Kein Filter
für Rechts

Wie die rechte Szene Instagram
benutzt, um junge Menschen
zu rekrutieren

»Die Mädels sind für das schöne Bild verantwortlich«, so offen sagt es eine Insiderin. Es sind vor allem Frauen, die Nutzer auf Instagram mit ästhetischen Bildern und subtilen Botschaften in die rechte Szene ziehen sollen. Emojis als Reichsflagge, Hashtags wie #heimatverliebt und AfD-Politiker, die für ein rechtes Modelabel posieren oder Accounts von Rechtsextremen folgen: Unsere Analyse tausender Instagram-Accounts zeigt, wie die rechte Szene auf der vermeintlich unpolitischen Plattform junge Menschen verführt. Und dass Instagram kaum etwas dagegen unternimmt. Eine Recherche in fünf Teilen.

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03
Erkennungszeichen

Die Hashtags, Emojis und Codes der rechten Szene auf Instagram

  • Die rechte Szene nutzt Hashtags für Anschlussfähigkeit und Aufmerksamkeit.
  • Eine Analyse der verwendeten Worte in der Szene zeigt: Sie sollen hauptsächlich politische Gegner verächtlich machen.
  • Emojis helfen dabei, eine Botschaft zu verstärken – sie sind die Codes der  Eingeweihten.

#DefendEurope, #MutzurWahrheit oder #Vaterland – das sind drei der beliebtesten Hashtags der rechten Szene auf Instagram. Sie tauchen in Posts über die „Altparteien“, den „Nationalstaat“ und das „Germanische“ auf. Sie werden auch begleitet von Emojis, die die Flaggenfarben des Deutschen Reichs abbilden.

Accounts, die Inhalte über die AfD posten, verwenden überdurchschnittlich häufig ein blaues Herz und geben – wenig überraschend – unter dem Hashtag #AfDwählen eine Wahlempfehlung. Das blaue Herz nutzen aber auch Mitglieder radikalerer Gruppen.

Bei jüngeren Nutzerinnen bemerkten wir eine kuriose Häufung von  Bier- und Brezel-Emojis – offenbar sollen sie Verbundenheit mit deutschen Traditionen zeigen. In den User-Bios geben sie an, „deutsch“, „patriotisch“ oder für die AfD zu sein.

In den vergangenen Monaten haben wir untersucht, wie sich Rechte und Rechtsextreme  auf Instagram vernetzen. Dazu haben wir mehr als 4.500 Accounts unter die Lupe genommen. Wir wollten herausfinden, welche Hashtags, Emojis und Erkennungszeichen am häufigsten in diesen Netzwerken verwendet werden und über welche Themen die Szene „spricht“.

Ein Algorithmus untersuchte dafür alle Textdaten, also Wörter in Beiträgen und Selbstbeschreibungen. Danach analysierten wir, wie häufig diese Wörter verwendet wurden. So gingen wir auch bei Hashtags vor. Dabei haben wir uns auf Inhalte konzentriert, die sehr selten oder gar nicht in einer Kontrollgruppe auftauchten.

#DefendEurope etwa ist ein Hashtag, der vor allem von Aktivisten der sogenannten „Identitären Bewegung“ (IB) verwendet wird, die als rechtsextrem eingestuft ist. Die AfD hat sogar einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur IB gefasst. „Durch die Verwendung solcher Erkennungszeichen sollen die Leute dazu aktiviert werden, sich zur Gruppe und den dahinterstehenden Ideen zu bekennen“, erklärt Rechtsextremismus-Forscher Maik Fielitz. „Das geht dann schon einen Schritt weiter als bloße Sympathie. Das heißt konkret: Wenn du Teil sein willst, zeig’ es nach außen.“ Solche Hashtags dienen offenbar dem Zusammenhalt. (Wie die rechte Szene Communities auf Instagram bildet, erklärt unser Text zu Kampfsport, Rap und Merchandise.)

Durch unsere Netzwerkanalyse sind wir in der Lage, die Verbreitung von Codes und Symbolen der Neuen Rechten auf Instagram offen zu legen. Weil die Datenlage sehr umfangreich ist, liefern wir hier eine Auswahl der wichtigsten Erkenntnisse. Wir erklären auch, wie die drei Gruppen zustande gekommen sind, auf die wir uns in diesem Text beziehen.

