„40 Grad“ im Jahr 1975? Warum diese alte Bild-Schlagzeile nichts über den Klimawandel aussagt
Auf Facebook kursiert seit Jahren eine Bild-Schlagzeile von August 1975 über „40 Grad Hitze“ in Deutschland. Dadurch soll der Eindruck erweckt werden, dass der Klimawandel „erfunden“ sei. Ein Faktencheck.
Extreme Wetterereignisse wie Hitze, Dürre oder Hochwasser werden nicht direkt durch den Klimawandel verursacht. Sie werden jedoch laut Prognosen mit der Erwärmung der Erde wahrscheinlicher und intensiver, wie wir bereits in mehreren Faktenchecks berichteten. Was Städte und Landkreise dagegen (nicht) tun, lesen Sie hier.
Dennoch tauchen im Netz immer wieder Vergleiche mit vergangenen Wetterereignissen auf. Einer davon ist ein Bild-Artikel mit dem Titel „40 Grad Hitze – Jetzt wird das Wetter lebensgefährlich“ von 1975, der seit Jahren auf Facebook kursiert. Dazu wird behauptet: „Der Klimawandel war noch nicht erfunden […] Trotzdem war’s warm im Sommer!“
Die Schlagzeile veröffentlichte Bild am 8. August 1975. Was darin stand, ist in den Facebook-Beiträgen kaum lesbar: Die Temperaturangabe von 40 Grad Celsius war eine Vorhersage vom Wetteramt in Essen, Nordrhein-Westfalen, für den 10. August 1975. Im Artikel hieß es: „Das Wochenende wird höllisch heiß: Am Sonntag könnten es 40 Grad im Schatten werden…“
Prognose von 40 Grad Celsius trat nicht ein: Im Zeitungsausschnitt geht es um einen Sonntag in Essen
Der Zeitungsausschnitt kursierte bereits 2019, wie wir in einem Faktencheck berichteten. Der Axel-Springer-Verlag bestätigte uns damals die Echtheit des Fotos.
Die Überschrift alleine ist jedoch irreführend. Sie erweckte bei manchen Nutzerinnen und Nutzern den Eindruck, die 40 Grad seien tatsächlich gemessen worden. Bei der Zahl handelte es sich jedoch lediglich um eine Prognose, die nicht eintrat.
Diplom-Meteorologe Andreas Friedrich, Pressesprecher beim Deutschen Wetterdienst (DWD), hatte die 1975 in Essen gemessenen Temperaturen für CORRECTIV überprüft: „Am 10. August wurde in Essen ein Höchstwert von 30,8 Grad Celsius gemessen“, sagte uns Friedrich damals am Telefon. Die Höchsttemperatur in Essen im August 1975 habe 31,7 Grad betragen (7. August).
40 Grad Celsius Lufttemperatur wurden an der Messstation Essen-Bredeney erstmals am 25. Juli 2019 gemessen – der bisherige Hitzerekord (Stand: 14. Juli 2023). Ein Blick in die Daten-Suchmaschine Wolfram Alpha und in die Datenbank Wetterkontor bestätigt das.
Hitzewellen gab es in Deutschland in der Vergangenheit immer wieder. 2020 berichtete der Deutsche Wetterdienst jedoch, dass die Sommer insgesamt in allen Regionen und in allen Höhenlagen deutlich heißer geworden sind.
Die Jahre seit 2015 waren die acht wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen, berichtet zum Beispiel der MDR. Wie die US-Wetterbehörde NOAA und die Nasa schreiben, war unter anderem 2022 eines der wärmsten Jahre seit dem Start ihrer Temperaturaufzeichnungen.
Hitzephasen aus der Vergangenheit unterscheiden sich von heutigen warmen Phasen
Wie wir bereits im September 2022 berichteten, werden Hitzephasen aus der Vergangenheit immer wieder als vermeintliches Argument gegen den menschengemachten Klimawandel benutzt. Der rasante Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur seit den 1990er Jahren gilt jedoch laut Klimaforschenden als beispiellos – und er hat Folgen weltweit. Trockenheit, starker Niederschlag und andere Wetterextreme werden wahrscheinlicher und intensiver. So steht es nicht nur im aktuellen Klimastatusbericht des DWD (Stand: März 2023).
Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), eine von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene Institution, betrafen warme Phasen während der letzten 2.000 Jahre häufig nur bestimmte Regionen (PDF, S. 3). Bei der aktuellen Erwärmung handele es sich dagegen um ein zeitgleich stattfindendes globales Phänomen. Der aktuelle Anstieg der globalen Temperaturen vollziehe sich zudem viel schneller und drastischer als bei vergangenen natürlichen Klimaveränderungen.
Der starke Anstieg der globalen Temperaturen lasse sich über natürliche Einflüsse alleine nicht erklären, schreibt das IPCC weiter. Er ist vor allem durch den menschlichen Ausstoß von Treibhausgasen bedingt, wie wir in einem Faktencheck im Juni 2021 erklärten.
Redigatur: Matthias Bau, Sophie Timmermann