 2024 öffentlich ins Spiel gebracht, scheint nicht mehr weiterverfolgt zu werden. 

Auch die Verhandlungen zur PCK Schwedt finden im Verborgenen statt. Aus den Kreisen der Boten und Emissäre heißt es, die Gespräche zwischen US-amerikanischen und russischen Vertretern laufen, das Bundeskanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium seien eingebunden. Das Auswärtige Amt soll bei den Verhandlungen jedoch keine Rolle  spielen. Es wird von einer Person, die an den Verhandlungen beteiligt ist, als „amerikanische Agenda“ beschrieben, und „je weniger deutsche Stellen involviert“ seien, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass das Projekt klappen könnte.

„Beide verdienen und die Europäer zahlen“

Das Kalkül der Trump-Administration könnte eine Zangenbewegung sein: Die Autoindustrie in Deutschland und Europa soll durch geplante Zölle geschwächt werden, während Gas und Öl aus Russland über US-Röhren wieder fließen soll. „Da klatschen sich zwei in die Hände, die Russen und Amerikaner. Der eine verkauft Rohstoffe, der andere transportiert. Beide kriegen Geld dafür, und die Europäer zahlen die Zeche“, so die Quelle aus dem Verhandlerkreis.

Nach CORRECTIV-Recherchen könnte sich das vielleicht gerade in diesen Wochen sogar entscheiden. Während die USA in Saudi-Arabien von der Ukraine die Zusage zu einem sofortigen Waffenstillstand erhalten, befindet sich nach CORRECTIV-Informationen ein hochrangiger deutscher Regierungsbeamter in den USA. Der Grund der Reise ist unbekannt.

Vielleicht ist es Teil des Deals: Russland stimmt der Waffenruhe zu und bekommt die Option, wieder Öl und Gas nach Europa zu liefern, aber durch Röhren, die US-Firmen gehören. Damit würde die Lieferung der Rohstoffe vom Besitz des Transportnetzes getrennt. Diese so genannte „Entkoppelung“ ist eine Vorgabe der EU an große Versorgungsunternehmen, um Energiegeschäfte in Europa überhaupt zu erlauben. Die EU-Sanktionen gegen Russland würden bei Verhandlungen auf den Tisch kommen, sagte der US-Außenminister Marco Rubio nach seiner Rückkehr aus Saudi Arabien.

Das könnte bedeuten: Die Europäer sollen russische fossile Energieträger kaufen, sonst wird der Krieg fortgesetzt. Das ist nicht ungefährlich. Mit den Erlösen könnten die Russen ihre Kriegswirtschaft stabilisieren und eine erneute Aufrüstung bezahlen, um den Krieg in Zukunft fortzusetzen. Und die USA würden profitieren, zudem hat Trump das Druckmittel der Zölle im Arsenal.

Das würde das Szenario von CDU-Abgeordnete Röttgen wahr werden lassen: „Dann wird alles über unsere Köpfe hinweg entschieden.“

 

Mitarbeit: Sven Niederhäuser, Marc Engelhardt
Faktencheck: Marie Bröckling
Redigatur: Justus von Daniels
Titelgrafik: Ivo Mayr

 

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