Die Grafik zeigt alle Accounts, die für diesen Text relevant sind. Sie sind hier auf der Ebene der Subkategorien dargestellt, in die wir sie eingeordnet haben. Je stärker eine Linie ist, desto stärker ist das Interesse einer Gruppe an einer anderen. Die Farbe der Linie entspricht immer dem Ursprung des Interesses.

Parlamentarischer Arm: In Deutschland bildet die AfD den parlamentarischen Arm der deutschsprachigen, rechtspopulistischen bis rechtsextremen Bewegung. Sie ist Teil der Parlamente auf Kreis-, Landes- und Bundesebene. Mandatsträgerinnen der Partei kommunizieren über ihre Instagram-Accounts, dasselbe gilt für Parteiorganisationen wie Fraktionen, Landes-, Kreis- oder Ortsverbände. Das Netzwerk, das wir untersucht haben, enthielt 733 Accounts dieser Gruppe.

Vorfeldorganisationen: Den politischen Boden für die Neue Rechte bereiten Vorfeldorganisationen wie die „Identitäre Bewegung“ (IB), die „Junge Alternative“ (JA, Jugendorganisation der AfD), rechtspopulistische Medien und Meinungsmacher sowie einige Burschenschaften und Damenverbindungen in Universitätsstädten. Auf ihren Instagram-Accounts setzen sie die Themen, die von der Partei später in den politischen Diskurs eingebracht werden: Vaterlandsliebe, Ablehnung der Rundfunkgebühren und „Mainstream-Medien“ und andere konservative Themen, aber auch rechtsextreme Inhalte.
Die Gruppe der Vorfeldorganisationen umfasst 807 Accounts. 40 Prozent dieser Accounts ordneten wir Studentenverbindungen (Burschenschaften und Damenverbindungen) zu. Etwas mehr als ein Viertel gehört zur Medienszene, wozu auch Youtuber und Blogger zählen. Mitglieder und Umfeld der IB (18 Prozent) und JA (14 Prozent) komplettierten die Gruppe.

Community: Die Themen der rechtspopulistischen Parteien und Vorfeldorganisationen finden, so zeigt es nicht nur unsere Recherche, bei der entsprechenden Community Anklang. Darin haben wir die Unterstützerinnen der Parteien, deren Umfeld und selbsternannte Patrioten aller Altersgruppen zusammengefasst. Dort werden Hashtags der AfD wie zum Beispiel #Merkelmussweg aufgegriffen. Extreme Meinungen finden sich zudem unter #fckantifa oder #Massenmigration. Diese Gruppe ist groß und sehr heterogen, wir haben 2.039 Accounts darin zusammengefasst und ausgewertet. 60 Prozent von ihnen ordneten wir als Patriotinnen und Verschwörungsideologen ein, 40 Prozent als AfD-Fans und AfD-Umfeld.

Ein Blick in die Daten offenbart einige Besonderheiten. Accounts aus dem AfD-Umfeld (aus der Gruppe „Community”) beispielsweise haben durchschnittlich mehr als 100 Beiträge hochgeladen, im Median (ein statistisches Mittel, das robuster gegen niedrige und hohe Werte ist als der Durchschnitt) bekommen sie dafür aber wenig Likes. Das zeigt: Sie sorgen für ein ständiges Grundrauschen an Inhalten, die Interaktion ist allerdings gering. 

Anders ist dies bei Influencern und Medienschaffenden der rechten Szene, die unter ihrem echten Namen posten und sich selbst als Medium verstehen. Hier ist die Quote an Interaktion mit vierstelligen Like-Zahlen besonders hoch. Auch interessant: Eine Gruppe an besonders jungen selbsternannten „Patrioten“ folgt zwar vielen Accounts, postet selbst allerdings wenig. Sie konsumieren offenbar eher, als dass sie selbst Beiträge hochladen.

Gemeinsame Hashtags halten die AfD-Szene zusammen

Die Community aus AfD-Unterstützern greift Hashtags, die zur Kommunikationsstrategie der Partei gehören, in den eigenen Posts auf. Unser Ranking der am häufigsten verwendeten Hashtags zeigt, dass #AfDwählen, #AfDwirkt und #Linksextremismus sowohl in Beiträgen der Parteiorgane als auch in der Unterstützerinnen-Community regelmäßig genannt werden.

