Krebsmafia – Die Geschichte

Ende 2014 meldet sich bei uns ein Apotheker. Er schildert detailliert, wie Pharmhändler, Ärzte und Apotheker zusammenarbeiten, um die Profite im Geschäft mit lukrativen Krebsmedikamenten untereinander aufzuteilen. Es ist einzigartiger, aber auch verstörender Einblick in das kriminelle System der Krebsmedizin:

  • Ärzte lassen sich ihre Verschreibungsmacht teuer bezahlen. Denn nur sie können entscheiden, welcher Apotheker die Umsätze mit lukrativen Chemotherapien und Antikörper-Infusionen erzielt.

  • Apotheker bringen Krebsmedikamente in Umlauf, deren Haltbarkeitsvorgaben sie systematisch ignorieren – und riskieren so, dass sie ihre Wirksamtkeit einbüßen.

  • Händler orchestrieren das Zusammenspiel von Apothekern und Ärzten und unterlaufen mit Importen aus Drittstaaten die Patente der Hersteller. Die Gewinnspannen sind höher als bei Drogen.

Es ist ein Milliardenmarkt, der stetig wächst. Rund 1,5 Millionen Menschen sind in Deutschland an Krebs erkrankt. Eine Viertelmillion kommen jährlich hinzu. Rund vier Milliarden Euro verschlingen jährlich die Therapien für Krebskranke – diesen Milliardenmarkt teilen sich im Wesentlichen ein paar dutzend Pharmahändler, 1500 niedergelassene Onkologen und Hämatologen und rund 200 sogenannte Zytostatika-Apotheken, die ein lizenziertes Reinraumlabor besitzen, in dem sie die teuren Krebsmittel-Infusionen herstellen dürfen.

Wir treffen den Apotheker – er zeigt uns einen Medikamenten-Kühlschrank, der so viel wert ist wie ein Einfamilienhaus. Doch als wir ihn bitten, dass er uns mit versteckter Kamera dabeisein lässt, wenn Händler ihm Angebote unterbreiten, bekommt er kalte Füße. Da sind wir aber schon elektrisiert von den offenkundig systemischen Missständen in der Krebsmittelbranche: Wir fahren zu Gerichtsterminen und sprechen mit Ermittlern, und irgendwann halten wir erste Ermittlungsunterlagen in den Händen: Ein einziger Fall, der nur durch Zufall aufflog – und von den 200 Zytostatika-Apotheken in Deutschland sind 80 beteiligt. Sie alle hatten über einen Pharmahändler illegale Re-Importe aus Ägypten billig eingekauft und teuer bei den Krankenkassen abgerechnet – ein Schaden im zweistelligen Millionenbereich, und ein Risiko für die Patienten. Schritt für Schritt verstehen wir, wie systematisch die Anreize für Betrug angelegt sind. Und es dauert nicht lange, bis wir nicht mehr im Vergangenen stochern: Die Akteure des Gerichtsverfahrens führen uns zu den mächtigsten Playern am Markt, die weiterhin aktiv sind. Bald spielt sich vor unseren Augen ein Krimi ab:

In Hamburg bringt ein Apotheker ein ganzes Ärztezentrum unter seine Kontrolle, um mehr Umsätze scheffeln zu können. Onkologen, die finanziell von ihm abhängig sind, verschreiben plötzlich auffällig mehr Chemotherapien. Als das verbotene Konstrukt auffliegt, kämpft der Apotheker mit allen Mitteln – auch, indem er juristisch auf uns losgeht und versucht, unsere Berichterstattung zu verhindern.

In Bottrop spritzt der Apotheker Peter Stadtmann über Jahre, in zehntausenden Fällen, zu wenig Wirkstoff in die Antikörper-Infusionen und Chemotherapie-Zubereitungen seiner Krebspatienten – während er in seiner Stadt als Wohltäter auftritt und sogar das lokale Hospiz finanziert. Mutmaßlich raubt er auf dem Weg tausenden Menschen Lebenszeit, der Prozess gegen ihn beginnt im November 2017.

Und in Genf kämpfen der Aktivist Jamie Love und seine an Brustkrebs erkrankte Frau Manon Ress für eine Reform des Patentsystems, die dem Betrug im Geschäft mit Krebsmedikamenten den Boden entziehen könnte: Krebsmedikamente müssen endlich bezahlbar werden. Dafür entwickeln die beiden neue Anreize für medizinische Forschung – und zwar solche, für die man Konzerne keine Monopole einräumen muss. Delinkage nennt man das: Pharmakonzerne sollen nicht länger mit unvorstellbaren Medikamentenpreisen unsere Gesundheitssysteme in die Knie zwingen können. Love und Ress erreichen, was Pharmastandorte wie die USA, die Schweiz und auch Deutschland zu verhindern versuchen: Dass die WHO sich zum ersten Mal einer nicht ansteckenden Krankheit widmet – Krebs.

„Die Krebsmafia“ ist die spannende Erzählung einer Recherche, radikal subjektiv erzählt. Die Autoren legen auf ungewöhnliche Weise ihre eigenen Arbeitsmethoden offen; sie verschweigen ihre eigenen Fehlentscheidungen nicht und diskutieren schonungslos, vor welche ethischen Fragen die Recherche sie stellte. „Die Krebsmafia“ ist ein Enthüllungsbuch - und ein Lehrstück des investigativen Journalismus.