Die klassischen Instagram-Hashtags wie #follow, #like4like oder #instafollow tauchen in ihren verschiedenen Formen übrigens dort auch auf. Sie sind zwar nicht charakteristisch für die Gruppe, werden aber verwendet, um die eigene Reichweite zu vergrößern. 

Die Inhalte in den Posts weisen am häufigsten Worte wie „Altpartei“, „linksgrün“ und „Linksextremismus“ auf. Sie arbeiten sich offensichtlich am politischen Gegner ab. Andere rechtspopulistische Themen wie „Masseneinwanderung“, „Islamismus“, „Zwangsgebühren“ und Ärger über den „Migrationspakt“ finden sich übergreifend in Posts von AfD-Politikern und -Parteiorganisationen. Diese Themen tauchen als Hashtags oder Wörter ebenso bei Aktivisten der IB und der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) auf und werden von Accounts vieler Blogger oder Influencerinnen der rechten Szene verwendet.

Häufigste Hashtags

Parlamentarischer Arm (AfD)

Vorfeldorganisationen

Community

Hashtag #DefendEurope wird von AfD-Mitgliedern bis zu rechten Modelabels verwendet

Ein Hashtag, dessen Ursprung relativ genau datiert werden kann, ist #DefendEurope. Im Jahr 2017 hatte die IB während einer Aktion mit demselben Namen versucht, die Seenotrettung von Geflüchteten und Migranten zu stören. Dafür charterten die Aktivisten ein Schiff, um NGOs daran zu hindern, vor Libyens Küste Schiffbrüchige zu retten.

Während unserer Recherche fiel uns auf, dass es neben #DefendEurope mit #DefendEuropa eine Variation des Hashtags im Netzwerk gab. Auf Anfrage teilte uns Instagram mit, dass #DefendEurope bereits vor etwa einem Jahr blockiert worden sei, weil er gegen die Community-Richtlinien verstoßen habe. Blockieren bedeutet, dass der Hashtag zum Beispiel nicht mehr gesucht werden kann. In unserer Datenbank tauchte der Hashtag allerdings auch Ende August noch auf.

#DefendEuropa entwickelte sich daher zu einem Ausweich-Hashtag der Szene – im Zuge unserer Veröffentlichung in der vergangenen Woche verbannte Instagram auch diesen Hashtag von der Plattform.

Den Hashtag #DefendEurope nutzten auch einige AfD-Politiker und -Parteiorganisationen. Auch von verschiedenen Medien-Accounts wurde er aufgegriffen. In der größten Gruppe der „Patrioten und Verschwörungsideologen“ war #DefendEurope in den Top 10 der am meisten verwendeten Hashtags. Bei der Menge der Posts aus dieser Gruppe deutet das darauf hin, dass der Hashtag regelmäßig viele Menschen erreichte.

Selbst bei Modelabels der rechten Szene war dieser Hashtag beliebt. Sie vertrieben ihre Produkte überwiegend mit den Hashtags #Streetwear und #Clothing – danach folgte schon #DefendEurope. Aus einer menschenverachtenden Aktion war also ein gruppenübergreifender Hashtag geworden, mit dem einige in der Szene offenbar Geld verdienen wollten.

Häufigste Wörter in Posts (Hashtags ausgeschlossen)

Parlamentarischer Arm (AfD)

Vorfeldorganisationen

Community

Was uns auch auffiel: Einige Accounts aus mehreren Gruppen versuchen, ihren Profilen auch intellektuelle Tiefe zu verleihen, indem sie unter dem Hashtag #Waldgang den Schriftsteller Ernst Jünger zitieren. Ein Waldspaziergang, fotografisch festgehalten, verarbeitet in einem Instagram-Beitrag: Rechte und Rechtsextreme wollen damit offenbar zeigen, wie wichtig ihnen der Wald als Rückzugsort ist.

Das Spektrum zwischen konservativen Patrioten und Rechtsextremen in unserem Netzwerk ist groß. Doch die Themen, die sie in ihren Posts behandeln, sind ähnlich. Die Erkennungszeichen auch.

Posts über Heimat-, Vaterlandsliebe und Patriotismus finden sich übergreifend in allen Gruppen – speziell auch bei Rechtsextremen. Daran zeigt sich, wie anschlussfähig solche auf den ersten Blick unproblematischen Hashtags sind.

Blaue Herzen und Runen: Die Emojis der rechten Szene

Neben Hashtags und Text haben wir uns auch die Verwendung von Emojis näher angeschaut. Emojis sind Symbole, die Emotionen oder Informationen vermitteln – in Posts der rechten Szene fanden wir jede Menge davon, teilweise begleitend zum Text, teilweise alleinstehend.

Auffällig ist das blaue Herz, das in verschiedenen Variationen sehr häufig in allen drei Gruppen auftaucht. Es dient als Erkennungszeichen für die AfD und ihre Anhänger, weil Blau die offizielle Farbe der Partei ist. Unsere Daten zeigen aber auch, dass Mitglieder von radikalen Organisationen wie der IB und einzelner Burschenschaften das blaue Herz besonders oft verwenden. 

Ein weiteres Element, das uns begegnete, war die Verbindung der Farben Schwarz, Weiß und Rot in verschiedenen Formen, zum Beispiel Punkten oder Herzen – sie stehen für die Flagge des Deutschen Reichs. Diese ist bei Rechten und Rechtsextremen in Deutschland ein beliebtes Symbol, in Bremen wurde das Zeigen dieser Flagge in der Öffentlichkeit kürzlich verboten. 

Zudem sahen wir in der Analyse jede Menge Runen, die alten Schriftzeichen der Germanen oder Wikinger. Sie stellen ein weiteres Erkennungszeichen der rechten bis rechtsextremen Szene dar, die Runen auch schon vor dem Aufkommen von Instagram verwendete.

Emojis können die Wirkung einer Botschaft verstärken, das weiß auch die rechte Szene. Wie ein Emoji als Code funktioniert, lässt sich anhand des Vampir-Emojis erklären: Dieser gilt als antisemitischer Stereotyp und wird dementsprechend auch auf Instagram von Rechten und Rechtsextremen genutzt.

Der Adler in Emoji-Form begegnete uns ebenfalls häufig. Er könnte die germanische Mythologie mit der Zeit des Nationalsozialismus verbinden, da er epochenübergreifend als mächtiges und bedeutsames Tier wahrgenommen wird. Allerdings ist der Adler auch ein Symbol für die Bundesrepublik Deutschland. Die mehrdeutige Symbolik machen sich Instagram-Nutzer der rechten Szene zu eigen.

Häufigste Emojis

Parlamentarischer Arm (AfD)

Vorfeldorganisationen

Community

Unsere Daten zeigen: Bestimmte Hashtags und Begriffe dienen in der rechten bis rechtsextremen Szene auf Instagram als verbindende Elemente, um den Diskurs von der Community über die Vorfeldorganisationen bis hin zum parlamentarischen Arm zu beeinflussen. Das passiert natürlich auch umgekehrt: Themen werden durch die AfD gesetzt und gelangen durch Instagram-Posts in die weiteren Kreise bis zur rechtsextremen Szene. 

Die Entstehung und Verbreitung eines Hashtags kann wie eine Wertschöpfungskette in der Produktion verstanden werden: Jemand kommt auf eine Idee, verwendet sie in einem Post, woraufhin andere Personen oder Gruppen darauf aufmerksam werden. Darüber wird die Idee dann in andere Sphären getragen, wo sie wieder aufgegriffen wird. 

Die rechte Szene macht sich damit einen der zentralen Wirkmechanismen der Plattform Instagram zunutze. Über das Verwenden von Hashtags soll Anschlussfähigkeit, aber auch Aufmerksamkeit geschaffen werden. Emojis helfen bei der grafischen Verstärkung der Inhalte – und dienen als Codes zur gegenseitigen Erkennung. So können sich rechte und rechtsextreme Gruppen sicher sein, dass sie dieselben Themen bedienen.

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Veröffentlicht am 12. Oktober 2020

Recherche & Texte: Alice Echtermann, Arne Steinberg, Celsa DiazClemens Kommerell, Till Eckert
Datenwissenschaft: Celsa Diaz, Clemens Kommerell
Redaktion: Olaya Argüeso, Justus von Daniels
Design: Benjamin Schubert, Belén Ríos Falcón
Projektmanagement: Marius Wolf
Mitarbeit: Frederik Richter, Jonathan Sachse, Miriam Lenz, Carol Schaeffer, Melina Hemmer
Kommunikation: Katharina Späth, Luise Lange, Bao-My Nguyen, Valentin Zick